Credit: Robert Kneschke

90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Wenn die erfahrenen Pioniere in den Ruhestand gehen, entsteht eine spezielle Form des Fachkräftemangels. Wie der Generationenwechsel gelingt, erklären die Experten der Beratungsgesellschaft Conves.

Unaufhaltsam rollt der demografische Wandel auf Unternehmen zu – und er trifft sie doppelt hart:
Eine ganze Generation erfahrener Führungs- und Fachkräfte zieht sich aus dem Berufsleben zurück. Diese hinterlassen nicht nur Lücken in der Unternehmensführung, sondern auch operative Herausforderungen auf jeder Ebene – vom Top-Management bis zur Teamleitung und den Fachabteilungen.
Wichtige Erfahrung, Fachwissen und Werte drohen verloren zu gehen. Doch das Ende einer Ära muss kein Risiko sein. Der Generationenwechsel bietet auch die Chance, Organisationen strategisch weiterzuentwickeln und Innovationspotenziale zu heben. Wie das gelingt? Fünf Maßnahmen helfen dabei.

1. Den Generationenwechsel rechtzeitig vorbereiten

Die Vorbereitung auf den Generationenwechsel ist keine Aufgabe für später – sie ist ein dringendes strategisches Muss. Viele Unternehmen unterschätzen, wie viel Zeit ein erfolgreicher Generationenwechsel tatsächlich erfordert. Besonders in familien- oder inhabergeführten Unternehmen herrscht oft die Illusion, man habe „noch Zeit“.
Doch tatsächlich braucht ein sauberer Übergang oft drei bis fünf Jahre – je nach Größe und Komplexität des Unternehmens sogar länger. In dieser Zeit müssen potenzielle Nachfolger nicht nur in der Unternehmensführung, sondern auch auf Team- und Abteilungsebene identifiziert und gezielt aufgebaut werden.

2. Netzwerke und unkonventionelle Wege nutzen

Die ideale Lösung für den Generationenwechsel sitzt nicht immer im eigenen Unternehmen – und auch nicht immer in der Familie. Klassische Pfade wie interne Beförderungen oder die Suche über Stellenanzeigen greifen zu kurz. Unternehmen müssen auf allen Ebenen ihre Suchstrategien neu denken: vom Management bis zur operativen Führung.

  • Interne Talentpools: Hier geht es nicht um klassische „Beförderungslisten“, sondern darum, Potenziale früh zu erkennen und gezielt weiterzuentwickeln – unabhängig von aktuellen Positionen. Das bedeutet, Talente bereits auf unteren Ebenen zu identifizieren und mit Entwicklungsprogrammen gezielt aufzubauen.
  • Externe Netzwerke: Ein neuer Blickwinkel kann entscheidend sein. Branchenübergreifende Netzwerke wie Junior Chamber International (JCI) oder Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) bieten Zugang zu Nachwuchsführungskräften, die nicht zwingend aus der eigenen Branche stammen, aber durch frische Impulse Mehrwert schaffen können.
  • Unkonventionelle Ansätze: Lösungen wie „Interim Leadership“ können dabei helfen, Übergangsphasen zu überbrücken und gleichzeitig neue Dynamik in die Organisation zu bringen.

3. Erfahrung bewahren und Werte weitergeben

Mit dem Abgang erfahrener Mitarbeitender droht nicht nur wichtiges Fachwissen verloren zu gehen, sondern auch das Verständnis für gewachsene Strukturen, Kundenbeziehungen und die Unternehmenskultur. Um das zu verhindern, braucht es gezielte Strategien.

  • Cross-Mentoring-Programme: Erfahrene Mitarbeitende geben Wissen an jüngere Talente weiter – und umgekehrt. Dieses wechselseitige Lernen fördert nicht nur den Informationsfl uss, sondern auch das Verständnis zwischen den Generationen.
  • Peer Learning: Generationsübergreifende Teams arbeiten gemeinsam an Projekten. Dabei wird bewusst Erfahrung mit neuen Perspektiven kombiniert, um Wissen weiterzugeben und gleichzeitig Innovation zu fördern.
  • Up- und Reskilling: Der Generationenwechsel ist nicht nur eine Wissens-, sondern auch eine Kompetenzfrage. Digitale Trainingsformate und interaktive Learning Journeys helfen dabei, Expertise zu vertiefen und Mitarbeitende auf neue Rollen vorzubereiten.

4. Wandel durch Transparenz gemeinsam tragen

Der Generationenwechsel betrifft nicht nur die Geschäftsleitung, sondern die gesamte Organisation – von der Führungsebene bis zur operativen Umsetzung. Mitarbeitende erleben diesen Übergang mit – und genau hier entscheidet sich, ob der Wandel gelingt oder auf Widerstand stößt.

  • Transparente Kommunikation: Offene Gespräche über die Ziele und Herausforderungen des Wandels schaffen Vertrauen und reduzieren Unsicherheiten.
  • Aktive Einbindung: Mitarbeitende sollten nicht nur informiert, sondern aktiv beteiligt werden – etwa durch Feedback-Runden, Ideensprints oder Projektteams, die die Weiterentwicklung auf Abteilungs- und Teamebene mitgestalten.
  • Führung auf allen Ebenen stärken: Der Wandel gelingt, wenn Führung nicht nur von oben vorgegeben wird, sondern auch auf Teamebene gelebt wird. Durch gezielte Führungskräftetrainings und die Etablierung von Verantwortung in der zweiten Führungsebene können Mitarbeitende die Veränderung aktiv mitgestalten.

5. Strategische Kontinuität sichern, Innovationspotenziale nutzen

Ein Generationenwechsel bedeutet nicht nur der Erhalt des Bestehenden, sondern bietet die Chance, neue Impulse auf allen Ebenen zu setzen – von der Strategieentwicklung bis zur operativen Umsetzung. Jüngere Generationen bringen oft technologische Affinität, frische Ideen und Innovationsgeist mit. Unternehmen sollten diese Stärken gezielt fördern.

  • Vision und Strategie: Der Generationenwechsel muss in eine langfristige Vision eingebettet sein, die sowohl Werte bewahrt als auch Raum für Weiterentwicklung lässt. Hier kann es sinnvoll sein, die junge Generation aktiv in die Strategieentwicklung einzubinden, um Perspektiven zu erweitern und Innovation voranzutreiben.
  • Technologie als Enabler: Der Einsatz von Automatisierung, KI und digitalen Tools kann genutzt werden, um den Wandel operativ zu unterstützen und Produktivität zu steigern.
  • Innovationsprojekte: Junge Führungstalente können gezielt an Projekten arbeiten, die Technologie und Prozesse weiterentwickeln. Beispielsweise kann die Einführung eines digitalen Lagerverwaltungssystems oder die Automatisierung von Auftragsprozessen unter der Führung junger Talente erfolgen, um Innovationskraft und praktische Führungserfahrung zu kombinieren.

Den Generationenwechsel als strategische Chance nutzen

Der Generationenwechsel ist unausweichlich – aber er muss kein Risiko sein. Unternehmen, die frühzeitig planen, unkonventionelle Wege gehen, Wissen sichern und Innovation zulassen, schaffen nicht nur Kontinuität in der Unternehmensführung, sondern auch Stabilität auf operativer Ebene – und legen die Basis für eine starke, zukunftsfähige Organisation

Share