Credit: Privat

Fremdsprachenassistentin wollte Victoria Herzig werden. Ihre Leidenschaft zu Reisen mit dem Job verbinden. Ferne Länder und
fremde Kulturen kennenlernen. Statt Mexiko-City nun also Eichenzell. Denn es kam alles anders: Bevor es Herzig damals in die Ferne lockte, hospitierte sie nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin noch im elterlichen Betrieb. Schnell stellte sie fest, wie vielfältig die Aufgaben in der Transport- und Logistikbranche sind. Und so entschied sich Herzig mit 21 Jahren für die Mitarbeit im Familienunternehmen, der Oscar Herzig GmbH. Wie ihr Vater auf diese Entscheidung reagierte und wie die interne Nachfolge vorbereitet wurde, hat Herzig uns in einem Telefonat berichtet.

Dass mein Vater mich und meine Schwester nie gedrängt hat, den Betrieb zu übernehmen, finde ich richtig toll,“ zeigt sich Victoria Herzig dankbar. „Uns wurde immer gesagt, dass wir das machen sollen, was wir möchten und dass unsere Eltern uns dabei unterstützen würden.“ Während ihre ältere Schwester als Grundschullehrerin tätig ist, steht Herzig mittlerweile an der Spitze des Unternehmens. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Andre Ditzel führt die 36-jährige den Familienbetrieb fort. Die
Entscheidung war damals auch für ihren Vater, Claus-O. Herzig überraschend, hatte sie doch andere berufliche Pläne. Herzig erinnert sich:

Mein Vater war total begeistert und hat sich sehr gefreut.
Gemeinsam wurde viel über die potenzielle Übernahme gesprochen sowie Wünsche, Vorstellungen und Ziele skizziert.
Der Vater gab der Tochter die Möglichkeit, unter dieser Prämisse nochmals in den Betrieb reinzuschnuppern.
Auch ein ‚Es ist doch nicht das, was ich mir vorstelle.‘ sei in Ordnung gewesen. Diese Haltung ihres Vaters habe sie durchaus bestärkt. „Meine Entscheidung, ob ich den Familienbetrieb fortführen möchte, durfte ich ganz ohne Zwang und Druck fällen. Für meinen Vater bestand stets die Option, das Unternehmen zu verkaufen, damit es von jemand anderem weitergeführt wird. Zu wissen, dass es einen Plan B gibt, hat mir viel Sicherheit gegeben“, so die Unternehmerin.

In dieser Zeit verbrachte Herzig nicht nur ein Jahr in Italien, um dort die Sprache zu lernen, auf der sie zukünftig Verhandlungen
führen wollte, sondern sie absolvierte auch ein duales Studium, welches sie als Diplom-Logistikerin abschloss. Nach und nach wurden und werden der Osthessin Anteile am Unternehmen übertragen.
Mit 29 Jahren wurde sie dann auch formal zur Geschäftsführerin ernannt und führt den Familienbetrieb damit bereits in der vierten
Generation. Aus eigener Erfahrung kann Herzig nur dazu raten, rechtzeitig mit der Übertragung zu starten. Denn bei einer Nachfolge darf die steuerliche Seite nicht vernachlässigt werden.
Nur alle zehn Jahre können Anteile steuerfrei übertragen werden“, klärt Herzig auf. „Die Freibeträge sind durch Immobilien und den Fuhrpark in aller Regel schnell erreicht.“ Wem eine frühe Übertragung zu unsicher sei, könne Klauseln in Verträge setzen lassen, die im Notfall greifen. Deshalb sei es auch so wichtig, dass eine Unternehmensnachfolge von Experten begleitet wird, befindet die Geschäftsführerin.

Ein Unternehmensberater hat bei der Spedition Herzig beispielsweise die Strukturen geprüft, es wurde ein Verkehrsgutachten erstellt und der Unternehmenswert geschätzt. Ebenfalls waren ein Steuerberater und ein Notar in den Prozess involviert. „Diesbezüglich sollten Betriebe keinen Alleingang wagen!“ warnt Herzig. „Wenn das hinten runterfällt, kann eine saftige Steuerzahlung fällig werden.“ Dass Herzigs Lebensgefährte Andre Ditzel seit Mitte 2018 den Familienbetrieb komplettiert,
hat vor allem ganz persönliche Gründe: „Vor rund zweieinhalb Jahren haben wir uns zusammengesetzt und durchgesprochen,
wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Da wir uns beide Kinder wünschen, mussten wir eine Lösung finden, wie wir alles unter
einen Hut bekommen. In einem Familienbetrieb zusätzlich einen externen Geschäftsführer einzusetzen, ist immer schwierig.
“ Und so kam es, dass sich Ditzel, der einen Bachelor of Arts im Studiengang Internationale Betriebswirtschaftslehre hat, ab Mitte 2018 auf das Projekt ‚Familienbetrieb‘ einließ.

Mein Vater hatte mir damals viele Freiräume gelassen und das tat er bei Andre erneut“, erzählt Herzig und fügt lachend hinzu: „Mein Vater hat bei meinem Einstieg viel über sich ergehen lassen: Neues Logo, neues Briefpapier, neue Visitenkarten. Es war mir wichtig, dass mein Partner ebenfalls seine eigenen Ideen einbringen und auch umsetzen kann.“ Ditzel gefiel der neue Aufgabenbereich so gut, dass er seinen bisherigen Job, in dem er auch Aufstiegschancen gehabt hätte, gegen die Position des Vertriebsleiters in dem Familienbetrieb eintauschte.

Ich bin glücklich, meinen Lebenspartner an meiner Seite zu haben. Viele Kunden und
Lieferanten legen viel Wert darauf, den Geschäftsführer zu treffen. Nun können wir uns dieser Anforderung stellen.

Herzig

Im Dezember 2020 wurde der Kinderwunsch des Unternehmerpaars dann wahr. Für mehr Familienzeit sorgt Claus-O. Herzig. Zwar hatte sich der Senior aufgrund der Pandemie und seines Alters nach und nach ins Homeoffice zurückgezogen, doch den Samstagsdienst übernimmt er gern für die jungen Eltern. „Einige unserer Fahrer kommen samstags aus Italien zurück. Mein Vater empfängt die Mitarbeiter dann zwischen 8 und 12 Uhr bei uns im Betrieb,“ berichtet Herzig erleichtert und fährt fort: „Es ist schön, wenn man sich aufeinander verlassen kann. Auch bei Geschäftsfällen, die uns noch unbekannt sind, kann er uns mit seiner Erfahrung behilflich sein.

Eine Unternehmensnachfolge betrifft neben der Geschäftsführung auch stets die Mitarbeiter.
Herzig hat mehr positive als negative Reaktionen dazu erhalten, ihren Vater abzulösen. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
kannten sie bereits von klein auf. Als Jugendliche habe sie in den Ferien in der Firma gejobbt. „Ablage sortieren, Papiere
schreddern, … was eben so anfällt
“, erinnert sich Herzig gern zurück. „Daher waren viele erleichtert, als sie wussten, dass das Unternehmen in Familienhand bleibt. Doch natürlich gab es auch Gegenwind und die Unterstellung, ich würde mich ins gemachte Nest setzen. Doch ich habe mich deswegen nie beirren lassen und immer das Gespräch gesucht. Dennoch mussten wir uns von einigen Mitarbeitern trennen, bei denen der Widerstand zu groß war. Dabei ist eine Unternehmensnachfolge doch ein ganz logischer Vorgang, der früher oder später ansteht.

Als Vorstandsmitglied im Fachverband Güterkraftverkehr und Logistik Hessen e. V. und als Vorsitzende im Arbeitskreis der Junioren des Fachverbandes hat Herzig schon oft erlebt, dass nicht jede Unternehmensnachfolge so erfolgreich wie ihre eigene verläuft. Sie hat zu diesem komplexen Thema bereits Seminare für Jungunternehmer organisiert, um andere Betriebe für diesen Prozess zu sensibilisieren. „Leider verlaufen Unternehmensnachfolgen oftmals nicht so rund. Ich kenne aus der Verbandsarbeit sowohl einen Mann als auch eine Frau, bei denen die Nachfolge auf der Kippe steht. Beide stehen sehr unter Kontrolle und es ist viel Misstrauen da“, weiß Herzig zu berichten.

Für die Vorgänger sei es gewiss schwierig, komplett loszulassen, doch ein Senior müsse auch er- und anerkennen, wenn
sich der Junior bemüht, fleißig und engagiert ist. „Einfach mal machen lassen und nur im Hintergrund stehen, um zu unterstützen, wenn es Not tut – nicht, um zu kontrollieren. Das ist ein bisschen wie bei der Kindererziehung. Man muss Vertrauen in den Menschen haben. Nur so hat dieser die Chance, sich zu entwickeln und sein Potenzial abzurufen!“ appelliert Herzig. Ihr habe das bedingungslose Vertrauen ihres Vaters geholfen, sich in die neue Verantwortung einzufinden. Zudem sei es gegenüber langjährigen Geschäftspartnern nur fair, einen Nachfolger vorzustellen und die Betreuung schrittweise abzugeben. „Ich konnte meinen Vater in der Anfangsphase bei sämtlichen wichtigen Gesprächen mit Partnern, Kunden und Lieferanten begleiten“, so Herzig dankbar über ihren Vater.

Der wiederum sei noch ganz anders groß geworden. „Mein Opa (Anm. d. Red.: Heinrich Herzig) hat vorausgesetzt, dass sein einziger Sohn den Familienbetrieb eines Tages übernimmt. Großvater war mit über achtzig Jahren noch im Betrieb
und wollte nichts aus der Hand geben
“, erzählt Herzig. „Aber das waren damals auch noch andere Zeiten.

Und die Zukunft? Mit dem wenige Monate alten Sohn steht immerhin die fünfte Generation ‚in den Startlöchern‘.
Ach, wer weiß, was bis dahin ist“, lacht Herzig. „In der Branche gibt es für Mittelständler wirkliche Probleme: Preiskampf,
Fahrermangel, Konkurrenz durch Konzerne, … Ich bin froh, dass wir so breit aufgestellt sind und mein Vater schon vor langer Zeit weitere Geschäftsfelder aufgetan hat. Wir besitzen auch ein Lager für Hygieneartikel.

Doch, wenn es dann einmal so weit ist, würde Herzig natürlich auch ganz ohne Druck vorgehen, denn: „Eine Übernahme und der damit einhergehende Schritt in die Selbstständigkeit, will gut überlegt sein. Selbst und ständig – denn die Existenz hängt vom Gelingen ab. Und es gibt nie einen richtigen Feierabend. Wenn ein Betrieb übernommen wird, um den Eltern einen Gefallen zu tun, dann ist dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Leidenschaft und den Willen, das Unternehmen fortzuführen, sind ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge!

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