Credit: Polizeipräsidium Westhessen
Bei explodierenden Spritpreisen ist Spritklau schon fast normal. Viele Unternehmen kennen das: Ist die Flotte nicht ausreichend gesichert/überwacht oder steht beispielsweise ein Teil des Fuhrparks auf einem externen Gelände, dann kommt es vor, dass manch ein Tank am nächsten Morgen beschädigt und leer ist. Der HVS hat Christian Wiepen, Polizeihauptkommissar des Polizeipräsidiums Hessen, zum Thema Spritdiebstahl befragt.
Sie tauchen meist bei Nacht auf, bohren die Tankdeckel auf, pumpen den Sprit ab und verschwinden in der Dunkelheit. Spritdiebstahl so aktuell wie nie?
Das passiert leider regelmäßig. Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, aber solche Taten bearbeitet jeder Polizist immer wieder. Die Aufklärungsquote ist bei diesem Kriminalitätsbereich eher gering. Die Täter agieren größtenteils in der Dunkelheit und schlagen in Gewerbegebieten, auf Baustellen oder den Rastplätzen an Autobahnen oder Bundesstraßen zu.
Wie sieht Ihr genaues Vorgehen aus, wenn ein Spritdiebstahl angezeigt wurde?
Die Strafanzeige wird am Tatort aufgenommen, falls möglich, wird eine Spurensicherung durchgeführt.
Insbesondere an den Tanks und den eventuell hinterlassenen Tankdeckeln bleiben Spuren zurück. Zudem versuchen wir die Videoaufzeichnungen der Tankstellen und Rastanlagen zu nutzen. Zusätzlich werden die Kraftfahrer im Umfeld des Tatortes befragt, denn oft bleibt es leider nicht nur bei einem Opfer.
Sprit ist weg, Täter geflüchtet: Gibt es Möglichkeiten für eine Entschädigung? Oder können Spediteure sogar eine entsprechende Versicherung abschließen?
Dazu kann ich keine Auskunft geben – meist ist es auch nicht unbedingt der Spritklau, sondern die massiven Schäden am Tank des Fahrzeugs, die mehr Kosten verursachen. Denn die Kriminellen gehen auch mit roher Gewalt vor, wenn sie den Sprit aus den Fahrzeugen zapfen.
Liegen Erfahrungen vor, was die Täter konkret mit dem abgezapften Diesel machen oder was mögliche Gründe sein könnten?
Es gibt verschiedene Varianten, manche Täter nutzen den Kraftstoff für das eigene Fahrzeug, andere verkaufen ihn weiter. Steigende Spritpreise wirken sich leider auch negativ auf die Fallzahlen aus, Spritdiebstahl nimmt gerade aktuell als Folge zu. Dies ist auch der Polizei bewusst, deshalb achten die Kolleginnen und Kollegen auch bei ihren Präventivstreifen verstärkt auf geparkte Lkw und Sattelzüge.
Manchmal sind es nicht Fremde, die einen beklauen, sondern die eigenen Mitarbeiter. Wie können sich Unternehmer schützen?
Solche Fälle sind in unserem Zuständigkeitsbereich zum Glück noch nicht aufgefallen, gehört habe ich aber schon von solchen Taten. Eine Möglichkeit ist sicher die fristlose Kündigung, wenn bekannt ist, wer für den Spritklau verantwortlich ist. Zudem ist eine Strafanzeige bei der Polizei sinnvoll – mögliche Folgen sind für den Betroffenen eine Geldstrafe oder sogar eine Gefängnisstrafe.
Im besten Fall wird der Täter gefasst, welche Strafen kommen auf ihn zu?
Bei dieser Art des Spritdiebstahls handelt es sich um Diebstahl oder den besonders schweren Fall eines Diebstahls. Der Unterschied wird durch die Tatbegehungsweise deutlich: Wenn der Kraftstoff aus einem einfach zu öffnenden Tank entnommen wird, handelt es sich um Diebstahl. Muss der Tank erst aufgebrochen werden, um an den Inhalt zu kommen, wird der
besonders schwere Fall des Diebstahls angezeigt. Diebstahl (§ 242 StGB) wird mit einer Geldstrafe oder Gefängnis bis zu fünf Jahren
bestraft, der besonders schwere Fall des Diebstahls (§ 243 StGB) sieht keine Geldstrafe mehr vor. Dort liegt der Strafrahmen bei einer Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren.
Manche Lkw-Fahrer werden auch direkt am Rastplatz beklaut – dazu werden sie in manchen Fällen betäubt. Können Sie dafür Beispiele nennen?
Nein, denn in unserem Zuständigkeitsbereich gab es solche Fälle noch nicht. Da die Tanks bei Lkw meist unproblematisch von außen zugänglich sind, gehen Täter noch nicht einmal ein größeres Risiko ein. Aufgrund der hohen Geräuschkulisse an den Autobahnen bekommen viele Lkw-Fahrer die Tat selbst dann nicht mit, wenn sie noch wach sind.
Sie arbeiten bereits seit 23 Jahren als Polizeihauptkommissar für das Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden, was waren die bisher skurrilsten Fälle?
In Westhessen erfassen wir im Schnitt 30 bis 40 Fälle von Spritdiebstahl pro Jahr. In einem Fall hatte der Täter nach einem Dieseldiebstahl den Schlauch, mit dem er den Kraftstoff abgezapft hatte, am Lkw zurückgelassen. Der Täter konnte anhand der DNA-Spuren im Nachhinein ermittelt und bestraft werden. In einem anderen Fall hatten Lkw-Fahrer die Diebe bemerkt und unbemerkt bei der Autobahnpolizei angerufen. Mit mehreren Streifen, einige davon auch in Zivilstreifenwagen, konnten die Täter
noch vor Ort festgenommen und ihnen sogar mehrere Taten nachgewiesen werden.
Wissen Sie, warum der Aufkleber „BIODiesel“ die Spritdiebe abschrecken kann?
Das Gerücht hält sich hartnäckig, früher mag das auch funktioniert haben. Mittlerweile glaube ich nicht, dass diese Aufkleber die Diebe noch abschrecken können.
Welche Empfehlungen geben Sie den Unternehmen direkt, wie sie sich selbst und ihre Fahrer vor einem Spritklau schützen
können?
Schließen Sie sich mit anderen Speditionen zusammen, je mehr sichere Anlaufstellen Ihre Fahrer haben, desto besser. Der Sattelzug steht bei einer befreundeten Spedition immer noch besser als auf einem unsicheren Rastplatz oder frei in einem Gewerbegebiet. Abschließbare Tankdeckel schrecken den ein oder anderen Dieb ab. Leider verursachen sie aber beim Aufbrechen auch höhere Kosten. Es gibt Tankdeckel mit Öffnungssensoren, somit würde der Fahrer bei einem Diebstahlversuch gewarnt werden und fährt auch nach dem Tanken nie ohne verschlossenen Tank los. Schaffen Sie ein gutes Netzwerk unter Ihren
Fahrern. Mehrere Lkw einer Spedition auf einem Rastplatz können sich gegenseitig besser schützen als ein einzelner.
Haben Sie noch eine Anmerkung zum Schluss?
Ja, viel häufiger als der Spritdiebstahl kommt der Tankbetrug vor! Das heißt, es wird getankt und im Anschluss ohne zu bezahlen von der Tankstelle weggefahren. Glücklicherweise können hier viele Fälle aufgeklärt werden. Meist ist nämlich noch nicht einmal eine böse Absicht dahinter, sondern die Fahrzeugführer fahren aus reiner Vergesslichkeit weg.