Foto: shutterstock/ tynyuk, shutterstock/ FreshVector, shutterstock/ Igogosha

Wenn Transportunternehmen in finanzielle Schieflage geraten, kann die Übertragung der Forderung an ein Factoring-Unternehmen helfen. Doch häufig werden Bedenken gegenüber dem Factoring geäußert: negative Reaktionen von Kunden und Hausbanken, zu teuer, in der Abwicklung zu kompliziert. Doch wie stellen sich die Funktionsweise, Erscheinungsformen und die Möglichkeiten von Factoring als Finanzierungsinstrument tatsächlich dar?

Die Liquiditätsplanung ist eine der wichtigsten Rechtspflichten der Geschäftsleiter eines Transport- und Logistikunternehmens. Sie müssen sicherstellen, dass sämtliche geplanten Auszahlungen einschließlich Aufwendungen und Gewinnausschüttungen geleistet werden können. Hohe Ausgaben für Fahrzeugwartung, Arbeitslöhne, Maut, Miete und vor allem für Treibstoff auf der einen Seite, schleppende Zahlungseingänge auf der anderen Seite können schnell zu Liquiditätslücken führen. Hinzu kommt gerade bei Logistikunternehmen eine schwache Eigenkapitalausstattung, die sich auf die Finanzierungsmöglichkeiten auswirkt. 

Was ist Factoring?

Unter „echtem Factoring“ versteht man den gewerbsmäßigen Ankauf von Forderungen durch ein Finanzierungsinstitut (Factor). Das wirtschaftliche Grundkonzept besteht darin, dass der Factor im Rahmen einer langfristigen Vertragsbeziehung die gewerblichen Forderungen seines Vertragspartners (Anschlusskunde) gegen dessen Kunden (Debitor) aus Lieferungen und Leistungen bevorschusst und ihn so gegen einen Forderungsausfall absichert. 

Werden sämtliche Funktionen durch den Factor erfüllt, spricht man von einem „Full-Service-Factoring“. Denkbar sind aber auch Abweichungs- und Anpassungsmöglichkeiten, bei denen einzelne Funktionen entfallen.

Zu beachten: Abtretungsverbot

Hat der Anschlusskunde mit seinem Debitor ein Abtretungsverbot vereinbart, steht dies grundsätzlich dem Erwerb der Forderung durch den Factor entgegen. Das wird aber bei Fracht- und Speditionsverträgen eher die Ausnahme sein. Da es sich bei Frachtverträgen um Handelsgeschäfte im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) handelt, ist die Abtretung – auch bei einem vereinbarten Abtretungsverbot – dennoch wirksam. 

Dies ist bei Frachtverträgen häufig der Fall, da es sich bei den vom Factoring erfassten Forderungen zumeist um solche aus dem unternehmerischen Verkehr handelt. Der Abtretung entgegenstehende Vereinbarungen sind gemäß § 354a Abs. 1 S. 3 HGB unwirksam.

Kosten des Factoring

Vor der Entscheidung für die Unternehmensfinanzierung durch Factoring steht natürlich die Frage der Kosten. Die für das Factoring zu entrichtenden Entgelte teilen sich auf in: 

  • einmalige Einrichtungsgebühr (für Vertragsmanagement und EDV-Anbindung)
  • Zinsen für die Vorfinanzierung.
    Ausgehend vom Forderungsbetrag abzüglich des Sicherungseinbehalts sind hierauf berechnete Zinsen vom Tag des Ankaufs bis zur Zahlung durch den Debitor bzw. den Eintritt des Delkrederefalls (dauerhafte Zahlungsunfähigkeit) zu entrichten.
  • Factoring- und Bonitätsprüfungsgebühren für die einmalige Prüfung und Überwachung der Debitoren.
    Die Factoring-Gebühr setzt sich zusammen aus dem Serviceentgelt für die Debitorenbuchhaltung und eine Komponente für die Übernahme des Delkredererisikos. Die Delkredereprovision vergütet die Übernahme des Bonitätsrisikos durch den Factor. Ihre Höhe richtet sich deshalb nach der Bonität des Debitors. In der Regel beträgt sie zwischen 0,2 und 1,2 Prozent des Forderungswertes.

Zusammenfassend lässt sich auf jeden Fall feststellen, dass Factoring nicht zwangsläufig teurer ist als andere Finanzierungsinstrumente. Zu berücksichtigen ist auch, dass den Kosten erhebliche wirtschaftliche Vorteile gegenüberstehen: Durch den schnellen Liquiditätszufluss können eigene Verbindlichkeiten früher beglichen und dadurch Skontoerträge erzeugt werden. Nicht vernachlässigt werden darf ferner die Verbesserung der eigenen Unternehmensbewertung durch die Absicherung gegen Forderungsausfälle.

Alternative: Bankkredit

Der Bankkredit schneidet gegenüber Factoring als Finanzierungsinstrument schlechter ab. Verschafft sich der Unternehmer die benötigte Liquidität durch die Aufnahme eines klassischen Kredits, steht der Buchung der ausgezahlten Kreditsumme als Bankguthaben auf der Aktivseite die Buchung einer Verbindlichkeit auf Passivseite gegenüber, während die Guthabenbuchung beim echten Factoring durch einen reinen Aktivtausch erfolgt. Mithin führt die Nutzung des Finanzierungsinstruments echtes Factoring zu einer Verbesserung der Eigenkapitalquote.

Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis an den Factor ab, mindert sich nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung.

Vor- und Nachteile unter die Lupe nehmen

Die Verbesserung der Liquidität und die weiteren Vorteile, nicht nur im monetären Bereich, machen es lohnenswert, die Vor- und Nachteile des Factoring genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei unseren europäischen Nachbarn ist Factoring jedenfalls deutlich beliebter als in Deutschland. Die Marktdurchdringung/Factoring-Quote (Verhältnis von angekauften Forderungsvolumen zu BIP) lag 2023 in Belgien bei 22,5, in Spanien bei 19,4, den Niederlanden bei 17,4, Frankreich bei 15,9 Prozent, in Deutschland dagegen nur bei 9,3 Prozent. 

TIPP

  • Durch Bevorschussung der vor Fälligkeit angekauften Forderungen wird dem Kunden sofortige Liquidität verschafft; er muss nicht auf den Eingang seiner Außenstände bis zum Fälligkeitszeitpunkt warten.
  • Gleichzeitig mit dem Forderungsverkauf wird auch das Ausfallrisiko auf den Factor übertragen. Er haftet somit für die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit (Bonität) des Debitors.
  • Schließlich übernimmt der Factor auch das Debitorenmanagement in Form von Debitorenbuchhaltung, Rechnungserstellung, Mahnwesen und Forderungsbeitreibung.