Doppelspitze: Seit 2015 leiten Christine Hemmel und Kerstin Seibert die Spedition Schanz. Fotos: Spedition Schanz

Noch immer sind Frauen in der Transportbranche unterrepräsentiert, gerade in leitenden Positionen. Ganz anders bei Schanz: Den Betrieb aus der Nähe von Darmstadt leiten gleich zwei Frauen. Mit vielen klugen Ideen – und anhaltendem Erfolg

Da, sagt Christine Hemmel im Meetingraum mit der großen Fensterfront, zu Beginn sei es nicht immer einfach gewesen. „Wenn wir Kunden besucht haben, ist schon mal gefragt worden, wann denn der neue Geschäftsführer kommt.“ Oft seien auch langfristige Pläne verlangt worden, sagt Kerstin Seibert. „Falls wir mal ausfallen. Dabei sind wir doch schon zu zweit.“ Das sind sie sehr wohl, schon seit Jahrzehnten: Christine Hemmel und Kerstin Seibert sind Schwestern. Geborene Schanz. Und mittlerweile vollauf angekommen in der Branche als Geschäftsführerinnen der Spedition Schanz aus Ober-Ramstadt bei Darmstadt.
Der Familienbetrieb hat ein rund 70 Personen starkes Team, davon etwa 50 Fahrer. Er hat eine Flotte mit 35 Fahrzeugen, davon 17 Gliederzüge und 12 Sattelzugmaschinen, sowie einen weiteren Standort in Nürnberg. Und seit acht Jahren hat er eben zwei Chefinnen. Bei Kerstin Seibert war eine Karriere in der Logistik mehr oder weniger vorgezeichnet. „Ich habe eine Ausbildung zur Speditionskauffrau in einem internationalen Betrieb in Aschaffenburg gemacht.“ Nach einem Jahr in einem Vertriebsunternehmen folgte ein BWL-Studium in Bremen mit Schwerpunkt Logistik und Verkehrswirtschaft. „Dann bin ich hierhergekommen – klassischer Werdegang für eine Nachfolgerin.“
Dagegen sammelt Christine Hemmel erst mal für einige Jahre Erfahrungen in einer anderen Branche: bei einer Lufthansa-Tochter, im Controlling. „Lange sind wir davon ausgegangen, dass Kerstin den Betrieb im Sinne unseres Vaters weiterführt“, erzählt sie. Erst nach und nach habe sie sich mit dem Gedanken angefreundet, doch einzusteigen. Als man sich dann zu Gesprächen zusammensetzte, weil der Vater die Übergabe geklärt wissen wolle, wurde daraus Gewissheit: Führungsgeneration Nummer vier des Betriebs mit fast 100-jähriger Historie, dafür stehen die Schwestern gemeinsam! Bereits im Jahr nach dem Wechsel managten die beiden, zusätzlich zum laufenden Business, den Umbau und die Erweiterung des Firmensitzes.

Daumen hoch für Schanz: Die Spedition hat rund 50 Fahrer und eine Flotte von 35 Fahrzeugen

Klare Aufgabenteilung

Die Aufgaben haben die Chefinnen klar verteilt. Kerstin Seibert leitet das tägliche Transport- und Logistikgeschäft, Christine Hemmel ist für Buchhaltung, Finanzierung und Projekte verantwortlich. Lediglich das Personalmanagement erledigen sie gemeinsam. Zunächst hatten sie noch einen Geschäftsführer zur Seite. „Er war 40 Jahre im Unternehmen, hat stark im Tagesgeschäft mitgewirkt und war mit vielen Kunden im Kontakt,“ erzählt Christine Hemmel. Seit inzwischen drei Jahren ist er in Rente, und die Schwestern stehen komplett auf eigenen Beinen. „Wir hatten überlegt, einen neuen Geschäftsführer einzustellen. Aber dann kam Corona, und man war nicht unbedingt auf Mitarbeitersuche. Und da haben wir realisiert, dass wir es auch alleine schaffen.“

Ausgerechnet während der Pandemie nochmal ein ganz neues Kapitel aufschlagen, das war sicher hart? „Natürlich haben wir die Corona-Jahre gespürt, aber sicher nicht so sehr wie etliche andere Transportbetriebe“, sagt Kerstin Seibert. Grund dafür: Wichtige Kunden der Spedition Schanz stammen aus der Baubranche, sie produzieren und vertreiben Farben und Lacke oder auch Dämmstoffe. „Das heißt, wir beliefern zu einem beträchtlichen Teil Baumärkte, und die hatten ja fast durchgängig geöffnet.“ Außerdem seien die Straßen leer gewesen. „Manch ein Fahrer trauert heute diesen Zeiten hinterher, als es mehr oder weniger freie Fahrt gab.“

4 Generationen,96 Jahre 

1927 beginnt Adam Schanz sein Fuhrgeschäft mit einem Lastwagen und transportiert vor allem Baumaterialien. Einige Jahre später sind es schon fünf Lkws. Nach dem Zweiten Weltkrieg wagt er den Neustart – wieder mit nur einem Lkw. 1960 übernimmt Generation zwei in Person von Adam Schanz, dem Jüngeren,  und setzt stärker auf Planenfahrzeuge für den Fernverkehr. Ab 1978 treibt Hans Adam Schanz den Betrieb stark voran: Aufkäufe kleinerer Unternehmen, schrittweiser Ausbau des Firmengeländes, Vergrößerung der Flotte und Kauf von Spezialequipment wie Kränen sind nur einige Meilensteine. Seit 2015 führen Hans Adam Schanz‘ Töchter den Betrieb.   

Das fahrende Personal transportiert deutschlandweit Sammelgut wie auch Teilladungen und ist nicht zuletzt geschult im Umgang mit gefährlichen Gütern. Einige Fahrer sind fest bei einem Kunden in der Werkslogistik im Einsatz. Die Spedition Schanz verfügt aber auch über eigene Logistikflächen. In einem mittlerweile mehr als 1000 Quadratmeter großen Lager kümmern sich etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehreren Schichten ums Umschlagen von Ware. Zugeschnitten ist das Lager vorrangig auf die Bedürfnisse eines Großkunden, für den das Unternehmen auch die Rohstoffannahme regelt.

Dinge vorantreiben

So sehr Schanz fürs klassische Transport- und Logistikgewerbe steht und dabei nicht zuletzt für Werte wie Verlässlichkeit und Pünktlichkeit, so wichtig ist es den Chefinnen zugleich, Dinge in der Branche voranzutreiben. „Seit dem vorigen Sommer arbeiten wir mit einem Start-up zusammen, das elektrisch angetriebene Lkw einsetzt“, sagt Christine Hemmel. Aktuell haben die Schwestern im Rahmen der Kooperation in Nürnberg zwei E-Trucks im Einsatz. Außerdem zählt ein Lkw mit Oberleitungs-Aufbau zum Fuhrpark der beiden Südhessinnen. Der Truck, ein Scania „El Leon“, ist täglich auf dem eHighway unterwegs, einem mit Oberleitungsinfrastruktur ausgestatteten Stück der Autobahn 5, das rein elektrisches Fahren ermöglicht.  

Von solchen Projekten abgesehen: Was hat sich
verändert, seit die Spedition Schanz von den beiden Frauen geführt wird? „Ich glaube, der Ton im Unternehmen ist anders geworden“, sagt Kerstin Seibert nach einigem Überlegen. „Wertschätzender, verständnisvoller. Ich denke, die Mitarbeiter spüren das auch.“ Für ein intaktes Betriebsklima spricht jedenfalls, dass die Fluktuation gering ist und dass in jüngerer Vergangenheit neue Kräfte gewonnen wurden. Von der Möglichkeit, zu guten Konditionen ein sogenanntes Jobrad zu bekommen bis zur betrieblichen Altersvorsorge werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einige Extras geboten.

Zu den Mitarbeitern zählt auch Kerstin Seiberts Ehemann. „Er leitet unsere Werkstatt. Hier gilt, ganz ähnlich wie in der Zusammenarbeit mit meiner Schwester: Wir stimmen uns natürlich ab, aber grundsätzlich hat er seinen Bereich und ich meinen.“ Auch der Vater ist nach wie vor regelmäßig im Betrieb. Zum Beispiel, um Fahrzeugauswertungen zu betrachten oder auch – nicht minder wichtig – mit den Fahrern zu sprechen. „Er ist jetzt 74 und müsste das eigentlich nicht mehr tun, aber er ist hier nach wie vor gerne gesehen“, sagt Christine Hemmel.

Auch wenn die Schwestern sicher noch etliche Jahre im Unternehmen vor sich haben: Beide haben Kinder, sodass sich die Frage stellt, ob Generation fünf bereits in den Startlöchern steht. „Aktuell nicht“, lautet der Tenor der Chefinnen. „Wir werden sie hier nicht reindrängen, sie sollen machen, worauf sie Lust haben“, sagt Christine Hemmel. Nicht anders hätten sich ihre Eltern zu diesem Thema verhalten, ergänzt Kerstin Seibert. „Als wir hier mal eine gewisse Saure-Gurken-Zeit durchstehen mussten, hat mein Vater zu mir gesagt: ,Kind, lern was Gescheites‘! Das haben beide Schanz-Schwestern getan. Und ganz offensichtlich das für alle Beteiligten Beste daraus gemacht.

Einsatz im Morgengrauen: Das Unternehmen kann sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen

Schanz und die SVG

Seit etlichen Jahren Mitglied, lässt die Spedition Schanz ihre Azubis die Führerscheinausbildung bei der SVG Hessen absolvieren und nutzt zudem deren Tank- und Servicekarten.

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