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Mehr als 70 Jahre gibt es die Eichhorn AG, in denen sie sich vom Ein-Traktor-Geschäft zum Allrounder mit 230 Mitarbeitern entwickelt hat. Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Stephan Eichhorn.
Hallo Herr Eichhorn, eine klassische Frage vorweg: Wo liegen die Anfänge Ihres Unternehmens?
Stephan Eichhorn: Die Eichhorn AG ist 1953 von meinem Großvater, Heinrich Eichhorn, gegründet worden. Das hat ganz einfach angefangen: Mein Opa hat mit Traktoren Holz hier aus der Region Vogelsberg ins Rhein-Main-Gebiet geliefert und auf dem Rückweg dann Sand mit in den Vogelsberg genommen, denn hier ist nur Basalt, es gibt keinen Sand. Das muss man sich heute vorstellen: Mit einem Traktor nach Frankfurt fahren, das sind von uns aus 70 Kilometer, das war eine Weltreise. Und bis in die 70er-Jahre blieb das alles sehr überschaubar mit nur zwei bis drei Lkw. Dann stiegen mein Onkel und mein Vater mit in die Firma ein, also die zweite Generation. Jeder hatte seinen eigenen Lkw, wie das bei einem Fuhrunternehmer immer so gängig ist, und irgendwann kam der erste angestellte Fahrer hinzu.
In den letzten Jahren sind Sie mit neuen Standorten und Geschäftsbereichen deutlich gewachsen. Wann kam denn der Zeitpunkt, wo Sie gesagt haben, jetzt wollen wir größer werden?
In den 1970ern hatten wir eine schwere Wirtschaftskrise in Deutschland, und die Auftragslage war sehr, sehr schwach. Mein Vater hat dann angefangen, den Baustoffhandel zu etablieren, das ging bis in die 90er-Jahre. Und Anfang der 2000er-Jahre haben wir dann noch Baumärkte dazubekommen. Das sind bis heute unsere drei Geschäftsfelder: das Transportunternehmen mit etwa 60 Lkw, die Baumärkte und der Baustoffhandel.
Wo sind Sie hauptsächlich unterwegs?
Die Zentrale liegt in Birstein, weitere Standorte sind Büdingen, Gedern, Glauburg, Lauterbach und zuletzt ist noch Lich dazugekommen. Wir decken so etwa 50 Kilometer um Birstein alles ab, unsere Domäne ist der Nahverkehr. Da haben wir Silo-Fahrzeuge, Kipperfahrzeuge und Kranfahrzeuge, die sind viel für unsere eigenen Kunden im Einsatz, aber wir bieten auch Transportleistung an. Wir versorgen zum Beispiel die Bauindustrie mit Zuschlagstoffen. In der Region Aschaffenburg zum Beispiel gibt es einige Beton-Mischwerke und Asphaltmischer. Unsere grünen Lkw kennen viele von den Autobahnbaustellen her, wenn die Autobahn abgefräst und neuer Teer eingebaut wird. Da sind wir sehr aktiv.
Die Eichhorn-Geschwister haben das Unternehmen in dritter Generation übernommen
Also eine stete Entwicklung seit den 70ern …
Auslöser war die Wirtschaftskrise, wo wir gesagt haben, nur Transport ist zu wenig, wenn die nächste Krise kommt. So sind wir dann als Nächstes zum Baustoffhandel und den Baumärkten gekommen. Nachdem der Boom nach der Wiedervereinigung vorüber war, haben wir gesagt, wir müssen auch das Feld Renovierung und Sanierung abdecken.
Die Eichhorn AG ist ein Familienunternehmen. Sie sind jetzt in der dritten Generation?
Ich bin sogar von zwei Seiten „vorbelastet“. Was der heutige Kern ist, das ist in der dritten Generation. Allerdings hatten meine Großeltern mütterlicherseits auch ein Transportunternehmen, dieses aber in den 90er-Jahren aufgegeben. Die Reste davon sind in die Eichhorn AG miteingeschlossen worden. Dies hat mein Urgroßvater gegründet, von der mütterlichen Seite her bin ich sogar in vierter Generation Transportunternehmer.
Wird das Unternehmen weiterhin in familiärer Hand bleiben?
Das Unternehmen gehört momentan zu 60 Prozent mir und zu 40 Prozent meiner Schwester. Wir haben jetzt gerade so die Übergabe von der letzten Generation hinter uns und sind beide Mitte 40. Also wir haben noch ein bisschen Zeit, bis wir uns darüber Gedanken machen müssen.
Sie bieten an einigen Ihrer Standorte die Möglichkeit des Drive-in, und das schon lange, bevor andere Baumärkte die Idee hatten. Wie kam es dazu?
Das ist durch die Prägung vom Baustoffhandel entstanden. Der Baustoffhandel ist sehr serviceorientiert und ein klassischer Baumarkt eher weniger serviceorientiert. Unser Konzept ist, alle unsere Geschäftsfelder miteinander zu verbinden. Also sagen wir mal, Sie kommen als Mutter mit Kind in den Baumarkt und wollen zehn Sack Blumenerde kaufen. Da könnte man von Ihnen verlangen, dass sie die zehn Säcke durch die Kasse ziehen. Bei uns dagegen können Sie in den Baumärkten direkt zu den Blumenerden-Paletten fahren und kriegen es von den Lagerleuten eingeladen. Ganz einfach, weil wir praktischerweise die Baustoff-Logistik noch haben. Das ist im Baustoffhandel völlig normal, dass der Kunde einen Lieferschein geschrieben bekommt und fährt dann mit seinem Fahrzeug ins Lager und die Leute im Lager laden dann auf. So haben wir das verbunden und an allen Standorten, wo es logistisch möglich ist, auch so umgesetzt. Die Privatkunden schätzen das sehr.
Würden Sie sagen, Sie sind auf etwas spezialisiert?
Das ist nicht unser Ziel, wir wollen Generalist sein. Sie können bei uns reinmarschieren und von der Gardinenstange bis zu 5.000 Tonnen Teer für die A66 alles bestellen. Wir kümmern uns um Ihr Anliegen. Wenn Sie als Privatkunde hier reinkommen und Sie brauchen einen Kubikmeter Sand und zehn Kantensteine, weil Sie Ihren Gartenweg anlegen wollen, oder Sie kommen hier rein als Unternehmer, sagen, ich habe hier ein Loch zu buddeln für ein Krankenhaus, ich habe 5.000 Tonnen Erdaushub wegzufahren. Wir nehmen die ganze Bandbreite an Aufträgen an und wollen, dass jeder Kunde gleich gut im Service behandelt wird.
Wenn Sie jetzt zurückblicken, welche technischen Meilensteine haben Sie mit dem Unternehmen erreichen können?
Also die Technik im Lkw-Bereich, das war ganz klar die Einführung des Mobiltelefons in den 90er-Jahren. Ich weiß noch, die ersten Mobiltelefone waren solche Kästen von Siemens, da hat ein Mobiltelefon 10.000 Euro gekostet, das hatte damals noch das C-Netz. Das hat die Kommunikation enorm erleichtert zwischen Fahrzeug und Fahrzeugdisposition. Das war wirklich ein Wendepunkt. Und im Baumarktbereich war unser Konzept von Anfang an, dass wir eine Theke für den Kunden haben, egal ob Privatkunden oder Firmenkunden, und beide gleich behandeln. Das wird bei vielen anderen Unternehmen sehr, sehr streng getrennt, hat teilweise sogar andere Öffnungszeiten. Und eine technische Revolution war die Einführung der digitalen Preisauszeichnung.
Haben Sie weitere Modernisierungen geplant?
Was wir aktuell in Planung haben, sind eine Indoor-Navigation und Selbstscannerkassen für die Baumärkte. Im Fuhrparkbereich gibt es seit einigen Jahren keine richtige Fortentwicklung. Da kommt als Nächstes wahrscheinlich die Elektro-Geschichte beim Lkw, aber das ist für den schweren Baustelleneinsatz noch nicht ausgereift. Da ist der Engpass letztendlich aber der Lkw-Fahrer. Es dreht sich praktisch alles um das Personal.
Spüren Sie das bei sich auch den Fahrer- und Fachkräftemangel?
Den spüren wir sehr, sehr deutlich. Wir sind aber in der komfortablen Lage, dass wir trotzdem aktuell relativ viele Bewerbungen haben, weil wir im Nahverkehr tätig sind. Man sieht es ja auch, wenn man selbst am Wochenende auf der Autobahn fährt, wie diese armen Lkw-Fahrer wieder auf den Rastplätzen auf der A3 campieren müssen. Und da können wir halt sagen: Unsere Fahrer sind abends immer zu Hause.
Welche Vorteile bieten Sie als Arbeitgeber Ihren Fahrern?
Die Leute, gerade wenn sie älter sind, wollen auch mal eine Familie gründen oder haben schon Ehefrau und Kinder und möchten sie nicht nur von samstagsmorgens bis sonntagsabends um 22 Uhr sehen. Da punkten wir mit dem Nahverkehr. Wir haben allerdings auch viele ältere Fahrer. Dies stellt uns dann natürlich auch vor das Problem der nachfolgenden Generation. Als damals die Rente mit 63 eingeführt wurde, hat uns das viele gute Lkw-Fahrer gekostet, weil diese häufig bereits mit 16 Jahren erwerbstätig wurden. Die hatten dann alle ihre 45 Jahre voll. Und da ist junger Nachwuchs schwierig, wirklich schwierig. Wir speisen unseren Bedarf so gut wie gar nicht durch junge Nachwuchskräfte, sondern eher von Leuten, die aus dem Fernverkehr in den Nahverkehr wechseln wollen. Aber grundsätzlich sind auch Fahrer hier bei uns Mangelware. Früher hatten wir immer zwei bis drei Lkw-Fahrer on top als Springer, etwa wenn einer krank ist, und konnten dann trotzdem den Lkw besetzen. Das ist heute einfach fast nicht mehr möglich. Wenn heute einer krank ist, steht der Lkw den Tag.
Der Fachkräftemangel ist auch über die Fahrer hinaus allgegenwärtig. Wie sieht es bei Ihnen im Büro oder auch im Laden vor Ort aus?
Wir haben das Kernproblem, dass zum Beispiel die Baumärkte samstags geöffnet sind und samstags möchte einfach keiner arbeiten. Deshalb haben wir schon vor Jahren die Öffnungszeiten reduziert. Heute öffnen wir von 7 bis 19 Uhr in der Woche und samstags von 8 bis 17 Uhr, um für unsere Mitarbeiter attraktivere Arbeitszeiten zu haben als zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel, wo samstags teilweise bis 22 Uhr gearbeitet wird. Und wir achten natürlich darauf, dass wir Mitarbeiter aus der direkten Umgebung in unseren Bauzentren akquirieren, damit sie nur eine kurze Anfahrtsstrecke haben. Darüber hinaus bieten wir den Mitarbeitern in allen unseren Unternehmenszweigen betriebliche Altersvorsorge, Zuschuss zum Fitnessstudio, Zusatzkrankenversicherung und noch mehr. Das wird vom Mitarbeiter mitgenommen, aber letztendlich mit wenig Bindungswirkung. Weil a) haben das heute viele Firmen und b) muss es grundsätzlich halt passen – wir haben einfach bei den Baumärkten das Thema mit der Samstagsarbeit, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Da haben die Mitarbeiter zwar unter der Woche frei und einige schätzen das sehr. Aber leider ist das die Minderheit. Wir führen jetzt gerade die Selbstscannerkassen ein, um einfach da die Personalbesetzung zu entspannen.
Führen Sie auch Weiterbildungen durch für Ihre Mitarbeiter?
Die kompletten Weiterbildungen im Lkw-Fahrerbereich, also die Führerscheinverlängerung und die BKF-Module, werden alle bei uns durchgeführt. Das ist ja auch sehr aufwendig geworden in den letzten Jahren. Der Beruf des Fahrers wird vom Staat systematisch mit Reglementierungen immer unattraktiver gemacht. Wir schreien alle nach Fahrern, aber die Einstiegshürde für diesen Beruf ist so hoch. Die Kosten für einen Lkw-Führerschein können viele Leute einfach nicht aufbringen.
Anderes Thema: Nachhaltigkeit ist ein Stichwort der Stunde. Was tun Sie, um auch den Stempel Nachhaltigkeit auf Ihr Unternehmen setzen zu können?
Bei den Baumärkten sind wir strommäßig bilanziell schon bei null, weil wir alle Baumärkte mit PV-Anlagen ausgestattet haben. Wir haben nur das Problem des Timings. Im Sommer haben wir zu viel Strom und im Winter haben wir zu wenig Strom. Das ist aber das Übel jedes PV-Anlagenbetreibers, das kennen alle Leute. Aber in Summe produzieren wir mehr Strom als wir verbrauchen. Im Zuge der Energiekrise haben wir außerdem unseren Verbrauch um 30 bis 40 Prozent zurückschrauben können. Alle Heizkörper sind mit elektronischen Thermostaten ausgestattet, das ist seit zwei Jahren schon Standard. Da sind wir sehr gut aufgestellt. Wir haben auch schon Elektrostapler und Elektro-Pkw, aber leider im Lkw-Bereich, speziell im schweren Baustoffeinsatz, ist noch keine Alternative verfügbar, dort läuft alles noch mit good old Diesel.
Was sind Meilensteine, die Sie zum Beispiel in Bezug auf Kundenzufriedenheit oder pünktliche Lieferung bisher erreicht haben?
Die Disposition zum Beispiel ist heute viel besser aufgestellt. Dort beschäftigen wir fünf Mitarbeiter, die mit viel Herzblut für zufriedene Kunde sorgen. Gerade wenn es mal zu Verzögerungen kommt, muss der Kunde einen Anruf und eine Information bekommen. Die Kundenorientierung generell ist bei uns sehr ausgeprägt, und daraus resultieren auch Geschäftsbeziehungen, die reichen 70 Jahre zurück. Aber gerade im Transportbereich gibt es in den letzten Jahren wenige Innovationssprünge, es ist ein sehr stetiges Geschäft. Das ist im stationären Handel schon anders mit Online-Shops und Selbstscannerkassen, elektronischen Preisschildern. Da verändern sich ganze Arbeitsprozesse. In der Transportwelt gibt es mittlerweile sehr viel Digitalisierung. Früher war alles mit viel Papier verbunden, heute ist es teilweise mit Frachtenbörsen und gescannten Dokumenten auf den Handys. Aber das ist eher eine Sache der Verlader, die ihre Prozesse digitalisieren. Im klassischen Beruf muss man immer noch einsteigen, man muss den Zündschlüssel rumdrehen, den Lkw starten und losfahren. Das ist seit 100 Jahren so.
Was denken Sie: Wie wird sich die Logistikbranche in den kommenden Jahren entwickeln?
Das Kernproblem ist, es gibt eine Menge Ideen, aber wenig Umsetzung. Und wenn es umgesetzt ist, ist es astronomisch teuer, also nicht wirtschaftlich. Wir werden aber zum Beispiel um das autonome Fahren nicht drum herumkommen, weil der Mangel an Lkw-Fahrern so enorm sein wird. Wir enden wie England, dass wir Versorgungsengpässe bekommen. Der Service, dass der Supermarkt jeden Morgen voll ist, den wird es so nicht mehr geben. Viele Gewohnheiten, die wir derzeit haben, müssen wir eventuell wieder ein Stück zurückgebaut bekommen. Das ist einfach dem modernen Arbeitsleben geschuldet und natürlich auch den wirtschaftlichen Prozessen. Wirtschaftlich heißt heutzutage auch ökologisch. Letztendlich ist beides miteinander verbunden. Wenn ich ineffiziente und damit unwirtschaftliche Prozesse habe, dann ist das meistens auch sehr energieintensiv, gerade im Transportbereich. Den Lkw voll auslasten, keine Leerkilometer und solche Dinge. Das ist zwar viel mehr wirtschaftlich getrieben, hat aber natürlich auch den ökologischen Effekt.
Die grünen Lkw der Eichhorn AG sieht man häufig auf den Autobahnbaustellen
Auch eine eigene Tankstelle findet sich auf dem Eichhorn-Betriebsgelände
Wie hält man einen Betrieb effizient?
In dem man sich in der Lkw-Branche jedes Jahr neu erfindet. Die Herausforderungen in der Transportbranche sind echt einzigartig. Also ich glaube, gleich nach der Regulierungswut des Staates bei den Banken kommt die Regulierungswut bei der Transportbranche: Digitaler Tacho, Fahrpersonalgesetz, die Einführung der Berufskraftfahrerqualifikationen, Maut-Desaster mit der Verdopplung der Lkw-Maut … In immer kürzeren Abständen stellt sich die Welt einmal auf den Kopf, und das überfordert halt auch viele Unternehmer.
Würden Sie das auch als die täglichen Herausforderungen im Geschäft beschreiben?
Wir sind in der Bauwirtschaft tätig, die ist momentan sowieso von einem wirtschaftlichen Abschwung geprägt, aber das größte Thema bleibt das Personal. Vor zwei Jahren war es die Beschaffung von Lkw mit zwei Jahren Lieferzeit, das hat sich aber durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben. Neuerdings die verminderte Auftragslage. Jetzt ist die Bauwirtschaft aktuell sehr angezählt durch diesen exorbitanten Zinsanstieg in kurzer Zeit und dadurch die praktisch zum Erliegen gekommene Neubautätigkeit. Aber grundsätzlich: Wenn man Lkw-Fahrer ist, hat man immer einen Job!
ZUR PERSON
Stephan Eichhorn, Vorstandsvorsitzender und – zusammen mit seiner Schwester – Anteilseigner der Eichhorn AG. Das Unternehmen ist in Familienhand: Der Onkel leitet das Transportsegment, die Baumärkte und die Baustoffhandlung, während Stephan Eichhorn Planung, Controlling und Finanzbuchhaltung betreut. Eichhorn beschäftigt aktuell 230 Mitarbeiter an sechs Standorten in Mittelhessen. Stephan Eichhorn: „Wir sind richtige Hessen. Daher kennen wird die Region auch sehr gut.“