Credit: ICB

Der Nahverkehr auf Straße und Schiene trägt viel dazu bei, dass das öffentliche Leben funktioniert. Institutionen, Wirtschaft, Gesellschaft – all diese Bereiche sind auf gute Verbindungen angewiesen – und damit auch auf die öffentlichen Verkehrsmittel.
Ohne ÖPNV geht es nicht, das wird in der Corona-Krise besonders offensichtlich. Während viele Unternehmen genau wie Kitas, Schulen, Behörden über Wochen den Betrieb herunterfahren mussten, waren Busse und Bahnen fast in gewohnter Taktung unterwegs.

https://www.icb-ffm.de/ICB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter aus verschiedenen Arbeitsbereichen haben dem Hessischen Verkehrsspiegel verraten, wie sie das „Corona-Jahr“ erlebt haben, mit welchen Schwierigkeiten sie im täglichen Berufsleben zu kämpfen hatten, was anders war als sonst. Und inwiefern in jeder Krise auch eine Chance steckt.

Stephanie Schramm, ICB Geschäftsführerin
Frau Schramm, für Bus und Bahn gibt es keinen Lockdown. Mit welchen Herausforderungen war Ihr Unternehmen, die ICB, im Corona-Jahr 2020 konfrontiert?

Die Anforderungen waren vielfältig, das ist ja allgemein bekannt. Für uns als kommunales Unternehmen der Daseinsvorsorge galt es von Anfang an, den Spagat zwischen Umsetzen behördlicher Anordnungen und Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens zu meistern. Eine Zerreißprobe, die uns als Team gestärkt hat. Als Unternehmensleitung haben wir vom ersten Tag an versucht, jedem im Team zur Seite zu stehen, ein offenes Ohr für Fragen und Sorgen zu haben. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen und gleichzeitig unseren Auftrag für die Stadt Frankfurt am Main zu jedem Zeitpunkt erfüllen zu können.

Das ist natürlich nur möglich gewesen, weil die Mitarbeiter in allen Bereichen, im Fahrdienst, in der Werkstatt und auch in der Verwaltung Hand in Hand gearbeitet haben. Und vor allem, weil sich jeder und jede sehr konsequent an die neuen Richtlinien gehalten hat. Die Politik hat ebenfalls schnell reagiert und einen Ausgleich für fehlende Fahrscheinerlöse in Aussicht gestellt. Ein wichtiges und notwendiges Signal. Und eine der größten Herausforderungen war und ist es, unter diesen Bedingungen den Kontakt zu den Mitarbeitern nicht zu verlieren, obwohl Mitarbeiterversammlungen, Weihnachtsfeiern, Sommerfeste als Kommunikations- und Austauschplattform nicht mehr zur Verfügung stehen.

Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten?
Wir haben, wie gesagt, behördliche Anordnungen schnell umgesetzt. Gern gebe ich das Wort an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedenen Arbeitsbereichen weiter, denn in ihrer Verantwortung lag es, Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, mit deren Hilfe wir unsere Handlungsfähigkeit und vor allem den Gesundheitsschutz aller Beschäftigten aufrecht
erhalten haben. Jeder hier hat seinen Beitrag für das Unternehmen geleistet – darauf dürfen wir wirklich sehr stolz sein.

Midhat Hadzic, Leiter Fahrdienst
Herr Hadzic, was hat sich mit Corona in Ihrem Arbeitsbereich verändert?

Jetzt läuft in meinem Job alles wieder in gewohnten, wenn auch neuen Bahnen. Vor einem Jahr sah das ganz anders aus. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, neue Dienstpläne zu schreiben, auf die Einhaltung der AHA-Regeln zu achten, Masken zu verteilen, die Busse intensiver zu reinigen. Ein Problem war, dass niemand die Situation so richtig einordnen konnte. Die Verunsicherung war einfach groß. Alles wurde heruntergefahren und unsere Fahrer waren draußen unterwegs, genau wie sonst auch, allerdings
wurde der Fahrscheinverkauf schnell eingestellt.

Was haben Sie getan, um die Mitarbeiter in dieser besonderen Situation zu unterstützen?

Wir haben vor allem auf eine offene Kommunikation gesetzt. Die Betriebsleitung hat schnell reagiert.
Alle wurden mit Masken und Desinfektionsmittel versorgt, bei den Bussen wurden die ersten Sitzreihen gesperrt, der Fahrscheinverkauf wurde gestoppt. Im Sommer wurden dann Fahrertrennscheiben zum Schutz der Mitarbeiter in allen Bussen nachgerüstet. Es gab viele Besprechungen und auch schriftliche Informationen zum Thema Corona.

Gibt es für Sie so etwas wie eine Corona-Erkenntnis? Oder ein positives Erlebnis?
Ja, ich kann beides beisteuern. Mir ist zum einen klar geworden, wie wertvoll ein sicherer Arbeitsplatz ist. Zum anderen bin ich auch
froh, dass ich etwas zu tun habe. Es ist ja nichts los in der Stadt, alles ist zu – da ist es doch ein Genuss, arbeiten zu gehen. Ich denke, das geht vielen hier so.

Und das positive Erlebnis?
Wir haben schon auch positives Feedback aus der Bevölkerung bekommen, genau wie andere Berufsgruppen, die weiterhin im Einsatz sind. Eine Kindergartengruppe aus unserem Liniengebiet hat an ihre „Busfahrer-Helden“ geschrieben und Plakate gemalt. Diese Wertschätzung tut den Fahrern und letztlich uns allen gut.

Mit dem Bus durch Frankfurt


Der städtische Verkehrsdienstleister In-der-City-Bus GmbH (ICB) in Frankfurt am Main ist für mehr als 50 Prozent der Busverbindungen in der Rhein-Main-Metropole zuständig. Auf rund 30 Buslinien sind etwa 475 ICB Fahrerinnen und -Fahrer in mehr als 200 Bussen unterwegs.
Der Bereich Betrieb wird von 16 Mitarbeitern betreut. Dem Führungskreis und der Verwaltung gehören ungefähr 20 Personen
an. Ein 72-köpfiges Werkstattteam sorgt hinter den Kulissen dafür, dass die Fahrzeuge zuverlässig und pünktlich Menschen von A nach B bringen. Rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.

Insgesamt 585 Menschen stehen heute hinter den Leistungen, die die ICB für die Stadt Frankfurt am Main erbringt. Auch während der Pandemie, als fast nichts war wie sonst, aber vieles eben doch wie gewohnt laufen musste. Durch die Übernahme eines weiteren Busbündels ist die ICB im vergangenen Jahr stark gewachsen. 2020 wurden mehr als 100 Busfahrerinnen und Busfahrer
eingestellt, 60 neue Fahrzeuge in den Fuhrpark integriert. Dazu zählen auch 11 Elektro-Busse für die mit hohem Aufwand die erforderliche Ladeinfrastruktur errichtet werden musste. All das geschah unter bisher nie dagewesenen Bedingungen:

Abstandsregeln, Zugangsbeschränkungen, besondere Anforderungen an die Hygiene, Arbeiten aus dem Homeoffice und so weiter. Und neben den konkreten organisatorischen Herausforderungen mussten alle im Team auch mit den eigenen Sorgen und Anforderungen umgehen. Dazu zählen Kinder, deren Betreuungseinrichtungen und Schulen geschlossen waren, Familienmitglieder, deren berufliche Existenz von heute auf morgen bedroht war und natürlich die diffuse Angst vor dem neuartigen Virus, das die ganze Welt auf den Kopf stellte.

Sebastian Heisig, Leiter Einkauf / Marketing
Wie hat sich die Corona-Situation auf Ihren Arbeitsalltag ausgewirkt?

Als Einkäufer mussten wir natürlich schnell aktiv werden, um unsere Mitarbeiter mit Masken und Desinfektionsmittel zu versorgen und Arbeitsplätze weitestgehend infektionssicher auszurichten. Parallel lief das normale Tagesgeschäft weiter, so dass es schon hin
und wieder einmal hektisch geworden ist.
Tatsächlich haben wir aber mit größeren Einschränkungen und Verzögerungen gerechnet. Die sind ausgeblieben, weil über komplette Lieferketten hinweg sehr gut koordiniert und zuverlässig gearbeitet wurde. Schade, dass so etwas selten erwähnt wird.

Sie sind auch für den Bereich Marketing und Kommunikation zuständig. Wie ist es gelungen, unternehmensweit über neue Regelungen zu informieren?
Alle Arten von Signalisation, die heute jeder aus öffentlichen Räumen wie Einkaufszentren, Restaurants und eben dem ÖPNV kennt, wurden auch intern ausgerollt. Zu jeder Verordnung wurden Mitarbeiterinfos über unsere firmeninternen Info-Systeme, E-Mails, Aushänge verbreitet.
In punkto Unternehmenskommunikation wurde einfach alles an die neue Situation angepasst: Pressekonferenzen wurden zum
Beispiel virtuell oder mit viel Abstand in der Werkstatthalle abgehalten. Schließlich haben wir auf dem Betriebshof jede Menge Platz.

Beobachten Sie Veränderungen im kollegialen Miteinander?
Ja, natürlich hat sich da vieles verändert. Der direkte Kontakt ist auf ein Minimum reduziert. Wir weichen oft auf Conferencing-Tools aus und arbeiten aus dem Homeoffice. Die Technik lief einwandfrei, innerhalb kürzester Zeit wurden viele zusätzliche Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet. Mit allem, was dazu gehört: Gerätebeschaffung und -einrichtung sowie Anbindung an alle Unternehmensanwendungen. Doch das ist natürlich eine ganz andere Form der Zusammenarbeit. Mir persönlich fehlt der kurze Infoabgleich auf dem Gang, die gemeinsame Mittagspause mit Kollegen und erst recht der gemeinsame Ausflug auf den Weihnachtsmarkt.

In jeder Krise steckt auch eine Chance, sagt man. Stimmt das?
Gute Frage. Sicher ist vielen von uns in diesem Jahr klar geworden ist, wie gut die Situation bei allen persönlichen Einschränkungen hierzulande gehandhabt wird. Manchmal denke ich, dass das typisch deutsche Jammern auf hohem Niveau leiser geworden ist und einem Gefühl der Dankbarkeit weicht. Das ist positiv.

Maurice Gunkel, Berufskraftfahrer
Herr Gunkel, seit einem Jahr regiert das Corona-Virus die Welt. Was bedeutet diese Pandemie für Sie?

Viele Menschen haben Existenzängste. Ich bin froh, dass ich einen krisensicheren Job habe. Busfahrer werden immer gebraucht.

Wie haben Sie diese Zeit vom Fahrercockpit aus erlebt?
Ich habe gerade erst bei der ICB meine Ausbildung zum Berufskraftfahrer abgeschlossen und bin erst seit ein paar Wochen draußen auf der Strecke. Das ist eigentlich sehr entspannt, weil es in Frankfurt zurzeit so ruhig ist. Die Straßen sind oft leer. Und die Kunden halten sich meistens an die Maskenpflicht. Ich bin froh, dass wir im Bus keine Masken tragen müssen.
Wir haben Trennscheiben und die Menschen halten auch Abstand.

Beim ersten Lockdown waren Sie noch Auszubildender. Wurden Sie gut informiert von Ihren Vorgesetzten?

Auf jeden Fall. Unser internes Infoportal hat uns immer auf dem aktuellen Stand gehalten und unsere Vorgesetzten waren immer ansprechbar. Wir haben auch eine WhatsApp-Gruppe mit vielen Kollegen, über die wir Infos, Website-Links und so weiter teilen. In der Schule wurden wir in Gruppen mit zehn Leuten aufgeteilt und haben Blockunterricht mit viel Abstand gemacht.

Was hätte besser laufen können?
Keine Ahnung. Die Situation ist schwierig. Aber ich denke, dass hier im Betrieb alles gut gelaufen ist. Wir nehmen Rücksicht aufeinander, wir bekommen Masken, das läuft in anderen Betrieben nicht so gut.

Und Ihre persönliche Einstellung zu Corona?
Ich hoffe, dass die großen Einschränkungen bald gelockert werden. Es fehlt mir sehr, mit Freunden ins Kino zu gehen oder ins Restaurant. Die Maske ist nicht das Problem, aber die Kontaktbeschränkungen sind schon hart für mich.

Gibt es so etwas wie ein positives Corona-Erlebnis für Sie?
Ich wurde oft gelobt, dass ich meinen Job mache. Das hätte ich nie gedacht. Einmal bin ich auf einer Linie gefahren, die führt an einem Seniorenheim vorbei. Eine alte Dame kam zur vorderen Tür, hat sich bedankt und den Daumen hochgehalten. Total nett.

Sascha Endrejat, Werkstattleiter
Welche besonderen Herausforderungen gibt es in Ihrem Berufsalltag seit Beginn der Pandemie?

Im Werkstattbereich ist es gar nicht so einfach Akzeptanz für bestimmte Verordnungen zu schaffen. Die FFP-Maskenpflicht zum Beispiel ist in der Werkstatt nicht so einfach umzusetzen. Hier wird körperlich gearbeitet, da ist so eine dichte Atemmaske eine ganz andere Belastung als am Besprechungstisch.

Wie haben Sie das gelöst?
Wir konnten auf die Regeln aufsetzen, die wir von Anfang an eingeführt hatten, und zwar sehr konsequent. Seit fast einem Jahr beachten wir Abstandsregeln, begrenzte Kontaktzeiten und die Kollegen schützen sich und andere mit Masken. Für die Werkstatt wurden, als die Verordnung noch nicht verschärft wurde, extra Schaltücher angeschafft. Das ist bequemer und sie verrutschen auch nicht. Aktuell sperren wir Arbeitsbereiche, wann immer dies machbar ist – mit Flatterband und Barrieren wird kenntlich gemacht, dass dieser Bereich von anderen zu meiden ist. Das funktioniert sehr gut.

Hat sich das Miteinander in der Werkstatt verändert?

Ich bin ja erst vor wenigen Monaten zur ICB gekommen – und natürlich ist seither die Pandemie das Thema Nummer 1. Die Leute
gehen rücksichtsvoll miteinander um. Spätestens seitdem erste Corona-Fälle im näheren Umfeld aufgetreten und die Zahlen in Frankfurt hochgeschossen sind, hat jeder die Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen verstanden.

Wie hat die Unternehmensleitung die Krise gemanagt?
Ich finde, es ist gut gelaufen. Sehr wichtig war,dass von Anfang an gesagt wurde: Wenn du dich krank fühlst, bleib zu Hause. Wir haben sehr früh auf Hygiene- und Abstandsregeln gepocht, Kontaktzeiten minimiert und vor allem gut informiert. Es gab nur sehr wenige Corona-Fälle bei der ICB und soweit ich weiß, hat sich im Betrieb keine Person angesteckt. Wir hatten Glück, aber wir haben auch Vieles richtig gemacht.


Nicole Brauel, Personalreferentin
Frau Brauel, inwiefern hatte und hat die Pandemie Auswirkungen auf Ihre tägliche Arbeit als Personalreferentin?

Corona hat unseren Arbeitsalltag von Anfang an regelrecht auf den Kopf gestellt. Bei uns lief die Arbeit ganz normal weiter, viele waren verunsichert. Der Krankenstand war höher als üblicherweise in der sogenannten Erkältungszeit in den Wintermonaten. Die ICB hat extrem schnell reagiert, um bestmögliche Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Neben der Ausgabe von Masken und Desinfektionsmitteln war die Information besonders wichtig. Von Anfang an wurde bei uns auf dem Betriebshof auf die Maskenpflicht gepocht. Geschäftsleitung und Führungskräfte sind stets mit gutem Beispiel vorangegangen. All das hat Wirkung gezeigt. Der Krankenstand ist seit Wochen schon deutlich niedriger, selbst im Vorjahresvergleich.

Sind in Ihrem Unternehmen Menschen an Corona erkrankt?
Die erste Welle hat uns nicht erwischt, aber als in Frankfurt im Herbst die Zahlen in die Höhe geschnellt sind, waren leider auch bei
uns Kolleginnen und Kollegen betroffen. Wir haben rasch gehandelt und Quarantäne verordnet, denn die Gesundheitsämter waren
sehr überfordert. Um positiv Getestete und Kontaktpersonen haben wir uns intensiv gekümmert, die Kosten für Testungen übernommen. Vor allem aber haben wir dafür Sorge getragen, dass die Quarantäne penibel eingehalten wurde. Wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen regelmäßig und intensiv telefonischen Kontakt gehalten, beraten, Hilfe angeboten, uns die Sorgen und Ängste angehört. So konnten Infektionsketten schnell durchbrochen werden.

Wie ist das gelungen?
Hier war vor allem der regelmäßige telefonische Kontakt wichtig. Und klare Botschaften:
„Bleib zu Hause. Mach dir keine Sorgen, der Lohn wird bezahlt. Beachte die Regeln und schütze so andere.“ Es war einfach wichtig,
den Menschen in dieser schwierigen Situation beizustehen, denn dem einen oder anderen ist schon die Decke auf den Kopf gefallen. Genau wie wir hat auch der ICB-Betriebsrat sich sehr für die Belegschaft eingesetzt. Die Zusammenarbeit und die Abstimmung sind bestens gelaufen.

Hat sich das Miteinander bei der ICB verändert?

Der Ellbogengruß und die Namaste-Geste haben Handschlag und High Five rasch ersetzt.
Zum Glück gewöhnt man sich ja schnell an neue Situationen. Abstand ist bei uns längst Normalität. Aber ich habe das Gefühl, dass die Belegschaft trotzdem zusammengerückt ist. Viele sprechen jetzt viel offener über ihre Sorgen. Das ist doch positiv und ich wünsche mir, dass diese vertrauensvolle Gesprächskultur uns auch dann erhalten bleibt, wenn Corona längst Geschichte ist.

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