Credit: Robert Grischek

Kriminelle fügen der Transportbranche jährlich Milliardenschäden zu – durch Diebstahl von Ladung und Kraftstoff . Dem hat das Start-up Konvoi jetzt den Kampf angesagt. Mit kluger Technik will das Unternehmen aus Hamburg für mehr Sicherheit im Fernverkehr sorgen.

Sie knacken Schlösser, schlitzen Planen auf oder überfallen Fahrer. Abgesehen haben es die Kriminellen auf hochwertige Elektronik
oder Alkohol, auf Diesel, manchmal sogar auf ganze Fahrzeuge. Die körperlichen und seelischen Auswirkungen auf Fahrer, die Opfer von Lkw-Piraterie werden, sind kaum zu beziff ern. Für alles Übrige gibt es konkrete Zahlen: „Allein die Warenschäden
durch Lkw-Überfälle belaufen sich in Deutschland auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Und das macht nicht an Grenzen halt, sondern ist ein europaweites Problem.“ Sagt einer, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und dafür bei Speditionen und Fahrern, aber auch Versicherern und Kriminalisten recherchiert hat:

Heinz Luckhardt ist Mitgründer des Start-ups Konvoi aus Hamburg. „Wir reden hier von organisiertem Verbrechen. Und von einer Situation, in der mancher Fahrer sagt: ,Mir wird das so langsam zu gefährlich‘.“ Deshalb ist das Ziel des 29-Jährigen und seinen ähnlich jungen Mitstreiter:innen Divya Settimali und Alexander Jagielo klar definiert: mehr Sicherheit im Fernverkehr!
Das wollten vor den beiden Wirtschaftsingenieuren und der Spezialistin für Automotive Software
Engineering schon andere erreichen. „Aber deren Methoden wie zum Beispiel extrasichere Schlösser, verstärkte Planen und Wände waren aus dem vorigen Jahrhundert“, sagt Alexander Jagielo, dessen Vater und Onkel ein Transportunternehmen führen. Das hilft ihm enorm dabei, die Branche zu verstehen.

Was Konvoi anders macht? Den Kriminellen nicht nur das Handwerk erschweren, sondern sie schon vor der Tat abschrecken. Und dabei Daten sammeln, aus denen sich fundierte Gefahrenanalysen erstellen lassen, von denen die Branche profitiert.
Klappen soll das mit einem System, das die Gründer:innen und ihr inzwischen zehnköpfiges Team aus Software-Entwickler:innen sowie Data-Science- und Maschinenbau-Ingenieur:innen seit Oktober 2020 auf die nun erreichte Marktreife getrimmt haben. Luckhardt wiegt einen hellgrauen Kasten von der Größe eines Schuhkartons in der Hand – sein Platz ist der Unterboden des Lkw-Aufliegers. Hinzu kommen zwei kleinere Kästen, die rechts und links am Aufl ieger montiert werden. Sieht unspektakulär aus, hat es aber in sich. Der größere Kasten enthält unter anderem GPS- und LTE-Module. Das Herz des Systems sind die beiden kleineren Kästen. „Darin stecken je zwei Radarsensoren, mit denen wir den Nahbereich zu beiden Seiten des Lkw und am besonders gefährdeten Heck überwachen.“

Wir haben eine Situation, in der mancher Fahrer sagt:
Mir wird das so langsam zu gefährlich.

Bewegt sich im überwachten Bereich etwas, nehmen die Sensoren das in Echtzeit wahr. Eine Kamera ist dabei nicht im Spiel. Anhand von Algorithmen wird blitzschnell die Größe des Objekts errechnet, das sich da bewegt, seine Geschwindigkeit und die
Bewegungsrichtung. „Je nachdem, wie diese Daten aussehen, kann in Sekundenbruchteilen eskaliert und genauso schnell wieder
deeskaliert werden“, erklärt Heinz Luckhardt das System, das sich vor dem Marktstart bei mehreren mittelständigen Speditionen im Piloteinsatz bewährt hat und auf stetige Weiterentwicklung ausgelegt ist.

Intelligentes System

Wie geht das auf dem Autobahnparkplatz, wo Kriminelle lauern könnten, vor sich? Ein Beispiel: Hat ein Pkw-Fahrer seinen Hund
von der Leine gelassen, und streunt der Vierbeiner in Richtung Lkw, erkennt das System: zu klein für einen Menschen, keine Gefahr! Folgt der Pkw-Fahrer dem Hund, wird er mit gewisser Wahrscheinlichkeit zunächst als potenzieller Eindringling gewertet: Ein Lichtsignal springt an. Passiert der Hundehalter dann aber den Lkw, verschwindet das Lichtsignal wieder.
Schleicht sich dagegen ein Krimineller an und kommt dem Lkw immer näher, wird aus dem Licht- schnell ein akustisches Warnsignal. Als Nächstes kann, je nach Konfiguration, der Fahrer alarmiert werden – und zugleich der Disponent in seiner Spedition.
„Aber wir sind überzeugt: In den meisten Fällen müssen wir gar nicht so weit eskalieren, weil die Kriminellen bis dahin das Weite gesucht haben“, sagt Jagielo. „Eines unserer wichtigsten Ziele ist, dass der Fahrer nicht erst eingreifen und sich womöglich in Gefahr
bringen muss.“ Ebenso großes Gewicht legen die jungen Unternehmer:innen aufs Datensammeln. „Sie werden in eine Cloud-Datenbank übermittelt“, erklärt Luckhardt. So ergibt sich ein immer präziseres Bild davon, wie die Kriminellen vorgehen, zu welchen Uhrzeiten und wo sie zuschlagen – und wie sie ihre Vorgehensweisen mit der Zeit anpassen. „Bislang sagen uns
die Schadensdaten nur recht grob: Deutschland und Großbritannien sind Schwerpunkte für Lkw-Überfälle.“ Aber je länger und an
je mehr Lkw das System genutzt wird, desto genauere Aussagen sind möglich. Etwa über besonders gefahrenträchtige Parkplätze.

Auf dieser Grundlage könnten deren Betreiber ihre Sicherheitskonzepte anpassen oder Speditionen ihre Routenplanung überarbeiten.

Service pro Monat und Fahrzeug

Transportunternehmen ab einer Flotte von etwa 50 Trucks sowie Speditionsverbünde bilden denn auch den Fokus der Kunden-Akquise. „Wir verkaufen unsere Dienstleistung unter dem Schlagwort ,as a service‘ pro Monat und Fahrzeug“, sagt Heinz Luckhardt. Er ist bei Konvoi für die Geschäftsentwicklung mitsamt
Pricing verantwortlich. Die beiden anderen treiben die Produktentwicklung voran. Weitere potenzielle Kunden sind Auflieger-Hersteller oder auch Versicherer. „Im Idealfall finden wir einen Hersteller, der unser System ab Werk verbaut“, sagt Luckhardt und skizziert damit eine der großen Hoffnungen der Gründer für die weitere Entwicklung ihres Start-ups.

Die Ursprünge des Unternehmens liegen an der Technischen Universität Hamburg. Dort haben Heinz Luckhardt und Alexander Jagielo gemeinsam studiert, Jagielo hat zudem an einem Forschungsprojekt zum Thema LkwÜberfälle mitgearbeitet. Da war der Schritt in die Selbstständigkeit irgendwann folgerichtig – zumal die Jungunternehmer unter anderem das Gründerstipendium Exist in Anspruch nehmen konnten. Die dritte im Bunde, die aus Indien stammende Divya Settimali, hat ihren Abschluss in Automotive Software Engineering in Chemnitz gemacht. „Wir haben sie mitten in der Corona-Phase per Online-Ausschreibung gefunden.“ Das Team ist international, seit day one ist Englisch die Unternehmenssprache.
Mit Blick auf den Standort ist das Start-up klassisch unterwegs: „Wir sitzen alle in Hamburg“, sagt Jagielo. „Das hat den Grund, dass
wir intensiv mit unserer Hardware arbeiten müssen.“ Auch bei der Namenswahl haben die sonst so vorwärtsgewandten Gründer:innen in die Vergangenheit geschaut: Konvoi leitet sich vom alten französischen Begriff convoi ab: „schützendes Geleit“. „Schon zu Zeiten der Hanse waren Handelsschiff e als Konvois unterwegs, um besser gegen Piratenangriffe gewappnet zu sein“, sagt Heinz Luckhardt und fügt augenzwinkernd hinzu: „Den gleichnamigen Trucker-Film kennen wir natürlich auch.“

HK 100


Konvoi hat, ebenso wie die Kollegen von CO2OPT, einen Platz im HK100, einem Co-Working-Space speziell für Logistik-Start-ups.
Dessen großer Vorzug liegt, neben seiner hervorragenden Büro-Infrastruktur, vor allem in der Möglichkeit für die jungen Unternehmen, sich miteinander zu vernetzen und voneinander zu lernen.

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