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Die Haftungsrisiken haben sich unter anderem deswegen erhöht, weil überschuldete Unternehmen bis Ende des Jahres keinen Insolvenzantrag stellen müssen. „Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht hilft der Wirtschaft nicht, sondern verschiebt die Insolvenzwelle in die Zukunft und richtet in der Gegenwart Schäden an: Sie verstellt den Blick auf die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung, hält Unternehmen künstlich am Leben und schafft Unsicherheit allerorten“, sagt GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen
Insolvenzverwalter fordern im Schnitt sieben Millionen Euro
In der D&O- bzw. Managerhaftpflichtversicherung werden die bislang aufgeschobenen Insolvenzen voraussichtlich zu einer Flut von
Rechtsstreitigkeiten führen. Dabei sind Manager regelmäßig mit sehr hohen Schadensersatzansprüchen konfrontiert. Nach einer
aktuellen Analyse des GDV von 368 D&O Schadenfällen nach Insolvenzen sollen die Verantwortlichen im Schnitt für fast sieben
Millionen Euro aus ihrem Privatvermögen geradestehen. „Die ersten Ansprüche der Insolvenzverwalter sind ausnahmslos entweder zu hoch oder gänzlich unbegründet“, sagt Daniel Messmer, Vorsitzender der GDV-Arbeitsgruppe D&O-Versicherung.
Daher müssten die Versicherer viel Zeit und Geld investieren, die überhöhten Forderungen abzuwehren: Im Schnitt
betrugen die Prozess- und Anwaltskosten nach jeder Insolvenz über 30.000 Euro, bis zum Abschluss dauerte es in der Regel mehr als zwei Jahre. Am Ende erwies sich ein Großteil der Forderungen als unberechtigt: Für ein Drittel der Insolvenzen mussten die Manager überhaupt nicht haften, in keinem einzigen Fall mussten die Forderungen in voller Höhe bezahlt werden.
Im Schnitt waren die Manager stattdessen nur zu Schadensersatz in Höhe von rund 140.000 Euro verpflichtet – gerade mal zwei Prozent der ursprünglichen Forderung.
Manager haften persönlich für alle Zahlungen nach Insolvenzreife
Die Insolvenzen durch die Corona-Pandemie juristisch aufzuarbeiten, wird insbesondere die Rechtskosten weiter in die Höhe treiben. „Wer in den letzten Monaten in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, muss derzeit auf Basis einer unsicheren Rechtslage entscheiden“, sagt Wolfram Desch, Fachanwalt für Insolvenzrecht bei der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen.
Das ist für die Entscheider mit Risiken verbunden, weil sie grundsätzlich für alle Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife
persönlich haften. Nach einer Pleite dürften die Insolvenzverwalter daher vieles hinterfragen und nach Pflichtverletzungen suchen:
Beruht die Insolvenzreife wirklich auf der Corona-Pandemie? War die Liquiditätsplanung korrekt? Sind die Entscheidungsgründe ausreichend dokumentiert? Waren die eigentlich verbotenen Zahlungen in der Corona-Pandemie wirklich erlaubt? „Bei vielen dieser Fragen wird man unterschiedlicher Auffassung sein – dann müssen im Zweifel die Gerichte entscheiden“, so Desch.
Überblick: Managerhaftung wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung in der Corona-Pandemie
Grundsätze
- Geschäftsleiter haben die gesetzliche Pflicht, bei eingetretener Insolvenzreife einen Insolvenzantrag zu stellen.
- Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind zwingende Insolvenzgründe:
- Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen, wenn es mit den ihm zur Verfügung stehenden liquiden und liquidierbaren Mitteln nicht mindestens 90 % seiner fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten in einem Zeitraum von drei Wochen begleichen kann.
- Überschuldet ist ein Unternehmen, wenn es nicht mehr in der Lage ist, mit den Liquidationswerten ihrer Aktiva die Verbindlichkeiten und Rückstellungen zu decken und zudem keine positive Fortführungsprognose vorliegt.
- Bei einer verspäteten Insolvenzantragstellung drohen Geschäftsleitern massive Haftungsrisiken: Sie haften im Grundsatz für jede nicht zurückbehaltene Zahlung, nicht nur für eingetretenen Schaden. Eine Verteidigung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Änderungen von Insolvenzantragspflicht und Haftungsregeln in der Corona-Pandemie
Das gilt bis zum 30. September 2020:
- Grundsätzlich ist seit Beginn der Corona-Pandemie die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen ausgesetzt. Auch Zahlungen trotz Insolvenzreife bleiben grundsätzlich erlaubt.
- Aber das ist kein Freibrief, es gelten diese Voraussetzungen: Insolvenzreife muss Folge der Corona-Pandemie sein und ein zahlungsunfähiges Unternehmen muss eine realistische Chance haben, wieder zahlungsfähig zu werden. Sonst muss der Insolvenzantrag trotzdem gestellt werden!
Das gilt ab 01. Oktober 2020: - Für zahlungsunfähige Unternehmen gilt wieder die Insolvenzantragspflicht.
- In den vergangenen Monaten nicht beglichene, fällige Verbindlichkeiten sind ab 01.10.2020 voll in die Liquiditätsprüfung mit einzubeziehen. Das wird zu einer Erhöhung der Insolvenzantragszahlen führen!
- Die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bleibt bis zum 31.12.2020 ausgesetzt.
Hohe Schadensersatzforderungen nach Insolvenzen
Insolvenzverwalter verlangen von Managern insolventer Unternehmen hohe Summen – doch nur ein Bruchteil der Forderungen ist berechtigt.
