Tobias Nolte, Leiter der Kunden-Filialdirektion der SVG, Foto: Christof Haake
Herr Nolte, wo erreiche ich Sie gerade?
Auf der AMÖ-Fachmesse „moelo“ in Essen, auf der wir als KRAVAG mit einem Stand vertreten sind. Wir sind unter anderem Versicherer der Möbellogistikbranche und Kooperationspartner der AMÖ (Bundesverband Möbelspedition und Logistik; d. Red.).
Vor Kurzem haben Sie eine neue Stelle angetreten?
Genau, am 1. August habe ich die Leitung der Kunden-Filialdirektion SVG mit rund 20 Mitarbeitern übernommen. In meine Verantwortung fällt die externe Steuerung und Unterstützung der SVG-Assekuranzen in Deutschland. Das heißt, dass ich zum Beispiel Sprachrohr und vermittelnde Instanz zwischen dem Risikoträger KRAVAG/R+V und den Assekuranzen bin. In meiner Abteilung ist außerdem das Kompetenzzentrum Verkehr & Logistik um Anja Ludwig aufgehängt, und ich bin im Austausch mit Verbänden engagiert. Eben zum Beispiel die AMÖ oder den BGL, um mal zwei große Player zu nennen.
Gibt es da gerade ein heißes Eisen, das Sie beschäftigt?
Allerdings beschäftigt die Branche aktuell besonders das EuGH-Urteil zum Thema der Gruppenversicherungen. Ein Spediteur, der zum Beispiel beim Möbeltransport eine Versicherung mitverkauft, könnte jetzt angehalten sein, einen Sachkundenachweis vorzuhalten. Also einen Mitarbeiter zu beschäftigen, der Sachkundenachweisträger für Versicherungsvermittlung ist, andernfalls könnte sich der Spediteur strafbar machen. Das ganze Thema hängt momentan noch in der Schwebe, wir arbeiten hier aber – gemeinsam mit den Kollegen vom Konzernrecht und dem Fachbereich – intensiv an einer möglichst pragmatischen Lösung.
Zur Person
Tobias Nolte, Jahrgang 1981, ist in Celle geboren. Nach seiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann war er in mehreren Konzernen in unterschiedlichen Positionen tätig, bevor er für einige Jahre in die Selbstständigkeit ging. Seit 2020 ist Nolte in der KRAVAG tätig, 2023 übernahm er die Kunden-Filialdirektion der SVG.
Da geht Ihr Einstieg ja gleich „in die Vollen“. Wie haben Sie die ersten Wochen wahrgenommen?
Man muss schon sagen, dass wir aktuell sehr herausfordernde Zeiten erleben und ein anspruchsvolles Marktumfeld vorfinden. Allerdings war ich schon bisher bei der KRAVAG für die SVGen tätig – zuletzt als Vertriebskoordinator und davor als Leiter des Kompositgeschäfts. Insofern war für mich der größte Schritt definitiv mehr der, auf die Entscheiderebene zu gehen. Der Punkt ist halt, dass die Branche derzeit sinkende Frachtraten feststellt. Dann gibt es noch die Problematik mit der Maut, die ja zu 2024 um über 80 Prozent steigt, was erst einmal von den Unternehmern zu schultern ist. Das macht das Geschäft nicht leichter. Und auch auf uns Versicherer kommen immer höhere Kosten zu, da die durchschnittlichen Schadenkosten erheblich gestiegen sind. Zum Beispiel, weil Ersatzteilkosten in den vergangenen 18 Monaten um gut zehn Prozent gestiegen sind. Höhere Kosten beim Unternehmer, höhere Kosten bei uns, das ist nicht leicht in marktgerechte Versicherungstarife umzusetzen.
Eine ganz andere spannende Sache ist, dass ich jetzt in den konzernpolitischen Gremien vertreten bin. Somit ist auch die Tragweite einiger Entscheidungen heute eine ganz andere als zuvor. Und persönlich ist es jetzt halt so, dass ich nicht länger Kollege, sondern Führungskraft bin. Das erlebe ich schon als eine Herausforderung und Umstellung.
Gehen wir mal ganz zurück an den Anfang Ihrer Laufbahn?
Gern, ich habe angefangen in einem Kino als Assistent der Theaterleitung und Filmprojektionist. Bin dann aber umgeschwenkt und habe eine Lehre als Versicherungskaufmann abgeschlossen. In dem Beruf habe ich dann die folgenden Jahre in verschiedenen Konzernen gearbeitet, insgesamt sechs und immer in unterschiedlichen Positionen. So habe ich die ganze Branche kennengelernt. Einen Umbruch gab es 2014, da habe ich mich selbstständig gemacht. Als Versicherungsmakler, Unternehmensberater und Immobilienmakler.
Die Firma haben Sie dann 2018 aber verkauft?
Das war der Zeitpunkt, wo ich in die USA, nach New York ausgewandert bin. Dort war ich wieder selbstständig als Unternehmensberater, aber auch als Bauunternehmer. Die Baufirma gibt es sogar technisch gesehen noch, die German Guy LLC. Den Ursprung hatte das Ganze in Spanien, da habe ich nämlich meine Frau kennengelernt, und irgendwann kam die Entscheidung Geld oder Liebe – und ich habe die Liebe gewählt. Meine Firma konnte ich an einen anderen Makler verkaufen, und so bin ich in New York gelandet.
Eine Baufirma? Wo steckte die Motivation dahinter?
Zum einen habe ich davor schon Baufirmen versichert, zum anderen bin ich handwerklich sehr interessiert. Von begabt würde ich nicht sprechen, aber es macht mir Spaß und YouTube ermöglicht heute so einiges. Ich wollte mir die Theorie bestätigen, dass ein Handwerker zu 50 Prozent handwerklich und zu 50 Prozent kaufmännisch gut sein muss. Wir haben viel mit Subunternehmern gemacht, und so betrachtet, hat sich meine These bestätigt.
Und trotzdem ging es beruflich noch weiter.
In der Corona-Zeit bin ich zurück nach Deutschland und habe bei der KRAVAG eine neue Heimat gefunden. Drei Jahre bin ich jetzt schon wieder dabei und innerhalb der drei Jahre ist das jetzt meine dritte Stelle im Konzern.
Gab es eine Phase in Ihrem Berufsleben, die Sie besonders geprägt hat?
Ich denke, das waren zwei Phasen. Erstens die Selbstständigkeit, weil ich da wirklich von null auf der grünen Wiese angefangen habe. Und dann die Firmengründung im Ausland. Das, weil einfach alle bisher logischen Sachen, die ich kannte, außer Kraft gesetzt waren. Ich konnte nicht mal eine einfache Kreditkarte beantragen oder ein Konto eröffnen, weil es einem in den USA anfangs extrem schwer gemacht wird, Fuß zu fassen. Das war ein sehr zäher Einbürgerungs- und Gründungsprozess, bei dem ich wieder komplett neu starten musste. Andere Sozialsysteme, andere Beantragungssysteme, anderes Rechtssystem … Alles sehr komplex.
Und was hat Ihnen da durchgeholfen?
Das ging nur mit Flexibilität. Weil ich vorher schon mit so vielen unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert war, habe ich eine gewisse Wandlungsfähigkeit erlernt, die mir am Ende oft geholfen hat. In der Art einer Mischung aus Unternehmerwissen und gesundem Bauchgefühl. Das hat mir in den USA anfangs nicht viel geholfen, aber weil ich wusste, was ich kann, hatte ich stets Vertrauen in das, was ich dort tat. Mein Selbstvertrauen wurde dort tüchtig auf die Probe gestellt. Das war eine steile Lernkurve für mich, bis ich die neuen „Naturgesetze“ dort verstanden hatte. Mein Statement: Der Amerikanische Traum ist auch zu 50 Prozent Albtraum.
Zurück ins Heute, welche dringenden Themen liegen gerade auf Ihrem Tisch?
Ganz klar das EuGH-Urteil, aber mittelfristig auch die Herausforderung „E-Mobilität“. Da sind wir schon sehr stark mit den SVGen im Austausch, um ein Konzept für die Kunden zu entwickeln, die in dem Bereich loslegen wollen. Konzept deshalb, weil man einzelne Aspekte nicht mit dem normalen Verkehr vergleichen kann. Nehmen wir das Thema Brandrisiko. Beispielsweise ist der aktuelle Erkenntnisstand, dass der Brand an Bord des Autofrachters „Fremantle Highway“ nichts mit den an Bord befindlichen E-Pkw zu tun hatte. Eher ist der verursachende Brandherd am Schiff selbst entstanden. Nahezu reflexartig wurde der Fall von den Medien sehr schnell auf die elektrifizierten Pkw an Board geschoben. Trotzdem nehmen wir das Thema ernst und müssen schauen, wie wir es in der Branche und mit dem Risikoträger moderieren. Lithium-
Ionen-Batterien stehen nun mal im Ruf, ein gewisses Gefahrenpotenzial zu haben. Anderes Beispiel: Ein Diesel-Lkw lässt sich betanken, auch wenn die eigene Hoftankstelle mal ausfällt. Man fährt zur Tankstelle oder arbeitet mit Kanistern, das geht. Aber wenn ein Verteiler-Lkw mit E-Antrieb abends mit leerer Batterie den Hof erreicht und die Ladesäule fällt schadenbedingt aus, dann gibt es ein Problem. Das heißt, wir als Versicherung müssen in ganz anderen Lösungsansätzen denken als üblich.
Dann sind Sie dazu sicher auch im Austausch mit den Unternehmen?
Über die SVGen und unser Kompetenz-Center um Anja Ludiwg sind wir im Kontakt mit verschiedenen Kunden und Unternehmern. Das ist für uns wie ein Puls-Check an der Basis. Wir wollen ja ein Produkt mit möglichst hohem Nutzen kreieren. Das geht nur, wenn wir unsere Kunden und ihre Bedürfnisse möglichst gut kennen und verstehen.
Was motiviert Sie jeden Tag?
Die Möglichkeit mich mit einzubringen, an Lösungen mitzuarbeiten für die Kunden, die auf uns vertrauen. Damals als Versicherungsmakler standen Kunde und sinnvolle Lösung immer im Mittelpunkt unseres Handelns. Also eine faire Beratung durchzuführen, statt nur aufs Geld zu schauen. Wenn manche Leute sagen „Hey, vielen Dank, gut gelaufen“ oder „Das war ein guter Rat“, das ist das, was mich motiviert.
Und was sagen die Kollegen, wenn man sie auf Tobias Nolte anspricht?
Bunter Hund oder Tausendsassa.
Haben Sie ein Rezept zum Runterkommen nach stressigen Tagen?
Wenn’s mal ganz stressig war, dann versuche ich am Abend zu meditieren. Dann muss es aber schon ganz schlimm sein (lacht). Ansonsten verbringe ich freie Zeit liebend gern auf dem Golfplatz. Das ist für mich eine sehr schöne Sportart zum Abschalten. Manche nennen es „Wandern mit Sozialprestige“. Für mich ist es der Kampf gegen mich selbst. Golf lehrt Demut und Ausgeglichenheit.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: „Das Leben ist zu kurz, um …“
Ich würde gern etwas anderes zum Leben sagen und zwar: Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Vieles ergibt in der Retrospektive anders Sinn als in dem Moment, in dem es geschieht. Wenn ich gefragt werde, was würdest du heute anders machen, dann ist die Antwort: Ich bin zufrieden mit dem, was und wie ich’s tue. Denn sonst würde ich es ja nicht tun. Ich habe mein Leben in der Gegenwart in der Hand, also muss ich mich nicht in der Vergangenheit aufhalten.
Staffelstab angenommen: Tobias Nolte bei seiner Antrittsrede während der KRAVAG Vertriebstagung im Juli dieses Jahres, Foto: Christof Haake