Foto: SVG Hessen eG

SVG-Mitarbeiterin Madina Sayed hatte die Chance, einen Tag lang die Autobahnpolizei begleiten zu dürfen. Hier berichtet sie.

Es ist frisch heute Morgen, aber die Sonne arbeitet sich langsam durch die Wolken. Von der angrenzenden A3 dröhnt der Verkehr herüber: Auf der Rastanlage Medenbach-Ost treffe ich mich mit Polizeihauptkommissar Christian Wiepen und seinen Kollegen, um hier eine Verkehrskontrolle zu begleiten. Es ist Reisezeit, der Parkplatz ist gut frequentiert, auf ihrem Weg von oder zu den Rastanlagen beobachten uns die Fußgänger. Man kann ihre Gedanken fast sehen: „Was hat wohl die Privatperson mit Kamera damit zu tun?“

Die Autobahnpolizei hat bereits ihren Kon­trollbereich mit einigen Warnhüten und ihren Fahrzeugen abgegrenzt, nebendran haben sich das Bundesamt für Logistik und Mobilität und etwas entfernt der Zoll positioniert. Hier treffe ich auch Polizeihauptkommissar Andreas Konhäuser, Leiter der Kontrollgruppe Schwerlast, der mir die bereits laufenden Kontrollen erläutert. Bei einem Lkw mit mobilen Wohncontainern werden Höhe und Breite nachgemessen. Anschließend geht es auf eine riesige „Matte“ – die mobile Waage, die zuverlässig anzeigt, ob die zugelassene Gesamtmasse eingehalten wird.

Für mich wird es jetzt spannend: Ich steige mit Konhäuser in einen Streifenwagen. Unsere Mission: Ausschau halten nach möglichen Verstößen und Fahrzeuge auswählen, die als Nächstes kontrolliert werden sollen. Seinem routinierten Blick entgeht nicht viel: „Ich bin seit über 20 Jahren bei der Polizei“, sagt er. „Schwerlastkraftwagenkontrolle ist mein Spezialgebiet. Das hat auch damit zu tun, dass ich schon immer eine Affinität zu großen Fahrzeugen hatte. So bin ich mit 19 Jahren in diesen Beruf hineingerutscht.“

Wir haben etwas Zeit, schwimmen im Verkehr mit, nichts Auffälliges zu sehen. „Im Prinzip sind wir täglich für die Schwerlastkontrollen unterwegs“, berichtet Konhäuser. „Unser Gebiet ist die komplette A3 bis Dietz.“ Das Kernteam besteht aus acht Kollegen, allesamt spezialisiert auf dieses Gebiet. „Ab und an nehmen wir auch neue Kollegen mit und zeigen ihnen, wie das bei uns abläuft. So führen wir sie an die Materie heran.“ Um überhaupt in diesem Bereich arbeiten zu können, braucht es ein Grundstudium mit erfolgreich abgelegtem Bachelor. „Danach stehen einem natürlich mehrere Wege offen, die Polizei hat viel zu bieten, um sich in verschiedenen Bereichen zu spezialisieren.“

Dann möchte ich wissen, wie in der Regel ein Kontrolltag abläuft. „Ein typischer Tag beginnt mit einer Gruppenbesprechung und eventuell noch etwas Sachbearbeitung. Dann fahren wir raus, bereiten alles vor und starten am späten Vormittag mit den Kontrollen. Manchmal verschiebt sich das in den Abend oder die Nacht. Dann arbeiten wir mit versetzten Teams, acht bis zehn Stunden kann so eine Schicht dauern. Mitunter auch länger, wenn wir bei Kontrollen Mängel oder Verstöße festgestellt haben oder zu Verkehrsunfällen gerufen werden, bei denen Lkw beteiligt sind, um dort eine Sicherung der Daten aus dem Fahrtenschreiber vorzunehmen. Bei jeder Kontrolle prüfen wir als Erstes die Dokumente und Genehmigungen. Dann kommt die technische Prüfung: Sind die Reifen in Ordnung? Fenster und Spiegel? Wurde die Ladung vernünftig gesichert? Sind Maße und Gewicht innerhalb der erlaubten Grenzen? Dabei kann es durchaus Überraschungen geben. Es ist schon vorgekommen, dass sich durch die Überprüfung rausstellt: Der Fahrer wird per Haftbefehl gesucht!“

Wachen Auges über die Autobahn

Heute geht es ruhiger zu: Wir sind seit 20 Minuten unterwegs, ohne dass dem erfahrenen Auge von Konhäuser etwas auffällt. „In erster Linie schauen wir nach bestimmten Auffälligkeiten. Ist die Fahrzeugtechnik in einem schlechten Zustand? Funktionieren die Lichter korrekt, ist die Plane eventuell ausgedellt? Woher der Lkw kommt und wem er gehört, spielt dabei keine Rolle. Wir gehen verdachtsunabhängig vor.“

Eine zu schwere Ladung lässt sich nach seiner Aussage bei Transportern recht einfach schon während der Fahrt feststellen. Was ihn dann aber aktiv werden lässt, ist doch ein Schwerlasttransport: „Der ist auf jeden Fall breiter als die erlaubten 2,55 Meter.“ Der Streifenwagen zieht vor das Fahrzeug, auf dem Dach blinkt das „Bitte folgen“ und es geht zum Kontrollpunkt an der A3.

„Wenn der Fahrer die nötigen Papiere hat, ist auch eine Überbreite erlaubt“, so Konhäuser. Er lässt sich alle Dokumente vom Fahrer zeigen – alles in Ordnung. Währenddessen kontrollieren die Kollegen das Fahrzeug hinsichtlich der technischen Aspekte. Sind die Bremsen in Ordnung? Sind alle Spiegel und Fenster in Ordnung?Profiltiefe und Abnutzungsgrad der Reifen? „Gerade bei Bau- und Kippfahrzeugen kann es vorkommen, dass Steine in der Zwillingsbereifung hängen. Wenn die dann während der Fahrt rausgeschleudert werden, kann das brandgefährlich sein.“ Was auch immer mal wieder vorkommt: dass Reifen so runtergefahren sind, dass es erst nach einem Reifenwechsel weitergehen darf. „Dann müssen wir das Fahrzeug solange festsetzen.“

Bei diesem Lkw gibt es allerdings keine Auffälligkeiten, lediglich ein Holzklotz ist besser zu sichern. Weiterfahrt!


Sicherheitsabstand und Sicherheitsgurt können Leben retten

Gefahr im Verzug

Ich nutze die Gelegenheit und „inspiziere“ die Werkzeuge an Bord der Polizeifahrzeuge: Dort finden sich Rollbretter, sodass auch der Blick unter den Lkw möglich wird. Bei Bedarf sofort zur Hand ist auch eine Leiter für die Höhenkontrolle. Und zusätzlich im Winter für die Überprüfung, ob sich Eisplatten auf den Planen befinden. Hinzu kommt einiges Kleinwerkzeug. „Das brauchen wir mitunter, zum Beispiel wenn es darum geht, Manipulationen am Fahrtenschreiber festzustellen“, sagt Konhäuser. Auch ein Kasten mit massiven Ketten findet sich – der wird später am Tag noch eine Rolle spielen. 

Heute ist einer der ruhigeren Tage, wir machen uns auf den Weg für eine weitere Runde im Streifenwagen. Da informiert uns ein Fahrer: „Auf der Autobahn ist ein Lkw mit herunterhängendem Ersatzreifen, der wird sicher bald brennen.“ Plötzlich ist Eile angesagt, wir sind wieder unterwegs.

Bis wir den Lkw eingeholt haben, dauert es eine Weile, Konhäuser berichtet weiter: „Wir kontrollieren querbeet alle Sparten, Großraumschwertransporte, Baustellenfahrzeuge, Tiertransporte genauso wie die standardmäßigen Planen-Auflieger. Wir wollen das komplette Spektrum des gewerblichen Güterverkehrs abdecken. Da geht es auch nicht um Nationalitäten. Ohnehin stellen wir da kaum Unterschiede fest.“

Und wie reagieren die Fahrer auf den unerwarteten Aufschub, wenn ihr Fahrzeug kontrolliert wird? „Im Allgemeinen ist der Umgang sehr angenehm. Für die Fahrer ist das einfach Teil des Jobs. Teils sind die Fahrer uns gegenüber auch sehr offen und schütten uns ihr Herz über Probleme zu Hause aus. Ein großes Thema ist der Parkplatzmangel. Bei den Gesprächen merken wir, dass die Fahrer teils unter starkem Druck stehen, wenn es um das Erreichen des Zielorts geht. Insgesamt gibt es zwischen uns und den Fahrern kaum Konfliktpotenzial. Das sieht bei Pkw-Kontrollen eher anders aus. Vor allem zum Feierabend oder in der Innenstadt kommt da schon mal eine ganz andere Emotionalität auf.“

Miteinander und nicht Gegeneinander
Viel Wert legt die Autobahnpolizei auf einen respektvollen Umgang mit den Fahrern. Fast immer bleibt der Umgangston auf beiden Seiten freundlich. Dass Kontrollen vorzugsweise an für den Fahrer günstigen Orten durchgeführt werden, ist selbstverständlich. Damit zum Beispiel ein fehlender Spanngurt gleich vor Ort gekauft und die Fahrt nahezu unterbrechungsfrei fortgesetzt werden kann.

In der Zwischenzeit haben wir den gesuchten Lkw ausfindig gemacht. Der Streifenwagen zieht in die Mitte und signalisiert nach hinten „Achtung“. Der Fahrer bemerkt uns, und wir scheren an einem breiteren Seitenstreifen raus – von der kaputten Reifenhalterung hatte er nichts bemerkt. Weil der Mangel nicht von ihm selbst repariert werden kann, bleibt das Fahrzeug stehen, bis die Spedition Hilfe organisiert hat. Unschön für den Fahrer, aber unvermeidlich. „Hier ging es nicht anders, aber in der Regel suchen wir Kontrollorte aus, die auch günstig für den Fahrer sind. Fehlt nur ein Spanngurt, kann der dann direkt an der Tankstelle nachgekauft werden. Oder wenn wir die Weiterfahrt untersagen müssen, ist es natürlich vorteilhaft, wenn Sanitäranlagen und Lebensmittel erreichbar sind.“

Ein überladener Transporter. Weil keine kurzfristige Lösung möglich ist, kommt das Fahrzeug an die Kette. Am nächsten Morgen soll der Kollege mit einem zusätzlichen Fahrzeug eintreffen, Foto: SVG Hessen eG

Für uns geht es weiter auf der Autobahn auf der Suche nach weiteren Auffälligkeiten. Konhäuser berichtet derweil, dass vieles noch reibungsloser laufen würde, wenn die Fahrer noch besser mit den notwendigen Dokumenten ausgestattet wären. Dann ist die Kontrolle auch zügiger durchgeführt. Ein großes Problem während der Fahrt sei das Nichteinhalten der Sicherheitsabstände. „Wenn der Fahrer dann noch ein bisschen unachtsam ist, kann es zu bösen Situationen kommen. Etwa, wenn er in ein Stauende hineinfährt. Das kann auch tödliche Folgen haben. Ich habe auch schon einen Unfall erlebt, bei dem der Fahrer nicht angeschnallt war und in die Scheibe geschleudert wurde. Sicherheitsabstand und Sicherheitsgurt können Leben retten!“

Fotos: SVG Hessen eG

Grund zum Schmunzeln gibt es mitunter auch – zumindest im Nachgang. „Bei einem nächtlichen Einsatz haben wir einen stehenden Pkw mitten auf der Autobahn entdeckt. Es steckte kein Schlüssel, wir mussten annehmen, dass der Fahrer sich entfernt hat. Stundenlang haben wird die Umgebung abgesucht. Es hätte ja sein können, dass er medizinische Hilfe braucht. Am Ende hat sich rausgestellt: Der Pkw war ganz einfach von einem Autotransporter verloren worden. Stichwort: mangelnde Ladungssicherung!“

Während wir plaudern sticht ihm ein Transporter ins Auge, wir ziehen ihn aus dem Verkehr. „Ich bin mir sehr sicher, dass das Fahrzeug überladen ist.“ Wie immer werden die Papiere kontrolliert, und dann kommt die mobile Waage zum Einsatz. Der Sprinter fährt auf die „Matte“ und Konhäuser kann ablesen: „500 Kilogramm drüber.“ Damit ist klar, dass es keine Weiterfahrt gibt, bis das Gewicht stimmt. Es wird viel telefoniert, dann stellt sich raus: Die Spedition schickt ein weiteres Fahrzeug, das wird aber erst morgen eintreffen. Die Folge: Der Sprinter wird bis dahin durch Sicherungsketten an einer Bank festgemacht.

Direkt danach kommt eine Meldung herein: Es gab einen Verkehrsunfall. Jetzt wird die Autobahnpolizei gebraucht, um den Fahrtenschreiber auszuwerten. Für mich ist der Tag allerdings zu Ende, ich bedanke mich herzlich für einen spannenden Tag!

Fotos: SVG Hessen eG

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