Credits: Manfred Esser, Tom Jeier, Manfred Vodel, Erik Lattwein
Was für eine Ehre: Tom Astor hat dem Hessischen Verkehrsspiegel ein Interview gegeben. Tom Astor ist eine Legende in der deutschen Country-Szene und hat sich darüber hinaus einen Namen in Nashville, Music City USA gemacht. Der Sauerländer konnte nahezu alle Auszeichnungen in Empfang nehmen, die die Country Music in Deutschland zu vergeben hat. Der gelernte Hotelkaufmann, der sein 55-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert hat, bekam als erster Country-Interpret
überhaupt in Deutschland Gold für 250.000 verkaufte Tonträger und das gleich dreimal. Bis heute wurden unter
anderem von den Alben „Flieg junger Adler”, „Hallo Freunde” und „Kameraden der Straße” über 4 Millionen Tonträger
verkauft!
Wie sich nachlesen lässt, sind Sie ja eher durch eine Wette Musiker geworden. Und zwar zuerst im Schlagerbereich. Wie kam es dazu?
Schon als Kind war ich total musikbegeistert, habe Klavierunterricht gehabt und die Schellackplatten meiner Eltern gehört.
Ich habe mein ganzes Taschengeld in 45er Singles gesteckt. Zuhause hatten wir eine Truhe mit einem Plattenspieler. Und eines
Tages habe ich meine neueste Errungenschaft – Blue Suede Shoes von Elvis – volle Lautstärke aufgedreht. Diese junge Musik war
einfach mein Ding! Auch, wenn mein Vater die Platte so schlimm fand, dass er sie weggeworfen hat. Jahre später haben mich Freunde überredet, bei einem Talentwettbewerb anzutreten, der einmal monatlich in Köln stattfand. Ich wollte das eigentlich
gar nicht. Wir haben dann ausgemacht, dass ich sechs Flaschen Schampus erhalte, wenn ich auftrete, und wenn nicht, muss ich diese ausgeben. Also habe ich mir zwei Songs ausgesucht, die ich gut konnte.
Den Talentwettbewerb habe ich dann neben der sechs Flaschen gewonnen. Und so kam es, dass ich hier und dort mal bei „Bunten Abenden“ zwei, drei Lieder spielte und mir so mein Taschengeld aufbesserte. Eine Weile später fragte mich ein Musikboxhändler, der über 2.000 Musikboxen hatte, ob ich eine Platte machen will. Sein Hobby war tatsächlich, Singles für seine Musikboxen zu produzieren. Die Single-Produktion fand in Westberlin statt und so kam ich das erste Mal in die geteilte Stadt! Schon damals habe ich mich sehr für die Arbeit hinter den Kulissen interessiert – also für die Abwicklung, die Musikverlage und alles, was damit zusammenhängt. Dieses Wissen hat mir auf jeden Fall in meiner Karriere weitergeholfen.
Ich schrieb später unter anderem auch Texte für Christian Anders und die Jacob Sisters. Wenn man sagt, dass ich in der Schlagerszene angefangen habe, ist es nur zum Teil richtig. In der Zeit gab es meiner Meinung nach keine andere Musikszene. Alles was erfolgreich war, ob Elvis, Volksmusik oder Rock ‘n Roll in deutscher Sprache, wurde als Schlager bezeichnet. Irgendwann hörte ich dann auf AFN Frankfurt, dem US-Soldatensender, an einem Samstag die Top 50 Country-Charts und Johnny Cash! Da wusste ich, dass ich Musik in diese Richtung weitermachen möchte.
Viele Fans sind Fernfahrer und kommen aus der „Trucker-Szene“. Wie konnten Sie sich so in die Lebenssituation der Lkw-Fahrer reinversetzen? Woher rührt Ihre besondere Verbindung?
Nachdem ich allein kleine Auftritte in Kneipen gemacht habe, stellte ich mir eine Country-Band zusammen. Dann kamen die Fernfahrer auf mich zu und fragten mich, ob ich nicht Lust hätte, bei ihren Veranstaltungen aufzutreten. Sie wollten alle Countrymusik hören. Und so bin ich – insbesondere in den 80er und den 90er Jahren – unter anderem Gast auf dem Trucker- und Country-Festival Geiselwind gewesen. Dieses Festival findet ja immer Pfingsten statt – von Freitag bis Montag, teilweise mit einem Laufpublikum von 100.000 Personen. Samstagsabends gab es dann bis nachts die große Musikshow. In der Adventszeit fand noch die Trucker-Weihnacht statt. Außerdem gab es noch ein großes Trucker-Festival in der Ostwestfalen-Halle und natürlich den Truck-
Grand-Prix am Nürburgring. Hinzu kamen noch die großen Country- Open Airs, beispielsweise auf der Naturbühne Greifensteine und der Forest-Village-Ranch in Daubitz, die es heute noch gibt.
Oft stand ich mit den Fahrern nach dem Auftritt noch zusammen und sie haben mir ihre Geschichten erzählt. Und diese Geschichten nutzte ich wiederum als Inspiration für meine Songs. Mittlerweile komme ich auf rund 200 Trucker Songs. Zu einigen Fahrern habe ich heute noch Kontakt und wir telefonieren ab und zu. Sie denken heute noch gern an diese Veranstaltungen zurück – und ich auch. Das war schon etwas ganz Besonderes und ich bin fast jedes Wochenende auf einem Trucker-Festival aufgetreten. Man kannte sich damals untereinander. Es gab zu dieser Zeit viele Trucker-Clubs, die sehr aktiv waren. Meine besondere Beziehung liegt ein Stück weit auch daran, dass mein Vater einen Getränkegroßhandel hatte. Wenn ich frei hatte und zu Hause war, musste
ich häufig aushelfen und bin mit dem Lkw zur Brauerei gefahren und habe Bier geholt.
Apropos Int. ADAC TRUCK-GRAND-PRIX (TGP)
2020 hätte der TGP sein 35-jähriges Jubiläum begangen. Sie waren bei jedem TGP dabei. Erinnern Sie sich an besondere Erlebnisse? Wie kam es zum Kontakt zum ADAC?
Den Kontakt habe ich auch über die Trucker-Szene erhalten. Denn es war eine Veranstaltung geplant, die nicht nur Rennen, sondern auch Unterhaltung bieten sollte. Und so kam der ADAC auf mich zu. In den ersten Jahren fanden die Konzerte noch im alten Fahrerlager statt. 1990 wurde dann erstmals in der Müllenbachschleife gespielt. Ab Mitte der 90er Jahre konnten einige Veranstaltungen dann bis zu 80.000 Besucher verzeichnen.
Jeder TGP ist ein besonderes Erlebnis. Es ist toll, so viele bekannte Gesichter zu sehen, aber auch neue. „Tom Astor vereint vier Generationen Fans“ habe ich in einem Zeitungsartikel gelesen. Das freut mich natürlich und das darf ich bei Konzerten auch erleben. Zum 25-jährigen Jubiläum am Nürburgring habe ich aus „Take me home Country Roads“ das Nürburgring-Lied gemacht und aufgenommen. Anlässlich des 35. TGP habe ich die CD „TOM ASTOR & Band – LIVE AM NÜRBURGRING“ veröffentlicht, obwohl der Jubiläums-TGP coronabedingt abgesagt worden ist.
Nashville
Sie standen ja auch mit Country-Legenden wie Kenny Rogers, John Denver und Dolly Parton auf der Bühne. Johnny Cash bezeichnet Sie als „My friend from Germany“. Darüber haben Sie sicherlich sehr viel zu berichten!
…wie alles begann…
Nachdem ich 1980 meine erste Country-LP herausgebracht hatte, war ich 1981 das erste Mal in Nashville, Tennessee und durfte bei der legendären FAN-FAIR, einem der bedeutendsten Ereignisse der Country Music auftreten. Zwei Jahre später hatte ich einen Auftritt im texanischen Fort Worth bei einem internationalen Country-Festival. Dort habe ich viele Musiker kennengelernt. Insbesondere in den 90ern war ich dann oft in Nashville. Bis heute sind dort alle meine Produktionen entstanden.

Das ZDF hat 1996 ein Tom Astor-Special, unter anderem auch in Nashville mit mir, gedreht, welches dann um 20:15 Uhr zur sogenannten Prime Time ausgestrahlt wurde. 2000 hat der Bayerische Rundfunk (ARD) ein Tom Astor-Special komplett in Nashville gedreht. Da ich schon immer gern mit anderen Menschen musiziert habe, kam mir die Idee, ein Duett-Album zu produzieren. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis das Album fertig war. Johnny Cash lernte ich bei meinen Aufenthalten in Nashville kennen und
wir wurden Freunde. Zuletzt habe ich Johnny im April 1997 in Düsseldorf bei einem Konzert in der Philippshalle getroffen. Niemals hätte ich gedacht, dass dieses unser letztes Zusammentreffen sein würde.
Seine Frau June Carter hatte unsere ganze Familie noch zu einem Besuch in ihr Haus in Hendersonville eingeladen. Dazu kam es dann leider nicht mehr. Waylon Jennings fragte mich in Nashville im Studio, nachdem wir unser Duett „I’ve always been crazy“ im Kasten hatten, ob wir den Titel bei den Highwaymen Konzerten in Deutschland live machen sollten. Ich dachte mir, er meint das gar nicht ernst, doch circa drei Wochen vor dem Auftritt meldete sich sein Management, und bat mich um 15:00 Uhr zum Soundcheck in der Frankfurter Festhalle zu sein. Und dann stand ich abends mit den vier Weltstars auf der Bühne. Ein echtes Highlight. Ich hatte leider nur in Frankfurt Zeit, weil ich bei den anderen Terminen eigene Konzerte hatte. Schön, wenn man so etwas erleben darf!
David Bellamy hat mich einmal darauf hingewiesen, dass ich der einzige Künstler bin, der mit jedem der vier „Highwaymen“ (Johnny Cash, Waylon Jennings, Kris Kristofferson und Willie Nelson) ein Duett aufgenommen habe. Mit David und seinem Bruder Howard – besser bekannt als The Bellamy Brothers – habe ich übrigens auch Duette aufgenommen und wir waren zweimal zusammen auf Tournee. Auch sie sind echte Freunde geworden!

Erzählen Sie uns bitte von Ihrer Zusammenarbeit mit Dolly Parton!
Dolly ist noch heute ein Weltstar! Diese Frau ist sensationell gut. Ich wollte mit ihr unbedingt ein Duett aufnehmen. Der Kontakt ist dann über einen Musiker in ihrer Band zustande gekommen. Dolly ist immer sehr busy. Sie lebt in Hollywood, auf Hawaii und in Nashville und produziert und filmt pausenlos. Somit verging einige Zeit, bis die Nachricht kam, dass sie mit mir ein Duett aufnehmen möchte. Es gab dann eine längere Pause. An einem Donnerstag im März 2008 dann der Anruf:
Dolly sei an dem darauffolgenden Dienstag in Nashville und hätte Zeit, mit mir das Duett aufzunehmen. Ich solle doch bitte um 14 Uhr Ortszeit im Studio sein. Am Samstag vorher hatte ich selbst noch ein Konzert. Meine Frau Margareta hat dann kurzfristig alles organisiert und am Montag bin ich dann mit einem Kamerateam, was die Plattenfirma bestellt hatte, nach Nashville geflogen. Als wir in Nashville ankamen, war unser Gepäck nicht da. Also habe ich mir dann noch schnell Klamotten in Nashville gekauft. Glücklicherweise hatte das Kamerateam seine Ausrüstung im Handgepäck. Im Hotel habe ich dann noch versucht, einen Blumenstrauß zu organisieren, was gar nicht so einfach war. Um eins sind wir dann ins Studio. Fünf vor zwei fuhr dann eine schwarze Limousine mit Chauffeur und Bodyguard vor und Dolly stieg aus.

Sie war bester Laune und wir haben viel gelacht.
Im Studio standen wir uns gegenüber und ich konnte den Text auf dem Notenständer nicht lesen, weil er zu klein gedruckt war. Also musste ich meine Brille aufsetzen, was mir gar nicht recht war. Dolly bemerkte, dass es mir unangenehm war und sagte dann zu mir: „Tom, setz Deine Brille ruhig auf, ich setze meine auch auf und dann fällt das gar nicht auf!“ So entstand das Video zum Song „To Daddy“ mit Dolly Parton.
Corona
Wow – was für tolle Erinnerungen! Danke, dass Sie uns hieran teilhaben lassen!
Leider ist seit einem Jahr so vieles, wie wir es gewohnt waren, nicht mehr möglich. Die Corona-Pandemie hat uns alle mehr oder weniger getroffen. Sicherlich haben die meisten Menschen versucht, das Beste aus der Situation zu machen – beruflich wie privat. Dennoch gibt es Branchen, die es besonders hart getroffen hat. Dazu zählt neben der Veranstaltungsbranche, in Teilen auch die Transport- und Logistikbranche. Wie haben Sie in Ihrer Branche – die ja von der Zusammenkunft vieler Menschen auf engem Raum lebt – diese Zeit wahrgenommen?
Wir wollen hoffen, dass diese Zeit bald vorüber ist! Damit es nicht zu langweilig und frustrierend ist, habe ich Songs geschrieben, teils gemeinsam mit meinem Sohn.
Willkommen in Frankfurt
Was verbinden Sie mit Ihren Texten?
Meine Song-Texte sind Geschichten, die das Leben schreibt. Viele Erlebnisse,
viele Ereignisse. So geht es beispielsweise bei dem Song „14 Tage auf dem Brenner“ um einen Streik. Die Jungs, die auch die
Festivals und Trucker-Treffen auf die Beine gestellt haben, waren gut untereinander organisiert und haben eben auch mal gestreikt. Das waren noch richtige Kumpels, die zusammenhielten. Für solche Aktionen braucht man aktive Leute, die so etwas tragen. Aber klar, das waren damals noch andere Zeiten. Es war alles nicht so groß und gewaltig wie heutzutage. Es gab wenige, aber sehr starke Interessensgemeinschaften.
Mitte der 80er ist dann von denen eine ganze Truppe mit einem Hilfskonvoi nach Äthiopien gefahren. Das fand ich sehr beeindruckend. Als sie wieder in Frankfurt ankamen, stand ich am Gate und habe „Hallo, guten Morgen Deutschland!“ gesungen.
Wünsche für die Zukunft
Eine großartige Geste! Konnten Sie sich mittlerweile eigentlich Ihren Wunsch erfüllen, einmal die Route 66 von Chicago nach Los Angeles komplett durchzufahren?
Das hat sich leider noch nicht erfüllt. Aber teilweise war ich bereits auf der Route 66 unterwegs. Und was nicht ist, kann ja noch werden.
Lieber Tom Astor, was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern gern noch mit auf den Weg geben?
Ich grüße all diejenigen, die ich kenne und auch alle, die ich noch nicht kenne! Hoffentlich sehen wir uns bald bei einem meiner Konzerte oder dem Truck-Grand-Prix wieder! Bis dahin, haltet die Ohren steif und lasst uns weiter hoffen, dass es uns allen bald wieder besser geht! Passt alle auf euch auf und bleibt gesund!