Credit: Christina Scheib
Für unser Titelthema trafen wir Auszubildende in ganz Hessen. Zwei junge Frauen sowie sieben junge Männer verrieten uns unter anderem, wieso sie sich für eine Ausbildung in der Transport- und Speditionsbranche entschieden haben, wie ihre Zukunftspläne sind und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Auch ein ehemaliger Auszubildender berichtete über seine Erfahrungen. Zudem sprachen wir mit einer Geschäftsführerin und einem Geschäftsführer sowie einem Berufsschullehrer über die Herausforderung,
Auszubildende zu rekrutieren.
Ebenfalls stand uns BGL-Botschafterin Christina Scheib für ein Interview zur Verfügung und erzählte von ihrem Werdegang. Zu gern hätten wir alle an einen runden Tisch eingeladen, um über das Thema Ausbildung zu diskutieren
– doch bedingt durch Corona entschlossen wir uns, die Interviews im Betrieb vor Ort beziehungsweise telefonisch stattfinden zu lassen. Herausgekommen sind viele Geschichten von jungen Menschen, die sich teils bewusst, teils zufällig für die Transport- und Speditionsbranche entschieden haben. Eines vereint alle: Sie sind mit Herzblut dabei.
Frau Scheib, ein ereignisreiches Jahr liegt hinter Ihnen: Sie haben Ihren Job als Verwaltungsfachangestellte am Tölzer Landratsamt gekündigt, haben zwischenzeitlich in Vollzeit als Lkw-Fahrerin bei einer Spedition angeheuert, bevor Sie sich für eine Selbstständigkeit entschieden haben und wurden zudem als Botschafterin für den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) ernannt! Glückwunsch. In Ihrer Funktion als Botschafterin setzen Sie sich für bessere Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern ein – vor allem für die der weiblichen! Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Danke schön. Ja, ereignisreich war das Jahr in der Tat! Ich habe einige Höhen und Tiefen in der Spedition erlebt. Es ist traurig, wenn man als Frau ausgegrenzt wird oder doofe Sprüche ernten muss, obwohl man als Frau seine Arbeit genauso gut erledigt wie ein Mann. Die Branche und der Beruf lagen mir schon immer sehr am Herzen. Denn ohne die Fahrerinnen und Fahrer hätten wir nichts: keine Kleidung, kein Handy, keine Medikamente und so weiter – nichts! Ich stelle den Beruf auf die gleiche Stufe wie Rettungsdienst, Ärzte, Polizei, Feuerwehr etc. Denn sie sind alle wichtig für das Leben und das Überleben.
Ich bin immer sehr traurig, wenn viele Leute über unsere Branche oder den Beruf schimpfen. Umso mehr freue ich mich, dass ich in TV-Formaten einen kleinen Einblick geben darf, wie schön der Beruf, aber auch wie demütigend und anstrengend es sein kann. Ich möchte für meinen Berufsstand kämpfen und auch die Frauen ermutigen, wenn sie den Traum haben, diesen Traum auch zu leben. Denn jede von uns kann es schaffen, diesen Beruf auszuüben.
Klar: Es gibt nicht nur die Sonnenseiten des Berufes, es gibt auch Schattenseiten. Aber ehrlich? In welchem Beruf gibt es das nicht!
Mit dem BGL an meiner Seite habe ich mir sinnbildlich einen starken Rücken ausgesucht, der mich in meinen Vorhaben unterstützt und stärkt. Wie das Wort ‚Verband‘ schon sagt: Es verbindet und verbündet. Nur gemeinsam kann etwas bewegt werden! Und ich bereue nicht, diese Zusammenarbeit eingegangen zu sein.
Mit meiner Selbstständigkeit möchte ich einfach meinen Traumberuf leben. Und zudem möchte ich ein Sprachrohr nach oben sein,
mit reden können, wissen was los ist. Ich möchte aktuelle Situationen nicht nur im Bürostuhl bewerten, sondern auch berichten können, was es heißt, an der Rampe beschimpft zu werden oder keinen Parkplatz zu finden.
Wie ist Ihr Werdegang? Und wie kam es zu Ihrer Selbstständigkeit?
Mein Werdegang ist nicht der rein typische Frauenwerdegang. Ich habe zwar eine klassische Ausbildung als Medizinische Fachangestellte gemacht, aber ganz glücklich war ich hier nie. Ich liebe es, Menschen zu helfen. Durch meine Tätigkeit als gelernte Arzthelferin konnte ich dann im Rettungsdienst arbeiten und war danach jahrelang als Pannen- und Unfallhelferin tätig bis ich in die Verwaltung/ das Landratsamt wechselte. Aber hier hat mir das Fahren sehr gefehlt. Deshalb bin ich dann Vollzeit in den Fernverkehr gegangen.
Allerdings merkte ich, dass ich die Tätigkeit als Botschafterin und auch als Fahrerin nicht unter einen Hut bekomme. So hat mir der BGL das Angebot zur Anstellung unterbreitet. Dennoch war der Wunsch nach dem Fahren immer noch so groß, sodass ich mich dann entschieden habe, mir meine kleine Firma im Nebengewerbe selbst aufzubauen.
Was würden Sie gern von der Politik einfordern, um das Berufsbild zu stärken?
Die fehlende gesellschaftliche Anerkennung macht vielen Fahrern zu schaffen, ebenso schlechte organisatorische Zustände an den
Be- und Entladerampen, unkalkulierbar lange Wartezeiten, Probleme beim Palettentausch oder – vor allem für Lkw-Fahrerinnen – unzumutbare hygienische Zustände. Außer dem sollte verstärkt gegen den seit Jahren bestehenden Parkplatzmangel vorgegangen
werden – nicht zuletzt aus Verkehrssicherheitsgründen. Die allabendliche Suche nach einem freien Lkw-Parkplatz gehört leider immer noch zu unserem Arbeitsalltag.
Hat Corona zu mehr Wertschätzung beigetragen? Einige Ihrer Kollegen berichteten, dass sie im Sommer Schilder mit „Danke, dass Ihr weiterhin für uns unterwegs seid!“ am Straßenrand lasen. Lässt sich Corona gar dafür nutzen, um die Wertschätzung in der Gesellschaft zu stärken?
Die Wertschätzung sollte nicht nur in der Corona-Zeit gezeigt werden, sondern tagtäglich. Denn wir haben genauso weiter gearbeitet wie immer. Obwohl die Situation etwas schwieriger war als sonst. Den Menschen muss bewusst werden, dass alles,
was sie essen, an Kleidung etc. haben von uns Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern transportiert wird.
Was raten Sie jungen Menschen, die den Beruf des Truckers erlernen möchten? Und was raten Sie Menschen, die umsatteln möchten?
Ich rate jungen Menschen, keine Angst vor diesem Beruf zu haben. Auf sich selbst zu hören. Wenn der Wunsch da ist, Fahrer/in zu werden, dann kämpft für Eure Ziele und Wünsche.
Was ist Ihr Ausgleich zu den doch oft auch langen Arbeitstagen?
Mein Ausgleich sind meine Familie und meine Freunde. Und ich gehe gern viel wandern.
Apropos Ausgleich: Finden Sie, es sollte mehr Präventionsangebote für Berufskraftfahrer geben? Und: In einem anderen Interview sagten Sie, dass Sie sich meistens selbst auf Ihren Touren versorgen, da Ihnen eine gesunde Ernährung sehr wichtig ist. Wie sieht das aus? Könnte das für junge Menschen auch abschreckend sein? Wie kann man einen gesunden Lifestyle „on the road“ umsetzen?
Ja, es sollte viel mehr über die gesunde Ernährung erzählt werden. Auch, wenn mich viele belächeln, aber die gesunde Ernährung
ist das A&O, den Beruf so lange wie möglich auszuüben. Und auch, um lange zu leben.
Hand aufs Herz: Sie dürfen sich einen Beruf aussuchen, den Sie unbedingt ausüben wollen – wirklich jeden über Nacht: Herzchirurgin, Schauspielerin, Eiskunstläuferin, Erzieherin, …, Lkw-Fahrerin. Welcher wäre das und warum?
Ich würde mich immer und immer wieder für den Beruf als Lkw-Fahrerin entscheiden. Da es für mich eine Herzenssache ist und nicht nur ein Beruf.