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„Ich schließe zum Jahresende die Firma!“ Mit diesem Satz überrumpelte Andy Bohn als letzte Konsequenz eines intensiven Entwicklungs- und Entscheidungsprozesses im Februar 2016 seine Belegschaft, darunter: Sven Pfromm. Ungefähr zur selben Zeit wurde das Unternehmen, in dem Christian Pfromm als Leiter Betriebstechnik angestellt war, von einem amerikanischen Konzern übernommen.
Unzufrieden mit den neuen Strukturen vertraute er dies auch seinem Bruder Sven an. Heute – rund fünf Jahre später – geht Bohn einer Tätigkeit mit Leidenschaft nach und die Brüder Pfromm führen erfolgreich ein Familienunternehmen fort. Aber der Reihe nach!

Wie alles begann…

Als 1854 die Kartoffelfäule in Hessen ausbrach, beschlossen viele Familien in die USA auszuwandern. Andy Bohns Ururururgroßvater fuhr die Auswanderer an Schwalm, Eder und Weser entlang bis nach Bremerhaven mit der Pferdekutsche. Ebenfalls befand sich Holz als Ware auf diesen Transporten.

Andy Bohn ist mit und in dem Familienbetrieb Holztransporte Bohn im Vogelsbergkreis aufgewachsen. Nach dem Abitur und dem
Wehrdienst, studierte er an der Berufsakademie Mannheim Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Spedition und trat dann in das Unternehmen ein. „Mein zwei Jahre jüngerer Bruder Ralf und ich haben den Betrieb in der siebten Generation übernommen, damals noch im Einzelunternehmen meines Vaters. 1998 haben mein Bruder und ich dann eine GmbH gegründet. Und es stellte sich nie die Frage, ob wir etwas anderes beruflich machen möchten“, erinnert sich der 51-jährige.

Dennoch führten die beiden Brüder mit viel Engagement das Traditionsunternehmen fort und führten viele Veränderungen ein. Zudem erschlossen sie neue Geschäftsfelder. Darunter auch die Entsorgungslogistik und der Handel mit Holzpellets. Und so gingen die Jahre ins Land, aufgrund des Wachstums wurden aus einem Unternehmen zwei.
Während Ralf Bohn sich auf das Thema Entsorgung spezialisierte, ging Andy Bohn seiner Tätigkeit im Bereich Holzlogistik und Handel mit Holzpellets nach – wohlwissend, dass „etwas fehlte“. Der anerzogene patriarchische Führungsstil und die damit verbundene Verfügbarkeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche, führten zu einem Notarzteinsatz im Sommerurlaub 2006 – übrigens der erste Urlaub mit zwei Wochen am Stück – jetzt war Bohn klar: So kann es nichtweitergehen.

„Ich wollte für meine Frau (Hochzeit 1994) und meine beiden Töchter (*1996 und *1998) da sein und für mich herausfinden, was wirklich zu mir passt!“ In dieser Zeit lernte er ein Gesundheitsnetzwerk kennen, das Menschen dafür belohnt, andere erfolgreich zu
machen. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Potenziale zu erkennen und jeden der zu Wachstum bereit ist, individuell zu inspirieren und zu ermutigen die gesteckten Ziele zu erreichen. „Das passt zu mir! Zum ersten Mal habe ich erfahren, wie viel Energie man erhält, wenn man etwas gern macht. Also habe ich nach diesem Ereignis alle Mitarbeiter an einen Tisch gerufen und gesagt: ‚Es muss sich etwas ändern!‘“, so Bohn.

Viele seiner Mitarbeiter hätten sich damals gefragt, „was ist denn mit dem passiert?“, vor dem Urlaub noch Patriarch, nun fordert und fördert der Chef jedoch plötzlich Eigenständigkeit und Verantwortung.
Der Change-Prozess begann.
Drei Jahre nach dem entscheidenden Sommerurlaub folgte die wirtschaftliche Trennung mit seinem Bruder. Auf zu unterschiedlichen Wegen waren beide mittlerweile unterwegs. Bohn führte in seinem Betrieb einen Strategieprozess mit Regelterminen ein, band die Mitarbeiter mehr ins Geschehen ein, damit das Team genau wusste, was wann zu tun ist und dadurch selbstständiger agieren konnte. Fordern und fördern – das war seine neue Devise.

Das Leben macht Dir ständig Türen auf. Läufst Du durch oder nicht?

Andy Bohn

Fast zehn Jahre Strategieprozess

Einige wenige Mitarbeiter hatten die Chance zur eigenen Entwicklung angenommen, vieles lief nun schon sehr gut auch ohne mich, der letzte Schritt in die volle Verantwortung fehlte jedoch noch. Für mich selbst wurde immer klarer, dass ich nicht mehr in diese Branche passe und somit nicht authentisch als Vorbild wirken kann.

Als Bohn sich im Februar 2016 mit einem guten Freund „Zeit schenkte“ und die beiden Männer für drei Tage zum Skifahren aufbrachen, endete dieser Kurztrip jäh am ersten Tag im Krankenhaus: Schulterbruch. „Das war dann der zweite Weckruf, jetzt hatte ich es dann auch verstanden: So geht es wirklich nicht mehr weiter! Allein auf der Fahrt zum Skiort hing ich noch die ganze Zeit am Handy, um mich um die Firma zu kümmern. Mit den Gedanken überall – nur nicht beim Autofahren und wohl auch nicht beim Skifahren. Wer dankt Dir das denn später?“, sinniert Bohn über diesen Unfall. Als er dann wieder Zuhause war, lud er erneut alle Mitarbeiter ein. An diesem frühen Morgen Mitte Februar 2016 sagte Bohn dann den alles entscheidenden Satz: „Ich schließe zum Jahresende die Firma!“ Stille.

Manuela Theuer, die gute Seele des Unternehmens und seit vielen Jahren als Disponentin tätig, fand zuerst ihre Stimme wieder: „Ich brauche jetzt erst einmal einen Schnaps!“ Gesagt, getan: „Wir haben dann also um halb neun in der Früh Schnaps getrunken“, schmunzelt Bohn und fährt fort, dass er versprach, die Arbeitsplätze zu erhalten. Ein gutes halbes Jahr später, im Oktober
2016 wurde die Unternehmensübergabe final abgewickelt: Die Brüder Sven und Christian Pfromm übernahmen den Kernteil des Unternehmens. Doch dazu später mehr!
Sven Pfromm kam ab dem Moment zu dem Holzbetrieb als Bohn anfing, umzudenken. „Ich bin gelernter Maurer und hier in der Region ist im Winter auf den Baustellen nicht viel zu tun. Also wollte ich unbedingt nebenbei was machen. Mein Opa, der für mich immer ein großer Ratgeber und als Landwirt selbstständig war, sagte mir, ich solle mir was im Wald suchen: Da sei im Winter viel zu tun und im Sommer eher wenig“, erinnert sich Pfromm lächelnd.

Über einen Freund lernte er Bohn kennen. Das Probearbeiten gefiel dem heute 42-jährigen so gut, dass er für den Winter anheuerte. Im Sommer ging er seiner Tätigkeit auf dem Bau nach. Im darauffolgenden Winter jobbte er erneut bei dem Transportunternehmen. Kurz bevor der Vogelsberger wieder saisonbedingt wechseln wollte, rief ihn Bohn an: „‚Melden Sie
sich bei mir im Büro!
‘“ „Und ich dachte: ‚Oh, ich habe was falsch gemacht!‘“ erinnert sich Pfromm. Doch das Gegenteil war der Fall: Bohn war begeistert von dem jungen Mann, der sich sehr interessiert und engagiert zeigte, dass er ihm eine Festanstellung anbot. Das kam für Pfromm so überraschend, dass er um Zeit für eine Entscheidung bat.

Einerseits habe ich mich natürlich über das Angebot und das damit verbundene Vertrauen gefreut. Doch andererseits hatte ich auch Sorge, meinen Beruf als Maurer an den Nagel zu hängen und mich voll und ganz auf etwas zu konzentrieren, was ich gar nicht gelernt habe. Es hat sicherlich sechs bis acht Wochen gedauert, bis ich bereit war, mich auf dieses neue Abenteuer einzulassen.

Im Oktober 2016 wurde Pfromm Geschäftsführer der Holztransporte Bohn GmbH – gemeinsam und gleichberechtigt mit seinem jüngeren Bruder Christian. Christian Pfromm hat an der Berufsakademie Mosbach Wirtschaftsingenieurswesen mit dem Schwerpunkt Technisches Vertriebsmanagement studiert. Im Rahmen des dualen Studiengangs absolvierte Pfromm den praktischen Teil bei einem Teppichbodenhersteller in Fulda, der als Zulieferer der Automobilindustrie Fahrzeugverkleidung für den Fußraum von neuen Modellen herstellte. Nach seinem abschluss erhielt er bei der Firma direkt einen Job in der Entwicklung.
„Das war eine tolle Zeit“, erinnert sich Pfromm. „Zweimal die Woche waren wir bestimmt bei den großen Automobilherstellern, um Maß zu nehmen für neue Fahrzeugmodelle.“ Doch es gab auch Schattenseiten:

150 Leuten wurden aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation entlassen und sein Abteilungsleiter bereitete sich auf den Ruhestand vor. „Leider war er dadurch eher eine Bremse. Als der Werksleiter, mit dem ich mich immer gut verstanden hatte, zum
Geschäftsführer ernannt wurde, haben wir uns viel ausgetauscht und gemeinsam Ideen entwickelt. Das schmeckte wiederum dem
Abteilungsleiter nicht und mir wurde vorgehalten, gegen die Abteilung zu arbeiten
,“ erinnert sich der 39-jährige. Alle Durchhalteparolen brachten nichts: Nach einem Jahr wechselte er zu einem inhabergeführten Textilunternehmen, das Filtermaterial für Müllverbrennungsanlagen herstellte. Mit dem Wechsel rutschte Pfromm auch immer mehr in das Thema Betriebstechnik und arbeitete sich vom Assistenten zum Leiter der Betriebstechnik mit bis zu zehn Mitarbeitern hoch.

2015 wurde kurz darauf wurde die Firma dann an ein börsennotiertes US-Unternehmen veräußert. Chefs, die 10.000 km über dem Teich saßen, neue Strukturen, die den Berufsalltag nicht unbedingt beweglicher machten und eine gänzlich andere Unternehmenskultur waren die Folgen. Pfromm fühlte sich nicht mehr wohl. Dann erreichte ihn im Februar 2016 ein Anruf von seinem älteren Bruder: „Kannst Du Dir vorstellen, mit mir ein Unternehmen zu leiten?

Auf zu neuen Ufern

Mitte Februar 2016: Drei Männer, drei Lebenswege, eine Idee. Bohn wusste bereits aus der Vergangenheit, dass Sven Pfromm sich durchaus eine Selbstständigkeit vorstellen konnte. Früh bot er ihm bereits an, sich innerhalb der Firma auszuprobieren und stellte ihm in Aussicht, eines Tages Anteile zu übernehmen. „Ich war schon damals von Sven überzeugt! Normalerweise dauert es rund zwei Jahre, bis jemand weniger Schaden anrichtet als dass er Gewinn einfährt. Sven verrichtete seine Arbeit schon nach wenigen Monaten nahezu perfekt, war sowohl fachlich schnell fit als auch sehr eigenständig“, äußert sich Bohn in unserem Gespräch lobend. „Deshalb habe ich Sven gefragt, ob er die Firma übernehmen will, ob er sich das zutraut!“ Sven Pfromm lacht als er sich an diesen Moment erinnert: „Da kam plötzlich so viel zusammen, das musste ich erst einmal sacken lassen. Doch sofort war mir
klar, dass ich mir das nur mit einer bestimmten Person gemeinsam vorstellen konnte – und das war mein Bruder!

Also rief er den Jüngeren an. Dieser hatte immerhin kaufmännisches Wissen – auch deshalb, weil er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin einen Reitstall gepachtet hatte. Sie kümmerte sich um die Pferde, er um die Verwaltung. Die Brüder spürten: Es ist Zeit, Neues zuzulassen. Nach vielen Gesprächen, schlaflosen Nächten und ruhelosen Tagen stand rund acht Wochen später die Entscheidung fest: „Wir machen’s!“ Also wurde 2016 für die drei Männer ein Jahr der Veränderungen:
Christian und Sven Pfromm gingen den nicht immer leichten Weg in die Selbstständigkeit. Bohn, den die Zeit im Gesundheitsnetzwerk geprägt hatte, ließ sich zum Business Coach beim Bundesverband Zertifizierter Trainer und Business-Coaches (BZTB) e. V. sowie zum Life- and Businesscoach bei der IHK ausbilden. „Ich wollte einfach den fachlichen Hintergrund
haben, wenn ich mein Wissen weitergebe, welches ich im Gesundheitsnetzwerk vermittelt bekommen habe
.“

Vom angestellten Mitarbeiter zum selbstständigen Chef

Sven Pfromm gibt zu, dass er gut drei Jahre benötigt hat, um sich als „Chef“ zu sehen. „Zu Beginn war es wirklich nicht einfach, wir haben zu sehr die Firma wie bisher weiterführen wollen. Und wir wollten den Mitarbeitern halt auch den Wechsel der Geschäftsführung erleichtern.
Trotz aller Bemühungen: Nicht alle Mitarbeiter konnten den Führungswechsel verstehen und akzeptieren. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 15 Mitarbeiter, doch davon sind nur zwei aus der Ära Bohn geblieben. Erst als die Brüder beschlossen „Wir machen jetzt unser Ding!“, ging es bergauf. Ihren Führungsstil beschreiben beide als partnerschaftlich. Das gefällt auch Manuela Theuer. Für sie gab es keinen Grund, die Firma zu verlassen. Sie ist weiterhin eine große Stütze im kaufmännischen Bereich. „Manuela war wenige Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes wieder zeitweise im Einsatz und hat das Baby einfach mitgebracht“, erinnert sich Bohn lachend.

In der Anfangszeit stand Bohn den Neu-Unternehmern mit Rat und Tat zur Seite, weniger als Vorgänger, sondern vielmehr als Coach: Mittlerweile sind die Brüder mit Bohn nur noch bei Bedarf im Austausch. „Bei den beiden steckt so viel Herzblut drin, dass ich gut loslassen konnte.“ Dann fällt dem ehemaligen Geschäftsführer noch eine Anekdote ein: „Mein Vater hat zu meinem 50. Geburtstag eine Rede gehalten und sagte, dass er zwar nicht verstehe, was ich da mache, aber es scheine ja zu funktionieren.
Das war schon ein großer Zuspruch von ihm!
“ Bohn gibt zu bedenken, dass Führungsstile häufig von Vorgängern übernommen werden, ohne zu hinterfragen, ob diese zu einem selbst passen. So wie sich die Zeiten ändern, so entwickelt sich auch die eigene
Persönlichkeit und somit das Thema Führung.

„Wir sind dem Senior sehr dankbar, dass wir den Standort behalten
durften. Auch er steht und stand uns mit Ratschlägen zur Verfügung,“

Pfromm-Brüder

Zwölf (Kilo)meter

Während Bohn mit seiner Familie nur zwölf Meter vom Firmensitz entfernt wohnte und auch immer noch wohnt, trennen die Brüder rund zwölf Kilometer zwischen Wohn- und Arbeitsstätte. Die drei sind sich einig: Das erleichtert das Abschalten. Doch natürlich dreht sich auch im Privaten der Pfromms viel um die Firma. Denn neben Sven Pfromms Schwiegermutter, die im Unternehmen angestellt ist, helfen sowohl unser Vater, unter anderem in der Werkstatt und wenn „Not am Mann“ ist, als auch die Partnerinnen zeitweise aus. „Gerade zum Monatswechsel muss viel erledigt werden. Deshalb sind wir dankbar, dass unsere Familie und unsere Frauen hinter uns stehen und mit anpacken“, berichtet Christian Pfromm. Wie angedacht, zeichnet sich Christian
Pfromm für das Kaufmännische verantwortlich, während Sven Pfromm „mit an der Basis“ arbeitet. Der schmunzelt: „Wir brauchen keinen Undercover Boss … Ich bekomme auch so alles mit, was optimiert werden kann!

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