Credit: Robert Grischek
Mit der Wahl der richtigen Lkw-Reifen erschließen sich Flottenbetreiber ein sattes Sparpotenzial – davon sind die Gründer des Start-ups CO2OPT überzeugt. Datengetriebene Analyse und jahrelange Erfahrung sind ihre Tools, um den optimalen Pneu zu finden.
Ob ein Lkw gewinnbringend oder mit Verlust fährt, hat schon lange besonders viel mit einem teuren Rohstoff zu tun: Diesel. Den Kraftstoff verbrauch zu checken und zu optimieren dürfte auf der Prioritäten-Liste der meisten Flottenbetreiber demnach ganz oben stehen. Auch Fahrertrainings zur wirtschaftlichen Fahrweise können einen erheblichen Eff ekt haben. „Das ist auf jeden Fall ein guter Ansatzpunkt“, sagt Frank Seeger, CEO des 2022 gegründeten Hamburger Start-ups CO2OPT. „Es gibt ja aber auch noch andere, fahrerunabhängige Faktoren, die erheblichen Einfluss nehmen. Man muss sich nur mal klarmachen, dass der Rollwiderstand der Reifen bis zu 30 Prozent des Verbrauchs eines Lkw ausmacht. Wer hier aufs falsche Pferd setzt, tut sich keinen Gefallen.“
Erfahrung ist das A und O
Seeger weiß, wovon er spricht: Er ist ein alter Hase im Reifengeschäft, war viele Jahre im Vertrieb eines großen Herstellers
angestellt und auf mehreren Kontinenten tätig. „Aus der Zeit habe ich vieles mitgenommen, und eben auch gemerkt, dass das
Hightech-Produkt Lkw-Reifen noch längst nicht ausgeschöpft ist.“ Wobei „Hightech“ hier nicht Prozessoren oder Präzisionsroboter bedeutet. Den vielschichtigen Reifenaufbau aus Laufstreifen, mehrlagigen Stahlgürteln, Karkasse, Innenseele und Seitenwand mit hoher Qualität zu fertigen braucht immer noch ein großes Maß an Handarbeit und damit enorm viel Erfahrung.
Unterschiedliche Eigenschaften
„Von außen mögen zwei Reifen unterschiedlicher Hersteller vielleicht sehr ähnlich aussehen, sie können jedoch vollkommen
verschiedene Eigenschaften haben. Aufbau, Materialien und Verarbeitung des Innenlebens sind die Schlüsselfaktoren“, sagt Benjamin Bartsch, Frank Seegers Partner der ersten Stunde und Chief Operation Officer bei CO2OPT, für das er seine alte berufliche Heimat als Produktmanager eines großen Reifenherstellers aufgegeben hat. Dritter im Bunde ist Siddhant Tibrewal. Er bringt als Chief Technology Officer ein, was CO2OPT hervorhebt: IT-Knowhow. „Die ganze Reifenbranche hat in meinen Augen dramatischen Aufholbedarf bei der Digitalisierung“, sagt Seeger.
„Unser Ansatz ist, die Beratung von Transportunternehmen auf eine fundierte Datenbasis zu stellen.“ Und die basiert auf
zwei Aspekten: zum einen auf dem Wissen um die Vorzüge der verschiedenen Reifen. Die CO2OPT-Datenbank umfasst mehr
als 10.000 unterschiedliche Lkw-Pneus mit ihren jeweiligen Spezifikationen. Zweiter Aspekt ist der Einsatzzweck. „Es reicht ja nicht zu wissen, welcher Reifen welches Leistungsprofil mitbringt. Ein voll ausgelasteter Lkw in Fernverkehr braucht
einen anderen Reifen als ein leichter beladener Verteiler-Lkw“, so Seeger. „Die meisten Flottenbetreiber sprechen mit ihrem stationären Reifenhändler und verlassen sich auf sein Urteil. Wir gehen einen anderen Weg.“ Wer bei CO2OPT anklopft, muss erstmal selbst liefern. Daten nämlich. „Wir bitten unsere Kunden, uns über eine von uns entwickelte Schnittstelle Zugriff auf ihre Telematikdaten zu geben.“ Die Anbindung an die Systeme der großen Lkw- und Trailer-Hersteller ist bereits gewährleistet, sodass theoretisch heute schon die Daten von 70 Prozent aller Lkw – Einwilligung vorausgesetzt – abgefragt werden können.
Individuelle Profile
Obwohl erst vor einem knappen Jahr gegründet, sind schon rund 1.500 Lkw mit der Software der Hamburger verbunden.
Pro Fahrzeug erfasst die Telematik standardmäßig kontinuierlich mehr als 20 Parameter. Bei CO2OPT werden diese intelligent aufbereitet und per KI zu individuellen Profilen zusammengestellt, ausgewertet und in Empfehlungen umgesetzt. „Anders als der Händler können wir unsere Empfehlung gestützt auf eine breite Analyse und exakt passgenau auf das Einsatzprofil des Lkw aussprechen“, sagt Seeger. Beladung, Wetter, Höhenprofil und Strecke spielen dabei eine Rolle. Genauso aber
auch das Fahrverhalten. Bremst und beschleunigt der Fahrer häufig, gibt es viele oder nur wenige Stopps? Auch solche vermeintlich weichen Faktoren werden miteinbezogen.
Automatische Updates inklusive
Dabei ist die Analyse nie abgeschlossen: Stellt CO2OPT bei der kontinuierlichen Auswertung der Telematikdaten fest, dass sich
ein Einsatzprofil geändert hat und sich ein Reifenwechsel lohnt, wird der Fahrzeugbetreiber automatisch informiert.
Individuell zugeschnittene Ergebnisse auf fundierter Datenlage sind das Bestreben von CO2OPT. Das kann zum Beispiel
bedeuten, dass für einen Lkw im Fernverkehr ein Reifen mit weniger ausgeprägtem Profil empfohlen wird: Dadurch sinken
der Rollwiderstand und damit sowohl Verbrauch als auch Schadstoffemission. Ist der Lkw dagegen vornehmlich innerstädtisch
unterwegs, rückt auch die Robustheit in den Fokus. „Verbrauch, Haltbarkeit und Preis: Das ist das magische Dreieck, das die Total
Cost of Ownership beeinflusst. Unser Know-how ist, hier Fall für Fall die richtige Empfehlung aussprechen zu können“, so Seeger.
Oft genug erlebt er, dass die Prioritäten falsch gesetzt werden. Beim Erwerb werde gern der Preis gedrückt, indem
am Ende günstigere Reifen montiert würden. „Das ist aber zu kurz gedacht. Der Einkauf macht gerade mal fünf Prozent der
Lebenszeitkosten eines Lkw aus. Der Verbrauch dagegen rund 30 Prozent. Unsere Erfahrung ist, dass mit unserer Beratung bis
zu zehn Prozent Dieseleinsparung erreicht werden. Wer das mal hochrechnet auf die Laufleistung des Fahrzeugs, der stellt fest,
dass es da schnell um einige Tausend Euro pro Jahr gehen kann.“
Umweltauflagen im Blick
Hinzu kommt, dass Diesel-Einsparungen aktiv auf den Klimaschutz einzahlen. Denn bei der Verbrennung des Kraftstoffs
werden pro Liter gut 2,6 Kilogramm CO2 freigesetzt. Und je besser die Klimabilanz, desto besser die Außenwirkung –
Stichwort Nachhaltigkeitsbericht. „Wir rechnen uns in diesem Zusammenhang erhebliche Wachstumschancen aus“, sagt Seeger. „Zum Beispiel auch, weil die Lkw-Hersteller ab 2025 noch einmal strengere Umweltauflagen erfüllen müssen.“ Bereits auf
den Zug aufgesprungen ist Trailer-Hersteller Krone: Seit dem vergangenen Jahr ist das CO2OPT-Paket „ab Werk“ hinzubuchbar. So jung das Unternehmen aus Hamburg auch ist:
Seeger, Bartsch und Tibrewal haben bereits Kontakte ins europäische Ausland geknüpft. Selbstbewusst kommentiert Seeger:
„Wir sind aktuell in Richtung Skandinavien aktiv, das ist der Anfang für die Skalierung nach ganz Europa. Und für 2025 ist der nordamerikanische Markt angepeilt.“