Fotos: David Mederake
Woher kommt der Betrieb, wofür steht er, und wie lässt sich das kommunizieren – wer schlüssige Antworten auf diese drei Fragen findet, ist beim Employer Branding schon weit gekommen und kann attraktiver als Arbeitgeber, aber auch als Auftragnehmer auftreten. Ein Interview mit David Mederake, der seit mehreren Jahren Unternehmen genau in diesem Bereich unterstützt.
Fachkräftemangel in der Logistik ist allgegenwärtig, und auch die Kommunikationswege haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Herr Mederake, was ist Ihr Blick auf dieses Thema?
Mittlerweile ist ja Social Recruiting ein gängiger Begriff geworden, leider noch häufig mehr schlecht als recht umgesetzt. Die Unternehmen merken gerade: Die Stellenanzeige in der Zeitung hat ausgedient. Gekommen ist Social Media, aus meiner Sicht ein Pflichtfeld für jedes Unternehmen, das langfristig bestehen möchte. Das Problem ist natürlich: Wie macht man’s? Da gibt’s für mich zwei Leitplanken: erstens realistisch herangehen und zweitens authentisch bleiben.
Was meinen Sie mit realistisch?
Das bedeutet zum einen, sich jemanden von außen zu holen, um frisch an die Sache heranzugehen. Vielen Unternehmen ist mit der Zeit der unverstellte Blick auf das eigene Unternehmen abhandengekommen. Wir haben einen riesigen Fragenkatalog entwickelt, über den wir abklopfen, welche Geschichte eine Firma hat, welche Stärken, welche Schwächen, welche Werte gelebt werden … Und auf der Grundlage dieser Analyse muss man dann schauen, was sich gut nach innen und außen kommunizieren lässt, wo und wie man etwas Farbe in das Firmenbild bringt.
Gibt es typische Fehler, die Ihnen immer wieder begegnen?
Der gröbste Schnitzer, den fast alle machen, ist die Einschätzung „Ich habe ein Transportunternehmen, wir fahren Lkw, so wie die anderen auch“. Damit kommt man nicht weit. Natürlich ist es erst einmal so, aber es hat eben doch jeder seine Feinheiten. Wenn wir mal in Richtung der Fahrer schauen: Es gibt ja verschiedene Fahrertypen. Zum Beispiel den Fahrer, dem es aufs Geld ankommt. Aber auch den Fahrer aus Leidenschaft, für den ein toller Lkw ausschlaggebend ist. Dazu habe ich auch gehört, ich bin damals Viehtransporte gefahren, weil ich einen V8 fahren wollte mit möglichst vielen Lampen dran. Und ich merke übrigens, dass das gerade unter den jungen Fahrern wieder stärker eine Rolle spielt. Schon bei dieser Frage muss sich ein Unternehmen entscheiden: Welche Gruppe ist für mich interessanter? Was passt besser zu mir? Wer da halbherzig in beide Richtungen unterwegs ist, gewinnt weder bei der einen noch der anderen Gruppe.
Ein Top-Ausstattung hat allerdings auch ihren Preis …
Das stimmt. Wenn ich aber sehe, was für Recruiting ausgegeben wird, um eine neue Stelle zu besetzen, oder was es kostet, wenn der Lkw einige Wochen steht, dann rechnet es sich eben doch, den Arbeitsplatz mit Lederausstattung aufzuwerten, um mal ein Beispiel zu nennen. Das sind so Punkte, mit denen man seine Arbeitgebermarke deutlich schärfen kann. Klar gibt es auch Unternehmen, denen es nur darauf ankommt, überhaupt einen Fahrer am Steuer zu haben. Die kommen dann häufig von weit her und liefern vielfach an der Rampe eben auch nicht die Qualität von gut geschultem, sprachkompetentem und motiviertem Personal ab. Da bin ich ganz sicher, dass sich die Auftraggeber langfristig überlegen werden, an wen der nächste Auftrag geht. Wenn der Fahrer im schlimmsten Fall in Flipflops auf der Baustelle aufschlägt, dann fällt das sowohl auf den Auftraggeber als auch den Transporteur zurück.
Und wenn der Lkw nicht so ausschlaggebend ist?
Sicherlich positioniert sich ein Arbeitgeber ganz klar auch immer über Gehalt, Arbeitszeiten und Urlaubsregelung. Das sind die harten Fakten. Dazu kommen aber die Soft Skills. Und gerade da sehe ich immer wieder viel Aufholbedarf. Wie sieht die Unternehmenskultur aus, wie die Kommunikation? Es gibt Unternehmen, da ist der Mitarbeiter nur eine Arbeitskraft und fertig. Aber gerade im Transportgewerbe gibt es noch viele Firmen, da wird das Konzept Familienunternehmen noch intensiv gelebt. Wenn Mitarbeiter erleben, dass sie auch mit ihren privaten Problemen gehört werden und Unterstützung von der Firma bekommen, dann gehen die nicht weg. In solchen Unternehmen ist eine enorm lange Betriebszugehörigkeit die Regel. Da wechselt keiner, weil es anderswo etwas mehr Gehalt gibt.
Ab einer gewissen Mitarbeiterzahl wird das natürlich immer schwieriger …
Aber auch dann zählt der Umgang miteinander. Kommunikation ist und bleibt ein zentraler Punkt beim Employer Branding. Ein Beispiel: Fahrer können heute all ihre Aufträge digital erhalten und haben so fast keinen Kontakt mehr zur Disposition. Es gibt genug Fahrer, die fühlen sich dadurch komplett allein auf der Straße. Gerade im Fernverkehr sind die Leute die ganze Zeit allein unterwegs, da ist auch ein kleiner sozialer Austausch wertvoll. Manchen Fahrern ist es egal, andere legen Wert darauf, aber als Unternehmer kann ich doch meine Leute fragen, ob es ihnen nicht lieber ist, wenn der Disponent sich persönlich meldet. Damit geht es schon los.
Nicht jeder Disponent wird sich drum reißen, oder?
Das stimmt. Da übernimmt er ein Stück weit die Funktion eines Kummerkastens. Aber ob das nun der Disponent macht oder jemand anders in der Firma die soziale Ader ausbaut: Das zahlt sich langfristig aus, die Fahrer wissen das extrem zu schätzen. Und nicht zu vernachlässigen: Ein Unternehmer hat so die Chance, von Missständen zu erfahren, die ihm sonst verborgen bleiben würden, obwohl sie in der Belegschaft schon lange großes Thema sind. Das können Probleme mit Kunden sein, oder dass die Taktung der Aufträge nicht stimmt und vieles mehr.
Es geht also auch um interne Kommunikation?
Sehr, sehr viel. Ich habe zum Beispiel erlebt, dass eine Ökoprämie unzureichend kommuniziert und dann eben auch von den Fahrern nicht gelebt wird. Wenn er ohne Erläuterung nur die Ansage bekommt „fahre sparsamer, dann bekommst du eine Prämie“, dann ist viel verschenkt. Ein Unternehmen muss erklären, warum die Prämie eingeführt wird. Dass es um Umweltschutz geht und sich gleichzeitig Kosten senken lassen, was ja auch dem Fahrer zugutekommt, weil es seinen Arbeitsplatz sichert. Oder dass ein toller Nachhaltigkeitsbericht neue Kunden anziehen kann.
Haben Sie ein weiteres Beispiel?
Es kommt nicht so selten vor, dass ein Kunde von den Fahrern nicht geschätzt wird. Das Unternehmen kann aber zurzeit nicht auf diesen Kunden verzichten. Dann ist es für den Fahrer ein ganz anderes Gefühl, wenn der Chef mit ihm gesprochen hat und ihm erklärt, dass man auf der Suche nach Ersatz ist, aber eben im Moment noch nicht auf diesen Kunden verzichten kann. Da kann Kommunikation enorm viel bewirken. Eine offene Firmenkultur ist fürs Employer Branding entscheidend. Oft genug muss einfach mal jemand von außen kommen und feststellen: Diese beiden sollten sich mal unterhalten. Dann ist schon viel gewonnen und hoffentlich ein großes Problem aus der Welt.
Kontakt zu den Fahrern zu pflegen kann ein wichtiger Aspekt der Mitarbeiterbindung sein, meint David Mederake
Gilt das auch für extern?
Sicher. Wenn der Chef sich kümmert, seine Fahrer nach ihren Erfahrungen fragt und dann das Gespräch mit dem Kunden sucht, lässt sich vieles fixen, und der Job macht den Fahrern wieder mehr Spaß.
Für bestehende Mitarbeiter sicher ein Fortschritt, aber wie steht es um die Rekrutierung neuer Kräfte?
Man darf nicht unterschätzen, dass die Fahrer untereinander sehr gut vernetzt sind. Aus Erfahrung weiß ich, dass Unternehmen teils immer noch Dinge auf die Füße fallen, die schon viele Jahre zurückliegen, also vielleicht schon lange ausgeräumt sind. Das kann man ja aber auch umdrehen und für die eigenen Zwecke einsetzen. Und da kommt dann Social Media ins Spiel. Wenn die Analyse steht und rausgearbeitet ist, wofür das Unternehmen steht, dann lässt sich das sehr gut und mit nicht zu viel Aufwand in eine Kampagne umsetzen, die neue Mitarbeiter ins Unternehmen bringt.
Was zeichnet denn eine gute Kampagne aus?
Ganz klar Authentizität. Niemand kann eine Hochglanzfassade aufrechterhalten und dabei ehrlich rüberkommen. Das merken die User. Die wollen sehen, wie es in einem Betrieb tagtäglich ungeschönt zugeht. Deshalb rate ich immer dazu, bei den eigenen Mitarbeitern anzufragen. Wenn sich aus den eigenen Reihen jemand findet, der Lust darauf hat, dann bekommt er ein Handy, mit dem sich gut filmen lässt, und eine Einweisung und dann kann es losgehen. So erscheinen dann der eigene Firmenname und die eigenen Fahrzeuge auf Social Media, werden geteilt und verankern sich im Gedächtnis.
Ist Social Media der Königsweg?
Jein. Einerseits kommt heute einfach niemand mehr drumherum, kaum jemand möchte noch auf sein Smartphone verzichten, und dort sind natürlich die entsprechenden Apps installiert. Der eine ist dort aktiv, der andere liest nur mit. Aber auf jeden Fall kann das Unternehmen eine enorme Reichweite generieren. Auf der anderen Seite muss man ganz klar sagen, dass zu einer gut angelegten Kampagne ein ganzheitlicher Auftritt gehört. Online- und Offline-Auftritt sollten aus einem Guss sein und sich gegenseitig ergänzen. Nicht zuletzt sind ja noch mehr Maßnahmen denkbar – wer etwas erreichen will, sollte sich nicht auf Social Media beschränken.
Weitere Tipps?
Oftmals zählt einfach auch Tempo. Wir hatten kürzlich auf Social Media Ads für eine Fahrersuche gestartet. Jeden Interessenten hat der Personalchef dann binnen Stunden angerufen, ein Gespräch geführt, am nächsten Tag war der Bewerber vor Ort. So konnten die Stellen innerhalb einer Woche besetzt werden, und der Personalchef hat noch weitere Interessenten vorgemerkt. Da spielt natürlich aber auch die Reichweitenstärke von Social Media eine Rolle. Wer dort Ads platziert, erreicht für moderates Geld bei Bedarf eine ganze Region. Und zwar nicht nur die Interessenten, sondern auch die Kunden. Jede Stellensuche ist so gesehen gleichzeitig eine Anzeige für potenzielle Kunden, die das Unternehmen positiv wahrnehmen. Und selbst wenn sich kurzfristig keine Erfolge einstellen sollten: Wer langfristig denkt und handelt, kann nur gewinnen.
Es ist also Einsatz gefragt.
Exakt, die Zeit der Zeitungs-Stellenanzeige ist vorbei, heute ist einfach mehr Invest ins Recruiting erforderlich, auch wenn viele Unternehmen das nicht wahrhaben wollen.
DAVID MERERAKE
Aufgewachsen in einer Fernfahrerfamilie hat David Mederake „Diesel im Blut“, wie er selbst sagt. Folgerichtig hat er selbst als Fahrer gearbeitet, war Disponent und zeitweise Chef eines eigenen Transportunternehmens. Quasi per Zufall geriet er zum Online-Marketing, sammelte dort Erfahrungen mit Online-Shops, Online-Anzeigen und Firmenprofilen. „Ich hab dann gemerkt, dass kann ich auch für die Transportbranche nutzen“, so Mederake. Heute berät er schwerpunktmäßig Logistikunternehmen bei den Themen Employer Branding und Social Recruiting.