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Der nächste Urlaub steht vor der Tür – immer wieder kommt es dabei zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmern. Wir wollen Ihnen in dieser Ausgabe einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten bezogen auf das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geben.
Ihre Fragen – unsere Antworten
Haben auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaub?
Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (§ 1BUrlG). Arbeitnehmer i. S. des BUrlG sind Arbeiter, Angestellte, Auszubildende und Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, zum Beispiel Heimarbeiter (§ 2 BUrlG). In welchem Umfang der Arbeitnehmer beschäftigt wird, spielt keine Rolle. Urlaubsberechtigt sind daher auch Beschäftigte auf 450 Euro-Basis und andere Teilzeitkräfte.
Für die Zeit des Urlaubs erhält der Arbeitnehmer, und zwar gem. § 11 Abs. 2 BUrlG im Voraus, seine bisherige Vergütung fortgezahlt (sog. Urlaubsentgelt). War die Vergütung in der Vergangenheit nicht konstant, berechnet sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen (§ 11 Abs. 1 BUrlG mit weiteren Einzelheiten zur Berechnung).
Hinzu kommt Urlaubsgeld, falls ein solcher Anspruch nach dem Arbeitsvertrag oder einem einschlägigen Tarifvertrag besteht oder alle im Betrieb Urlaubsgeld bekommen.
Welche besonderen Urlaubsregeln gibt es für schwerbehinderte Arbeitnehmer?
Schwerbehinderte Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 haben Anspruch auf Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen (§ 208 Sozialgesetzbuch IX). Der GdB wird auf Antrag amtlich festgestellt. Wenn die Schwerbehinderung anerkannt ist, wird den betreffenden Personen ein Ausweis ausgestellt, auf dem der Grad der Behinderung vermerkt ist. Dieser amtliche Ausweis dient als Nachweis der Behinderung und kann beim Arbeitgeber vorgelegt werden.
Gleichgestellte behinderte Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf benannten Zusatzurlaub (§ 151 Abs. 3 SGB IX).
Entstehen Urlaubsansprüche auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat?
Hauptanwendungsfall sind natürlich Zeiten der Erkrankung des Arbeitnehmers. Diese haben, zumindest auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch, keine Auswirkungen. Kürzungsmöglichkeiten bestehen nicht. Eine Ausnahme besteht bei sogenannten langandauernden Erkrankungen. Diesbezüglich hat der EuGH entschieden, dass entsprechende Urlaubsansprüche 15 Monate nach der Beendigung des Urlaubsjahres verfallen.
Etwas anderes gilt für den übergesetzlichen Urlaub. Hier sind die Parteien frei zu vereinbaren, ob dieser bei Erkrankungen des Arbeitnehmers gekürzt werden kann. Darüber hinaus gelten etwa Zeiten in denen Arbeitnehmerinnen einem Beschäftigungsverbot
unterliegen oder sich im Mutterschutz befinden als Beschäftigungszeiten (§ 24 Mutterschutzgesetz). Während der Elternzeit kann
der Urlaub jedoch um ein Zwölftel je Monat gekürzt werden (§ 17 Abs. 1 S. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz).
Darf der Arbeitgeber vorgeben, wann Arbeitnehmer Urlaub nehmen müssen?
Grundsätzlich nein. Der Arbeitgeber muss den Jahresurlaub in der Regel nach den Wünschen der Arbeitnehmer gewähren, so § 7 Abs. 1 BUrlG. Ausnahmen gelten nur dann, wenn dringende betriebliche Belange (§ 7 Abs. 3 BUrlG) oder das Berücksichtigen sozialer Aspekte anderer Arbeitnehmer dem Urlaubswunsch Einzelner entgegenstehen. So können beispielsweise während der Sommerferien Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern Vorrang haben. Dann kann der Urlaubsantrag im Einzelfall verweigert werden, ansonsten aber nicht.
Unter Umständen kann der Arbeitgeber jedoch Betriebsferien für den gesamten Betrieb oder Betriebsteile anordnen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass den Arbeitnehmern ein angemessener Teil des Jahresurlaubsanspruches (min. 40 %) zur freien Verfügung verbleibt.
Umstritten war früher, ob der Arbeitgeber von sich aus aktiv werden und den Urlaub einseitig festlegen und erteilen muss, wenn der Arbeitnehmer untätig bleibt und keinen Urlaub beantragt.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dies früher verneint und sich auf den Gesetzes wortlaut gestützt, wonach der Urlaub im Kalenderjahr „zu gewähren und zu nehmen“ ist (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Daraus folgerte das BAG, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch eigeninitiativ geltend machen musste.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Streitfrage anders und im Sinne der Arbeitnehmer entschieden: Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer zwar nicht zwangsweise in Urlaub schicken. Er muss diese aber von sich aus und so frühzeitig auf offene Urlaubsansprüche hinweisen (sog. Initiativlast), dass sie den Urlaub wahrnehmen können, bevor er verfällt (EuGH 6.11.2018 – C-684/16).
Bitte beachten Sie, dass ohne entsprechende Mitteilung des Arbeitgebers, der Urlaubsanspruch nicht mehr verfallen kann. Mitglieder des Fachverbandes Güterkraftverkehr und Logistik Hessen e. V. erhalten das entsprechende Musterschreiben über die Vereinigung des Verkehrsgewerbes Hessen e. V. unter der unten genannten Adresse.
Wieweit im Voraus muss der Arbeitnehmer seinen Urlaub beantragen?
Diesbezüglich gibt es keine gesetzlichen Fristen. Entsprechende Regelungen können sich aber aus dem Arbeits- / Tarifvertrag ergeben. Ansonsten greift das Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Darf sich der Arbeitnehmer selbst beurlauben?
Nein. Mag es auch zutreffen, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer den vertraglich zugesicherten oder zumindest den gesetzlichen Urlaub schuldet, ist der Arbeitnehmer dennoch unter keinen Umständen berechtigt, diese Schuld des Arbeitgebers durch eine Selbstbeurlaubung gleichsam einzutreiben. Entsprechendes Verhalten kann unter Umständen sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Kann ein Arbeitnehmer nach den ersten drei Monaten seiner Anstellung schon drei Wochen Urlaub nehmen?
Nein. Für den vollen Urlaubsanspruch muss der Arbeitnehmer mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt sein (§ 4 BUrlG). Vor Ablauf der Wartezeit hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf 1 / 12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.
Ein anteiliger Anspruch auf Urlaub besteht auch in der Probezeit, allerdings nur, wenn betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.
Darf der Arbeitnehmer während des Urlaubs bezahlten Tätigkeiten nachgehen?
Nein. Gemäß § 8 BUrlG darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit nachgehen.
Wie bestimmt sich der Urlaub bei mehreren Arbeitsverhältnissen?
Ist der Arbeitnehmer in mehreren Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt, entsteht gegenüber jedem Arbeitgeber ein eigenständiger Urlaubsanspruch. Der Arbeitnehmer darf also Urlaub nehmen und gleichzeitig woanders arbeiten, ohne dass ihm dies als dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit i.S. des § 8 BUrlG verboten werden darf.
Denn die Teilzeitarbeit hat er dann nicht während oder für die Zeit des Urlaubs aufgenommen. Bei aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen sieht die Sache anders aus. Der Arbeitnehmer erwirbt den Urlaubsanspruch in jedem Urlaubsjahr nur einmal.
Um Doppelansprüche auszuschließen, bestimmt § 6 Abs. 1 BUrlG, dass ein Anspruch auf Urlaub nicht besteht, wenn und soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Auch Urlaubstage, die sein früherer Arbeitgeber abgegolten hat, muss sich der Arbeitnehmer im neuen Arbeitsverhältnis anrechnen
lassen. Zu Überschneidungen kann es nicht kommen, wenn der Arbeitnehmer im vorigen und im nachfolgenden Arbeitsverhältnis
wegen Nichterfüllung der Wartefrist nur Teilurlaubsansprüche erwirbt. Um Doppelansprüche beim alten und neuen Arbeitgeber auszuschließen, hat der alte Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten und abgegoltenen Urlaub auszuhändigen (§ 6 Abs. 2 BUrlG). Die Urlaubsbescheinigung muss
den Namen des Arbeitnehmers enthalten, die Dauer des Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr sowie die Zeiten des gewährten oder abgegoltenen Urlaubs. Dabei ist nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub abzustellen, sondern auf den tatsächlich erhaltenen Urlaubsanspruch.
Der Folgearbeitgeber kann also auch von einem höheren Urlaubsanspruch beim Vorarbeitgeber profitieren.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer während seines Urlaubs erkrankt?
Soweit der Arbeitnehmer die Krankheit mittels ärztlichen Zeugnisses nachweist, werden die Krankheitszeiten nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (9 BUrlG).
Werden Feiertage auf den Urlaub angerechnet?
Gesetzliche Feiertage, die in den Zeitraum des Urlaubs fallen, werden grundsätzlich nicht auf die Urlaubstage angerechnet. Übrigens gelten Heiligabend und Silvester nicht als Feiertage. Was ein gesetzlicher Feiertag ist, kann regional sehr unterschiedlich sein. Maßgeblich für das Arbeitsverhältnis ist der Ort, an dem die vertraglich vereinbarte Tätigkeit zu erbringen ist.
Muss der Arbeitnehmer während seines Urlaubes für den Arbeitgeber erreichbar sein?
Nein. Insofern hat das BAG entschieden, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, im Urlaub über Smartphone und Laptop
erreichbar zu sein. Ebenso ist er nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Urlaubsanschrift mitzuteilen.
Etwas anderes gilt in Zeiten der Corona-Pandemie. Zwar ist immer noch umstritten, ob der Arbeitnehmer das genaue Ziel seiner Reise mitteilen muss, eine Auskunftspflicht besteht, nach unserem Dafürhalten, aber mindestens dahingehend, ob er in ein Risikogebiet oder gar in ein Hochinzidenz oder Virusvariantengebiet reist.
Darf der Arbeitgeber gewährten Urlaub zurückziehen oder den Arbeitnehmer aus seinem Urlaub zurück beordern?
Nein. Einmal beantragter und gewährter Urlaub ist für beide Seiten bindend. Das heißt, weder der Arbeitnehmer kann den Urlaub, etwa wegen schlechten Wetters, zurückziehen, noch steht dem Arbeitgeber dieses Recht zu, weil beispielsweise die Auftragslage höher ist als erwartet. Eine Ausnahme kommt nach dem BAG nur bei „zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen“, in Betracht. Das ist jedoch nur bei echten Notfällen der Fall, etwa weil die Produktionsanlagen durch Feuer oder Hochwasser zerstört / beschädigt wurden und der Geschäftsbetrieb dadurch in der Existenz bedroht ist.
Bitte beachten Sie, dass abweichende Regelungen in Bezug auf Rückruf und Erreichbarkeit, mit Blick auf das BUrlG, unwirksam sind.
Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer verspätet aus dem Urlaub zurückkommt?
Hier kommt es darauf an, wer die Verspätung zu verschulden hat. Ist der Arbeitnehmer etwa zu spät abgereist, kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Passiert das häufiger, ist sogar eine Kündigung möglich. Wurden der Arbeitnehmer
dagegen Opfer eines Streiks oder höherer Gewalt, zum Beispiel Erdbeben oder Vulkanausbruch, muss der Arbeitgeber ihn für die ausgefallenen Tage kein Gehalt zahlen, kann aber auch nicht abmahnen.
Kann der Arbeitnehmer sich den Urlaub auszahlen lassen?
Hier muss genau zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglich vereinbartem Zusatzurlaub differenziert werden.
Für den gesetzlichen Mindesturlaub (24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche) gilt, dass dieser der Erholung dient und folglich als Freizeit genommen werden muss. Und zwar laut Gesetz sogar mindestens zwei Wochen am Stück. „Geld statt Erholung“ widerspricht dem Gedanken des BUrlG. Daher ist es nicht möglich, sich den Urlaub auszahlen zu lassen, es sei denn, der Urlaub
kann aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder zum Teil nicht gewährt werden (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Die Behandlung des übergesetzlichen Urlaubes steht wiederum zur Disposition der Vertragsparteien und kann, auf Wunsch des Arbeitnehmers, ausgezahlt werden. Hierbei sollte aber eindeutig dokumentiert werden, dass die Auszahlung lediglich den übergesetzlichen Urlaub betrifft.
Bitte beachten Sie, dass sich die genannten Antworten auf die grundsätzliche Rechtslage nach dem Bundesurlaubsgesetz
beziehen. Im Einzelfall kann die Rechtslage, je nach (tarif-) vertraglicher Vereinbarung, abweichen.
Kontaktdaten
Nähere Auskünfte zu diesem Thema und weiteren Fragen des Arbeits- und Sozialrechts erhalten Mitglieder des Fachverbandes
Güterkraftverkehr und Logistik Hessen e. V. kostenfrei durch die Vereinigung des Verkehrsgewerbes Hessen e. V, Geschäftsstelle
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