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Hallo Herr Steinberg, wo erreiche ich Sie gerade?
Sie erreichen mich im Büro, besser gesagt im Homeoffice, da wir die coronabedingten Einzelbesetzungen der Büros noch immer nicht ganz aufgehoben haben. Aber wenn ich nicht gerade Termine habe, dann bin ich auch viel unterwegs.
Die Edgar Graß Spedition blickt auf eine lange Firmengeschichte zurück. 2009 wurden Sie zum Geschäftsführer berufen – was hat sich seitdem verändert?
Als ich begonnen habe, hatte ich quasi keine Berufserfahrung, schon gar nicht als Führungskraft. Da war es zunächst nicht mein Ziel zu verändern, sondern weiterhin das gutzumachen, was bereits gut war.
Mittlerweile hat sich natürlich einiges verändert. Wir sind weiterhin substanziell gewachsen, haben einen zweiten Betriebssitz in der Nähe unseres Hauptkunden, der Firma Schaefer Kalk in Hahnstätten. Aber auch die äußeren Einflüsse sind gänzlich andere: Heute stehen wir vor Problemen im Personalbereich, gefolgt von Energiefragen.
Wie sieht Ihr Werdegang aus – über welche Stationen kamen Sie zu Edgar Graß?
Wie eben schon gesagt, ich bin mit wenig Berufserfahrung gestartet. So vielfältig waren die Stationen in meinem Berufsleben gar nicht. Nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann und einem Studium in Heilbronn im Studienfach Verkehrsbetriebswirtschaft war ich in der Unternehmensberatung bei der SVG-Zentrale. Und mit diesem Fundament konnte ja gar nichts mehr schiefgehen.
Sie haben 2018 große Teile Ihres Fuhrparks, nämlich 48 von 70 Fahrzeugen, auf Flüssiggas umgestellt, dazu sogar 2021 eine eigene Tankstelle gebaut. Inzwischen sind die Gaspreise „explodiert“ – wie arbeiten Sie zurzeit? Ist dieser Schritt einer, den Sie inzwischen bereuen?
Ja, das ist korrekt, ich habe 2018 begonnen umzustellen und dann immer entsprechend der wachsenden Tankinfrastruktur weiter auf diese politisch gewollte Technik umgestellt. Knapp 50 Fahrzeuge sind nun im Einsatz, zehn weitere neue stehen noch beim Händler. Von den 50 im Einsatz befindlichen Fahrzeugen stehen wegen der enorm hohen Gaspreise derzeit etwa die
Hälfte auf dem Hof. Wir haben also eine Rolle rückwärts gemacht und sind jetzt wieder vermehrt mit Dieselfahrzeugen unterwegs. Ich finde das aus ökologischer und ökonomischer Sicht eine sehr traurige Entwicklung.
Was sind momentan Ihre vordergründigen Themen, die Sie über die Gas- und Spritpreise hinaus beschäftigen?
Von den Kosten und der Verfügbarkeit von Energie mal abgesehen ist es ganz klar das Personalthema. Wir benötigen, wie wahrscheinlich die meisten Unternehmen, Personal in allen Bereichen. Vom Fahrer spricht zwar jeder, aber auch in anderen gewerblichen Bereichen, in der Werkstatt oder auch im administrativen Bereich fehlt Personal. Während
man früher noch mit Neukunden-Akquise beschäftigt war, muss man heute überlegen, wie man einem Kunden mitteilt, dass man einen Auftrag womöglich nicht übernehmen kann. Und ich finde, in diese Erklärungen sollte man auch Energie stecken. Denn ich gehe stark davon aus, dass sich die Verhältnisse auch wieder ändern werden.
Welche konkreten Forderungen haben Sie an die Politik?
Hier bin ich fast verleitet, die Gegenfrage zu stellen, ob es sich lohnt, sich über politische Forderungen überhaupt Gedanken zu machen. Ich bin derzeit von dem politischen Handeln sehr enttäuscht. Obwohl „Handeln“ der falsche Begriff ist. Ich sollte lieber Vokabeln wie „Aussitzen“ oder „Abwarten“ verwenden. Gerade ich als LNG-Flottenbetreiber stecke gegenwärtig in einem Dilemma, in das mich der Staat gelotst hat. Und anstatt nun für eine Wettbewerbsgleichheit zu sorgen, werden Maßnahmen umgesetzt, die die Spannung noch verschärfen.
Auf der einen Seite heißt es: Wir müssen unsere Klimaschutzziele bis 2030 erreichen – auf der anderen Seite ist das in der momentanen Situation kostenmäßig für diejenigen ein Ding der Unmöglichkeit, die bereits auf alternative Antriebstechnologien, wie zum Beispiel LNG, gesetzt haben. Wie sehen Sie das?
LNG wäre nicht der alleinige Retter gewesen. Und solange wir nicht mit Biomethan unterwegs sind, ist der Vorteil zu konventionellem Diesel nicht ausreichend und das Potenzial von LNG-Fahrzeugen nicht ausgeschöpft. Ich hatte bereits für 2021 mit der Verfügbarkeit von Bio-LNG gerechnet. Dass dem nicht so ist, liegt aus meiner Sicht wieder an der Politik. In Deutschland gibt es (noch) keine Verflüssigungsanlage. Und im Ausland verflüssigtes deutsches Bio-Methan ist bei der THG-Quote
nicht anrechenbar. Für mich nicht nachvollziehbar. Aber auch wenn wir damit dem Ziel einen guten Schritt näher wären, erreicht hätten wir es noch immer nicht. Allerdings muss ich gestehen, dass meine persönliche Innovationsfreude durch meine LNG-Erfahrungen sehr getrübt ist. Aber wenn sich Möglichkeiten ergeben, wer weiß …
Wohin geht es in der Zukunft – was denken Sie? Kommt wirklich ein Aus für den Diesel-Lkw?
Morgen und übermorgen noch nicht, aber mit entsprechendem Zeithorizont in der Masse bestimmt. Möglicherweise wird es aus verschiedenen Gründen, ich spreche nicht von wirtschaftlichen, Nischen für Verbrenner geben, gegebenenfalls auch mit synthetischen Kraftstoffen.
Und es wird für Nostalgie-Fans wie mich immer die Möglichkeit geben, einen Diesel-Lkw zu betreiben. Schließlich sieht man heute auch noch Leute, die an Dampfmaschinen Spaß haben.
Was treibt Sie jeden Tag aufs Neue an – woraus schöpfen Sie persönlich Kraft für Ihren Berufsalltag?
Ich glaube, über diesen „Treibstoff“ habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. In der Sonne zu sitzen, macht zwar mal Spaß, aber für jeden Tag wäre das einfach nichts für mich. Ich mag es, unter Strom zu stehen, auch wenn es ganz aktuell mal ein paar Volt weniger sein könnten.
Wenn ich allerdings mal nur herumsitze, dann komme ich automatisch
ins Grübeln, was ich nun tun könnte.
Sie sind im Aufsichtsrat der SVG Hessen eG – welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der SVG gemacht?
Kann das gegen mich verwendet werden? Da ich meinen ersten richtigen Job nach dem Studium bei der SVG hatte, fühle ich mich der SVG sehr verbunden. So hat es mich auch sehr gefreut, im Aufsichtsrat mitarbeiten zu dürfen. Für mich persönlich ist das eine Bereicherung. Es stärkt das Netzwerk, und man unterliegt nicht nur den Einflüssen des eigenen Unternehmens. Ich hoffe, dass ich noch für einige Wahlperioden in der Gunst der Mitglieder stehe.
Ganz zum Schluss, Herr Steinberg, vervollständigen Sie bitte den Satz: Das Leben ist zu kurz, um …
… lange Interviews zu geben. Nein, das war ein Spaß, nehme ich zurück. Ich würde den Satz gar nicht ergänzen, sondern ihn sogar verkürzen. Das Leben ist kurz. Punkt. Und dessen sollten wir uns jeden Tag bei allem, was wir tun, bewusst sein.
Herzlichen Dank für das nette Gespräch, Herr Steinberg.
Zur Person
Alexander Kay Steinberg Geschäftsführer der Edgar Graß Speditions-GmbH & Co. KG in Beselich-Schupbach und Mitglied im Aufsichtsrat der SVG Hessen eG.