Credit: privat

Vor den Toren Fuldas befindet sich der Firmensitz der Spedition Herzig. Neben 27 Männern gehören drei Frauen zum Team. Eine davon ist Victoria Herzig, 35 Jahre alt und Geschäftsführerin. Fremdsprachenassistentin wollte sie werden. Ihre Leidenschaft zu
Reisen mit dem Job verbinden. Ferne Länder und fremde Kulturen kennenlernen. Statt Mexiko-City nun also Eichenzell. Statt Übersetzungen ins Spanische nun Verhandlungen mit italienischen Geschäftspartnern.

Bevor es Herzig damals in die Ferne lockte, hospitierte sie nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin noch im elterlichen Betrieb und durchlief verschiedene Bereiche. Schnell stellte sie fest:
Die Aufgaben in der Transportbranche sind vielseitig. Und so entschied sich Herzig im Alter von 21 Jahren doch für die Mitarbeit im Familienunternehmen. Um ihr Wissen zu vertiefen, absolvierte die Osthessin eine weitere Ausbildung – die zur Speditionskauffrau. Außerdem studierte sie nebenberuflich und erwarb den Abschluss zur Diplom-Logistikerin. Statt Fremdsprachenassistentin nun also Geschäftsführerin. „Das war anfangs nicht immer leicht“, räumt Herzig ein. Doch nach und nach entwickelte sie Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, um die Leitungsaufgaben souverän zu meistern. Peu à peu hat die gelernte
Fremdsprachensekretärin Aufgaben in der Spedition übernommen. Mit 29 Jahren wurde sie schließlich auch formal Geschäftsführerin an der Seite ihres Vaters Claus-Oscar Herzig.

Anfangs holte sich die Tochter noch häufig Rat beim Senior. „Ich konnte meinen Vater in der Anfangsphase bei sämtlichen wichtigen Gesprächen mit Partnern, Kunden und Lieferanten begleiten“, so Herzig dankbar über den Senior, der sich mehr und mehr aus dem Management zurückzieht. Darüber hinaus lernte sie viel von der Expertise erfahrener Kollegen, kommunizierte intensiv und setzte auf Weiterbildung. Herzig besuchte Seminare und Schulungen, las und recherchierte umfassend. Die
Themenliste war und ist lang. Vom Mindestlohn (mit Blick auf Subunternehmer) über das Immobilien- und Mietrecht bis zum Gasvertrieb spannt(e) sich der Bogen.

Die Zukunft ist wertschätzend

Bereits in der vierten Generation führt Herzig den Familienbetrieb. Die Familientradition fortzuführen, gibt und gab ihr stets viel Motivation. Als erste Frau an der Spitze des Unternehmens bringt sie neuen Schwung mit. In dem von Truckern geprägten Wirtschaftszweig geht es manchmal durchaus etwas rauer zu. Das möchte sie ändern. Ihren Großvater habe Herzig als recht energisch und „gelegentlich auch etwas lauter“ wahrgenommen. Ob sie denn anders führt als ihre Vorgänger?

Wertschätzung steht ganz oben auf meiner Agenda!
Ich begegne den Menschen wertschätzend. Und erwarte das aber auch
von meinem Gegenüber

Über Fragen zur Unternehmensführung tauscht sich Herzig häufig mit Kollegen und Kolleginnen aus der Branche aus. Und wer führt in ihren Augen besser: Frauen oder Männer? Von der Unterscheidung nach Geschlecht oder Altersgruppe hält Herzig wenig.
„Ich unterscheide zwischen guter und weniger guter Führung“. Deshalb steht sie dem Thema „Frauenquote“ auch kritisch gegenüber: „In meinen Augen macht diese Quote nur Sinn, wenn ein männlicher Bewerber und eine weibliche Bewerberin nahezu identische Qualitäten mitbringen. Das kommt jedoch eher in großen Unternehmen und Konzernen vor.“

Facebook statt Tageszeitung

Dass sich die Zeiten nicht nur hinsichtlich des Führungsstils geändert haben, zeigt sich auch in anderen Bereichen. Ob neue Software bei Abrechnungsprogrammen oder Personalsuche: Victoria Herzig setzt auf Digitalisierung. So wird heutzutage verstärkt auf Social-Media-Plattformen wie Facebook oder der Trucker-Börse nach Personal gesucht.
Auch das Thema Marketing hat Herzig angepackt: Auf das neu kreierte
Firmenlogo, welches Tradition und Moderne verbindet, ist sie sehr stolz.

Vom Pferde- zum LKW-Fuhrpark

Was 1914 mit einem Pferdefuhrwerk begann, hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem modernen Betrieb entwickelt. 20 Lkw zählt der Fuhrpark. Neben der reinen Speditionstätigkeit, die Transporte nach Italien sowie innerhalb Deutschlands umfasst, zählt das Unternehmen fünf weitere Geschäftszweige: Lager, Waschstraße, Tankstelle, Gasvertrieb und Immobilien-Management. Perspektivisch möchte die Geschäftsführerin die Transportaktivitäten auf weitere Märkte im Ausland ausdehnen. Und so schließt sich der Kreis: Mit ihren umfangreichen Fremdsprachenkenntnissen wird diese Vision für Herzig zur Herzensangelegenheit.

Ehrenamt ist Ehrensache

In ihrer knappen Freizeit engagiert sich Herzig ehrenamtlich in Verbänden und Organisationen. Im Vorstand des Fachverbandes ist sie ebenso aktiv, wie im SVG-Aufsichtsrat. Als stellvertretende Vorsitzende führt die Power-Frau den PR-Ausschuss des BGL und wirkt im Arbeitskreis der dortigen Junioren mit. Der Erfahrungsaustausch ist für sie unbezahlbar. Mit diesem Engagement wandelt sie auf den Spuren ihres Vaters, der sich in Spitzenzeiten an bis zu 15 Aufgaben ehrenamtlich eingebracht hatte. Herzig unterstreicht: „Das macht mir Spaß, bringt mich mit interessanten Leuten zusammen, fördert eine gute Vernetzung und ermöglicht im Bedarfsfall rasch die richtigen Kontakte.“

Energie tanken bei frischer Luft

Um sich fit zu halten, schwimmt die Osthessin oder fährt Inline-Skates. Das macht den Kopf frei. Gern liest sie Romane und ist im Garten aktiv. „Im vergangenen Jahr habe ich mir ein kleines Kräuterbeet angelegt“, berichtet sie. Zudem ist die Leidenschaft für ferne Länder und fremde Kulturen natürlich geblieben. Teile Asiens sowie auch Russlands sind noch weiße Flecken auf ihrer persönlichen Landkarte. Aber das soll sich bald schon ändern.

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