Credit: Christian Wiepen
Ein Szenario, das manch einer kennt, der viel auf der Autobahn unterwegs ist: Ein ziviler Polizeiwagen fordert auf, zu folgen, oder
eine Person in diesem Wagen hält eine Kelle mit „Polizeikontrolle” aus dem Seitenfenster. Das kann ganz schnell teuer werden.
Leider sind diese Kontrollen nicht immer „echt”. Das heißt: Falsche Polizisten versuchen sich auf diese Art und Weise zu bereichern,
indem sie für vermeintliche Vergehen viel Bargeld fordern. Doch wie erkennt man, ob es sich um echte oder „gefakte” Polizeikontrollen handelt? Einer, der sich damit auskennt, ist Polizeihauptkommissar Christian Wiepen aus dem Polizeipräsidium
Westhessen. Der HVS hat ihn zu diesem Thema befragt.
Falsche Polizeikontrollen auf der Autobahn – können Sie schildern, wie das abläuft? Sind die Täter allein oder zu zweit unterwegs?
Da gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Manche Täter sind allein mit einem Fahrzeug unterwegs, andere zu zweit. Wieder andere sprechen Kraftfahrer auf Rastplätzen an. Täter in Fahrzeugen ahmen einen zivilen Streifenwagen nach und bewegen Kraftfahrer dazu, ihnen zu folgen. Bei der fingierten Kontrolle kommt es dann schnell zu Geldforderungen.
Wie häufig kommen solche Fälle vor?
Glücklicherweise kommen solche Fälle eher selten vor. Erfährt die Polizei von einer solchen Tat, setzt sie alles daran, den Täter oder die Täter ausfindig zu machen. Durch solche Straftaten nehmen nicht nur die Opfer Schaden, auch die Reputation der Polizei leidet. Dazu kommt, dass nicht alle Fälle zur Anzeige gebracht werden. Insbesondere ausländische Kraftfahrer, die nicht so gut Deutsch sprechen, lassen die „falschen Kontrollen“ über sich ergehen und zahlen die Bußgelder, damit sie ihre Fahrt fortsetzen können.
Was war in diesem Zusammenhang Ihr spektakulärster Einsatz?
Ein Täter hatte sein Fahrzeug umgebaut und konnte über einen Seilzug ein Schild in der Heckscheibe hochziehen. So machte er zunächst einen relativ täuschenden Eindruck eines echten Zivilstreifenwagens. In einem anderen Fall hatten sich zwei Täter Polizeidienstausweise gebastelt und brachten damit ihre Opfer zum Anhalten. Beliebt sind natürlich auch Blaulichter, die einfach über ein Kabel im Zigarettenanzünder aktiviert werden. In allen Fällen gaben die Täter vor, dass ihr Opfer eine Ordnungswidrigkeit begangen hätte, und forderten eine Geldstrafe, die natürlich sofort bezahlt werden musste.
Wie kann ich womöglich auf Anhieb erkennen, dass es keine korrekte Kontrolle ist?
Die meisten Täter sind nicht sehr professionell. Wenn sie Dienstausweise haben, sind diese schlecht gemacht. Die genutzten Fahrzeuge sind meist älter und auch der äußerliche Eindruck passt selten zu richtigen Polizeibeamten. Außerdem wollen die Täter immer Bargeld sehen. Die Polizei macht keinen Druck bei Geldbußen. Wer nicht vor Ort bezahlen kann, bekommt Post von der Bußgeldstelle. Hier zeigt sich im Verhalten ein deutlicher Unterschied.
Haben Sie konkrete Tipps, wie sich Fahrer schützen können?
Wer schon Zweifel an der Echtheit der Kontrolle oder an den Polizisten hat, lässt sich am besten den Dienstausweis zeigen. Das korrekte Aussehen eines Dienstausweises kann man auf den Internetseiten der jeweiligen Landespolizei sehen. Aufmerksam sollte man auch bei Zivilfahrzeugen sein: Die Dienstwagen der Polizei sind meist keine seltenen oder ausgefallenen Fahrzeugmodelle. Insbesondere bei den Autobahnpolizeien sind es neue Modelle, da sie aufgrund der hohen Kilometerleistung schnell wieder getauscht werden müssen.
Gibt es signifikante Merkmale, Unterschiede zu einer echten Polizeikontrolle, die relativ schnell erkennen lassen, dass es eine gefakte Kontrolle ist?
Die richtige Polizei nutzt immer eine Signalanlage zum Anhalten von Fahrzeugen, oft kommt zusätzlich die Polizeikelle zum Einsatz. Außerorts setzt sich der Streifenwagen stets vor das Fahrzeug und lotst es zu einer sicheren Kontrollstelle. Die Beamten tragen entweder Uniform oder legitimieren sich mit ihrem Dienstausweis. Die Polizei teilt immer zuerst den Grund mit, warum das Fahrzeug angehalten wurde, und verlangt dann den Führerschein, den Fahrzeugschein und einen Personalausweis. Im Anschluss folgt eine Belehrung über die Rechte des Angehaltenen, der Verstoß sowie die Konsequenzen werden erläutert.
Die Daten der Angehaltenen werden stets per Funk oder mit einem anderen System überprüft. Insgesamt dauert eine richtige Kontrolle ihre Zeit, und es geht nicht sofort um Geld.
Wie hoch sind bei einer echten Polizeikontrolle Bußgelder, die sofort gezahlt werden müssen?
Bei einer Geldbuße wird diese vor Ort nur bis zu einem Wert von 55 Euro gegen eine Quittung kassiert. Lediglich bei Kraftfahrern ohne festen Wohnsitz in Deutschland kann eine Sicherheitsleistung erhoben werden. Dies geschieht jedoch mit einem speziellen
Formular und meist per EC-Karte oder Kreditkarte. Anzeigen über 55 Euro werden in der Regel schriftlich gestellt. Der Betroffene wird dazu angehört. Eine Zahlungsaufforderung kommt anschließend grundsätzlich per Post von der jeweiligen Bußgeldstelle.
Sind Sie schon einmal „falschen Kollegen” begegnet? Wie verlief das Aufeinandertreffen?
Täter, die mit einem falschen Blaulicht auf der Autobahn gerast sind und sich so Platz auf der linken Fahrspur ergaunert haben, habe ich schon des Öfteren angehalten. Richtige Betrüger, also „falsche Polizisten“, habe ich bisher nur einmal erlebt. In diesem Fall konnten wir das Fahrzeug nach der Beschreibung eines Opfers erkennen und den Täter festnehmen. Er hat zwar intensiv versucht, sich aus der Sache herauszureden, die Beweise waren jedoch zu eindeutig.
Welche Aktionen starten Sie, um die Bevölkerung zu warnen, sobald klar ist, dass wieder vermehrt Betrüger unterwegs sind, die versuchen, sich bei angeblichen Polizeikontrollen zu bereichern?
Zunächst versucht die Polizei, solche Betrüger über die eigene Fahndung zu erwischen. Die Opfer können die Täter und das Fahrzeug meist gut beschreiben. Die Bevölkerung wird zunächst über eine Pressemitteilung über den Betrugsfall informiert. Weitere Möglichkeiten wären, falls die Fahndung zunächst erfolglos bleiben würde, eine Öffentlichkeitsfahndung, Meldung über die „hessenWARN“- App, eine Rundfunkwarnmeldung, Präventionsgespräche auf Rastanlagen oder eine Berichterstattung zusammen mit den lokalen Medien.
Die App hessenWARN ist die offizielle „Warn-App“ des Landes Hessen. Sie bietet Gefahren und Katastrophenwarnungen verschiedener hessischer Landes- und Bundesbehörden aus einer Hand. Die App ist kostenfrei und kann über den Google Play Store oder den Apple App Store heruntergeladen werden.
Darf man bei einem Verdacht auf eine „falsche Polizeikontrolle” wegfahren und die Kontrolle verweigern?
Wer einen Verdacht hat, dass es sich um eine falsche Polizeikontrolle handelt, darf nicht einfach wegfahren. Hier kann zunächst die Fahrertür vorsichtshalber geschlossen bleiben, auch die Fensterscheibe muss nicht komplett geöffnet werden. Bevor man selbst Personal- oder Fahrzeugdokumente aushändigt, verlangt man den Dienstausweis des kontrollierenden Beamten, besonders dann, wenn er nicht uniformiert ist. Bestehen immer noch Zweifel, kann der Notruf 110 gewählt und dort der Verdacht mitgeteilt werden. Wenn sich der Sachverhalt dann nicht aufklärt oder es gar zu einem Angriff auf das eigene Fahrzeug kommen sollte, kann man weggefahren. Hierbei sollte der Kontakt zum Notruf gehalten werden.
Im besten Fall wird/werden der/die Täter gefasst, welche Strafen kommen auf ihn/sie zu?
Der oder die Täter müssten sich wegen Amtsanmaßung, Betrug und eventuell Urkundenfälschung verantworten. Das kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu mehreren Jahren bestraft werden.
Welche Empfehlungen geben Sie auch den Unternehmen direkt, wie sie sich selbst und ihre Fahrer vor falschen Polizeikontrollen schützen können?
Sprechen Sie mit Ihren Fahrern über das Phänomen. Wer sich im Kopf auf so eine Situation vorbereitet, der wird nicht mehr überrascht. Es lohnt sich auch, einen Präventionsbeamten der örtlichen Polizei in die Spedition einzuladen. So kann ein echter Dienstausweis angesehen und eine Kontrollsituation durchgesprochen werden. Zudem haben viele Speditionen eine Notfallmappe für alle möglichen Situationen in den Fahrzeugen. Diese kann mit den Tipps zu falschen Kontrollen oder sogar Beispielbildern von Dienstausweisen ergänzt werden. Die Polizei unterstützt da gerne.
Gibt es eine Art Checkliste, die Unternehmen beispielsweise ihren Fahrern an die Hand geben können, damit sie sich vor falschen Polizeikontrollen schützen können?
Da falsche Kontrollen selten vorkommen, sollte zunächst immer von einer richtigen Kontrolle ausgegangen werden. Falls jedoch Zweifel aufkommen sollten, sind folgende Punkte zu beachten:
- Ist der vorgeworfene Verstoß nachvollziehbar/passt die Geldbuße zum Verstoß?
- Im Zweifel rufen Sie die Polizei unter der Notrufnummer 110 an und
- überprüfen Sie, ob es sich wirklich um Polizisten handelt. Meist schlägt das die Täter bereits in die Flucht.