Credit: BGL
Die Corona-Krise hat die Transportbranche in den letzten Monaten in Atem gehalten. Was konnte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in der Situation für die Fahrer tun? Inwieweit ließ sich gegen unfaire Preisangebote vorgehen? Wie wirkten sich die teilweise geschlossenen Grenzen aus? Welche Herausforderungen werden die nächsten Monate bestimmen? Zu diesen und weiteren Fragen äußert sich BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt.
Herr Prof. Engelhardt, zu Beginn der Krise wurden die Angebote der Autohöfe und Tank- bzw. Rastanlagen zu Lasten der Fahrer stark eingeschränkt. Wie sind Sie in der Situation vorgegangen? Was haben Sie erreichen können?
Wir haben uns direkt an die Geschäftsführung von Tank & Rast gewendet und sind dort auf viel Verständnis für die prekäre Situation der Lkw-Fahrer gestoßen. Aber nicht nur das: Es wurden umgehend Maßnahmen zur Verbesserung der Angebote vor Ort ergriffen. So wurden beispielsweise die sanitären Anlagen von Sanifair geöffnet und kostenlos zugänglich gemacht – auch die Fernfahrer-Duschen.
Zusätzlich prüfte Tank & Rast mit eigenen Mitarbeiterteams verstärkt die ordnungsgemäße Sauberkeit der sanitären Einrichtungen und schaltete überall dort, wo es nötig war, zusätzliche Reinigungsdienstleister auf. Zudem weitete Tank & Rast speziell das Angebot an warmen Mitnahmegerichten aus.
Der BGL ist dabei, seine Zusammenarbeit mit Tank & Rast zu verstetigen und auszubauen. Auch in der – schon länger bestehenden – Kooperation mit der Vereinigung Deutscher Autohöfe (VEDA) konnten Verbesserungen und Erleichterungen für die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer erreicht werden.
Wie sah bzw. sieht es mit der Situation der Brummifahrer an den Be- und Entladestellen aus? Wie beurteilen sie die Versorgung des Fahrers bzw. Personals an der Rampe?
Hier gab und gibt es vielfach Probleme. Zahlreiche Fahrerinnen und Fahrer meldeten sich – und melden sich immer noch – von Be- und Entladestellen, an denen ihnen die früher oftmals erlaubte Nutzung der Sanitäranlagen aus Angst vor einer möglichen Corona-Infektion verwehrt wurde. Hier wurden vielfach unzureichende, teils geradezu groteske „Alternativen“ angeboten: Mobile Toiletten – manchmal nicht sehr standfest auf Pkw-Einachsanhänger montiert –, die nicht regelmäßig gereinigt wurden und demzufolge binnen kurzer Zeit unbenutzbar waren. Manche Firmen meinten es besonders gut und stellten neben dem Mobil-Klo einen Tisch mit Keksen und Kaffeekanne auf, wo jeder hinlangen konnte – so hatten sich das die Virologen mit Sicherheit nicht vorgestellt.
Der BGL wurde auch hier aktiv. Einige Probleme erledigten sich durch Anrufe unserer Landesverbände, die dabei häufig auf verständige und lösungsorientierte Verantwortliche auf der „Gegenseite“ stießen. Für die anderen Probleme gründete die BGL-Familie, unter anderem gemeinsam mit DocStop und vielen beteiligten Firmen, die Initiative „#Logistikhilft“:
Am 16. April weihte Bundesverkehrsminister Scheuer in Großbeeren den ersten öffentlich zugänglichen Duschcontainer der Initiative ein.
In der Corona-Krise gab es zahlreiche unfaire Transportpreisangebote am Markt. Preise sind im Rahmen des Kartellrechts für den Verband ein schwieriges Thema. Dennoch war der BGL aktiv. Was war und ist hier machbar?
Mit dem Bundeskartellamt steht der BGL bereits in einem intensiven Kontakt. Immer wieder geäußerten Wünschen nach staatlich vorgegebenen Preisuntergrenzen oder gar einer Wiedereinführung der Tarife muss jedoch eine Realisierungswahrscheinlichkeit
von nahe Null beigemessen werden. Hier wollen und dürfen wir keine falschen Hoffnungen wecken.
Es ist dem BGL mit intensiver Unterstützung durch seine Landesverbände und entsprechender Medienpräsenz jedoch immerhin gelungen, große Logistikkonzerne, bei denen einzelne Mitarbeiter ihre gute Kinderstube vergessen hatten, zu fairerem Preisgebaren zu bewegen.
Der BGL steht zudem in laufenden Gesprächen mit einer der führenden Frachtenbörsen in Deutschland und hat auch von dort viel Unterstützung in seinem Werben um faire Frachtpreise erfahren – zuletzt sogar durch einen Gastkommentar in einer führenden deutschen Logistikzeitung.
In der Bevölkerung waren Ängste in Sachen Versorgungssicherheit zu beobachten. Doch die Transportunternehmen haben die gewaltigen Aufgaben bewältigt. Worin bestanden die größten Herausforderungen?
Über die eingangs geschilderten Aspekte hinaus gab es große Probleme mit den ursprünglich für ein halbes Jahr außer Kraft gesetzten Kabotage-Beschränkungen. Hier konnte der BGL gemeinsam mit den anderen Logistikverbänden erreichen, dass diese Aussetzung kurzfristig wieder rückgängig gemacht wurde.
In den vergangenen Monaten hat Ihr Verband in mehreren Umfragen die Bedürfnisse, Befürchtungen und Stimmung der Unternehmen ermittelt. Welche Trends und Entwicklungen lesen Sie heraus? Inwieweit gab bzw. gibt es in dem Kontext Unterschiede beim Blick auf die unterschiedlichen Branchen?
Besonders stark vom Auftragsrückgang waren bzw. sind immer noch beispielsweise die Bereiche Hafenhinterlandverkehr, Messe- und Eventlogistik sowie Automotive betroffen. Hier hilft das in Deutschland altbewährte Instrument der Kurzarbeit, um den (Unter-)Beschäftigten das Einkommen, den Firmen das Überleben und den Belegschaften den Zusammenhalt für den zu erwartenden Aufschwung nach der Krise zu sichern.
Welche Folgen hatten die teilweise geschlossenen internationalen Grenzen für den Arbeitsmarkt der Fahrer? Welche Auswirkungen erwarten Sie in den kommenden Monaten?
Die Auswirkungen waren teilweise gravierend. Vor allem, als in Polen eine zweiwöchige Quarantäne für in Deutschland arbeitende Lkw-Fahrer drohte, die mit dem Pkw in ihre polnische Heimat fahren wollten, waren die Grenzstaus bis zu 60 km lang.
Hier konnten wir gemeinsam mit Unterstützung unseres Berlin/Brandenburgischen Landesverbands und eines als Sponsor auftretenden Transportunternehmens hunderte von Lunchpaketen an die viele Stunden in der Schlange stehenden Brummi-
Fahrer verteilen. Um solche schlimmen Zustände in Zukunft zu vermeiden, arbeiten wir auf EU-Ebene mit vielen Logistikverbänden
aus anderen Ländern an der Einrichtung sogenannter Green Lanes. Das sind spezielle Grenzabfertigungsspuren nur für Lkw, die sicherstellen sollen, dass deren Grenzaufenthalte so kurz wie nötig und möglich ausfallen.
Die Fahrer erhalten in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit ein Maß an Wertschätzung, das es lange nicht gab. Wie nehmen Sie das wahr? Inwieweit wird diese Welle der Sympathie nach Ihrer Einschätzung über die Krise hinaus anhalten?
Wir freuen uns für und mit unseren Fahrern über dieses tolle Feedback – auch wir wurden von Medienanfragen von Süddeutscher Zeitung bis FAZ, von HR-Info bis Deutschlandfunk, von Mittagsmagazin bis heutejournal geradezu überrollt.
Wir hoffen nicht nur, dass diese Sympathiewelle anhält. Wir versuchen auch, etwas dafür zu tun, indem wir uns mit unserem Förderverein PROFI verstärkt um die Fahrerinteressen und das Branchenimage bemühen werden.
Wie schätzen Sie die Entwicklungen in und rund um die Branche ein? Worauf wird es insbesondere ankommen, um die folgenden Herausforderungen zu bewältigen?
Wenn die Umgebungsbedingungen stimmen, weiß sich diese Branche selbst zu helfen. Wichtig sind hierfür faire Wettbewerbsbedingungen, die wir mit der entsprechenden Ausgestaltung und Verabschiedung des EU-Mobilitätspakets herbeiführen wollen, und faire Frachtpreise. Hier kann man nur an die Weitsicht der betreffenden Logistikverantwortlichen appellieren: Wer im Aufschwung nach der Corona-Krise Logistikdienstleistungen nutzen möchte, ist gut beraten, rechtzeitig dafür Sorge getragen zu haben, dass es die dafür nötigen Logistikdienstleister dann überhaupt noch gibt!