Credit: BGL

Unsere Titelstory „Starke Frauen in der Transport- und Logistikbranche“ führt uns auch zum Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. Der BGL, dessen Vorläuferorganisation im Jahr 1947 als Arbeitsgemeinschaft Fernverkehr (AGF) gegründet wurde, gibt dem Gewerbe seit jeher eine starke Stimme mit seinem Netzwerk. Dieses reicht über die Landesverbände und seinen Verbindungsbüros bis zur Politik in Brüssel und Berlin. Mit dem Vorstandssprecher Professor Dr. Dirk Engelhardt sprachen wir über den Anteil von Frauen in dieser von Männern geprägten Branche sowie über die Entwicklungen und Perspektiven in dem Transportgewerbe.

Herr Professor Engelhardt, in unserer Titelstory geht es um starke Frauen in der Transport- und Logistikbranche. Sie als Vorstandssprecher des BGL bekommen viele Eindrücke, wie sich die Branche wandelt und sitzen sozusagen an der Quelle, wenn es um Zahlen, Daten und Fakten geht. Deshalb interessiert uns zuerst einmal, welche Tendenzen beziehungsweise Entwicklungen Sie in den letzten Jahren beobachtet haben und wie viele Frauen, in welchen Arbeitsbereichen derzeit in der Transportbranche hierzulande sowie europaweit arbeiten. Wie viele dieser Frauen sind Führungskräfte, wie viele Fahrerinnen?
Die Transportbranche gehört zu den Branchen, in denen der Anteil weiblicher Beschäftigter traditionell eher unterdurchschnittlich ist. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass hier vielfach schwere Frachtstücke gehoben werden mussten und müssen und zum anderen früher das Fahren von Lkw ohne Servolenkung, Bremskraftverstärker und synchronisierten Automatikgetrieben oftmals in körperliche Schwerarbeit ausartete. Deshalb stieg der Anteil weiblicher Berufskraftfahrerinnen in den letzten Jahren nur langsam von 1,6 % über 1,7 % auf 1,8 % – Stand 31.12.2018. Nicht zuletzt aufgrund der technischen Weiterentwicklung bis hin zu bediener(innen)freundlicherer Lkw ist bei der nachwachsenden Generation das Interesse, beruflich einen Lkw zu lenken, erfreulicherweise stetig angestiegen: Der Anteil weiblicher Berufskraftfahrer-Azubis verdoppelte sich beinahe zwischen
2013 und 2018 in einer kontinuierlichen Aufwärtsbewegung von 3,5 % auf 6,7 %. Unabhängig davon gehören Frauen in Führungspositionen in unserer weit überwiegend durch Familienbetriebe geprägten Branche von jeher zum gewohnten Bild, wobei ich auch hier eine deutliche Aufwärtstendenz wahrnehme.

Gibt es vom BGL Maßnahmen, um Frauen in der Branche zu unterstützen oder sind solche zumindest geplant?

Hier konnten wir bereits im April letzten Jahres in Christina Scheib die ideale BGL-Botschafterin für Berufskraftfahrerinnen gewinnen. Sie fährt seit vielen Jahren mit großer Begeisterung selbst Lkw, ist Medienerfahren und kommt total authentisch rüber, wie man so schön sagt. Sie arbeitet mittlerweile in Teilzeit beim BGL-Süd in München und lenkt nebenbei seit Kurzem ihren eigenen Truck. Zentrales Anliegen des BGL ist es, die Wertschätzung und Attraktivität des Fahrerberufs zu erhöhen, um wieder mehr Kraftfahrer zu gewinnen. Dazu gehört auch, Frauen für den Beruf zu begeistern sowie die Belange der Fahrerinnen in dem Berufsfeld zu stärken. Denn in der täglichen Praxis stehen diese Frauen zwar „ihren Mann“, sehen sich in der männerdominierten Fahrerwelt, aber gleichzeitig ganz speziellen Problemen gegenüber. Um hier gezielt für entsprechende Lösungen einzutreten, entwickelte der BGL die Idee einer Botschafterin für Lkw-Fahrerinnen. Christina Scheib kennt aus ihrer Berufspraxis Beispiele, wo Verbesserungen nötig sind – angefangen bei sanitären Einrichtungen für Frauen bis zu neuen Arbeitszeitmodellen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wie beurteilen Sie die Perspektiven von Frauen in der Transportbranche? Und worauf wird es Ihrer Meinung nach insbesondere ankommen, damit der Anteil weiblicher (Führungs-)Kräfte zunimmt?
Generell betrachte ich die Beschäftigungsperspektiven in unserer Branche als überdurchschnittlich zukunftssicher – auch wenn wir jetzt mit der Corona-Krise mehr als nur eine „Wachstumsdelle“ durchzustehen haben. Die für die langfristige Güterverkehrsentwicklung maßgeblichen Treiber Globalisierung, Internationalisierung der Fertigung,
Reduzierung der Fertigungstiefe und Ausweitung des Onlinehandels werden auch danach weiter belebend wirken. Aus
eigener Erfahrung mit einem 700-Lkw-Fuhrpark weiß ich, dass Frauen nicht nur im Büro, sondern auch am Lkw-Steuer einen mindestens genauso guten Job machen können wie ihre männlichen Kollegen. Um den Anteil an Fahrerinnen und weiblichen Führungskräften zu erhöhen, brauchen wir in Zukunft – wie bereits angesprochen – Arbeitszeitmodelle, die die Freizeit besser planbar machen, um Arbeits- und Privatleben besser „unter einen Hut“ zu bekommen. Praktischer Nebeneffekt:
Diese neuen Arbeitszeitmodelle dürften eine Tätigkeit im Logistiksektor auch für viele Männer attraktiver machen.

Über die Masterarbeit in die Logistik

„Die Logistik ist eine unglaublich vielseitige, spannende und wichtige Branche. Daher finde ich es schade, dass wir im Jahr 2020 noch über
„Frauen in der Logistik“ sprechen“, sagt Nina Zimmermann. Frauen
in Schlüsselpositionen, auf allen Ebenen, sollten aus ihrer Sicht
eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. „Mich selbst führte
meine Masterarbeit in die Logistik. Es war eine Entscheidung, die ich
nie bereut habe“, hebt die persönliche Referentin des BGL-Vorstandssprechers hervor.

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