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Je anhaltender das Preishoch an der Zapfsäule, desto dringlicher die Frage: Wie trimmen die Hersteller ihre Lkw auf niedrigeren Verbrauch? Experte Jan Burgdorf vom „Trucker“ hat die Antworten.

Wer die Websites der Lkw-Hersteller öffnet, sieht in etlichen Fällen zunächst E-Trucks. In der Branche dürfte Einigkeit herrschen:
Ein emissionsfreier Straßengüterverkehr muss das Ziel sein. Immer mehr Spediteure haben einen oder sogar mehrere batterieelektrisch angetriebene Trucks in ihren Flotten. Trotzdem wird das alltägliche Geschäft weiterhin von den klassischen Diesel-Lkw bestimmt – und von Preisen an den Tankstellen auf anhaltend hohem Niveau. Damit stellt sich auch weiterhin die Frage: Was tun die Hersteller dafür, ihre Modelle auf Kraftstoffeffizienz zu trimmen? Und werden sie das angesichts der zurecht immer größeren Rolle alternativer Antriebe auch künftig in ausreichendem Maß tun?

Wenn er schwere Lkw der jüngsten Generation bei Fahrten überwiegend auf der Autobahn teste, bleibe er auf 100 Kilometern in aller Regel unterhalb der 30-Liter-Marke, sagt Jan Burgdorf. „Mitunter schaffe ich 27 Liter“, präzisiert der Ressortleiter Test & Technik der in München erscheinenden Magazine „Trucker“ und „Verkehrsrundschau“. Freilich haben diese Trucks das volle Programm an verbrauchsrelevanter Assistenztechnik an Bord. Dennoch: Mit einem vergleichbaren, vor fünf bis zehn Jahren aktuellen Lkw wären solche Werte nicht zu erreichen gewesen. „Da wären 31 bis 32 Liter das Minimum gewesen“, so der Experte.

Das bedeutet: Die Hersteller haben in den zurückliegenden Jahren einiges dafür getan, den Verbrauch ihrer Fahrzeuge zu senken. Nach Erfahrung von Jan Burgdorf gilt dabei, dass die Hersteller durch die Bank ihre Hausaufgaben gemacht haben. „Wir können bei unseren Tests keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Die jüngste Generation hat bei allen ein sehr ähnliches Niveau erreicht.“ Getrieben wird diese Entwicklung von den Argusaugen der Spediteure: „Nur 0,1 Prozent weniger Verbrauch eines Lkw gegenüber einem vergleichbaren Konkurrenzprodukt sind absolut kaufentscheidend.“ Daher will kein Hersteller zurückstehen.

Wo befinden sich die Stellschrauben, an denen die Ingenieure zuletzt gedreht haben? Zum einen bei den Motoren. „Durch den Einsatz hochwertigerer Stähle sind die Aggregate der aktuellen Modellgeneration deutlich robuster geworden“, erklärt Jan Burgdorf. Wichtigste Folge: Ein aktueller „Brot-und-Butter-Motor“ mit 340 kW (460 PS) hat ein maximales Drehmoment von 2600 Newtonmetern (Nm), und das schon bei 900 Umdrehungen pro Minute (U/min). Noch vor wenigen Jahren hätte ein Motor mit identischem kW-Wert nur rund 2100 Nm erlaubt. Und: Dieser Wert wäre erst bei etwa 1100 Touren erreicht worden.

Spezielle Beschichtungen

„Höhere Drehmomente bei niedrigerer Umdrehung, daran haben alle gearbeitet“, sagt der Fachjournalist.
Mit einem derart motorisierten Lkw muss insbesondere am Berg erst später oder in vielen Fällen überhaupt nicht mehr geschaltet werden. Es kommt zu weniger Triebstrangunterbrechungen – und der Verbrauch sinkt spürbar. Hinzu kommen laut Jan Burgdorf „innermotorische Maßnahmen“. Die wichtigste sind spezielle Beschichtungen, die die Kolben mit verringertem Widerstand gleiten lassen. „Grundsätzlich versucht man alles, um die Reibung innerhalb des Motors so gering wie möglich zu halten.“ Auch das wirkt sich positiv auf den Kraftstoffbedarf aus. Mit ebenfalls nennenswertem Erfolg haben die Hersteller die Nebenaggregate in den Fokus genommen. Entscheidendes Stichwort dabei: bedarfsgerechte Steuerung. Das gilt für die Ölfüllung der Hinterachse ebenso wie für die Wasserpumpen im Lkw. „Oder denken Sie an den Luftpresser der Bremse. Früher lief der permanent, bei aktuellen Modellen dagegen nur noch, wenn der Luftdruck tatsächlich sinkt – und auch dann nur, wenn der Lkw nicht zu sehr unter Last steht.“ Jede einzelne Maßnahme in diesem Bereich mag nur Verbesserungen im Mikrobereich bringen. Aber die Summe macht den Unterschied.

Das gilt auch für die vielen Optimierungen in Sachen Aerodynamik. So sind an den Fronten inzwischen alle Ritzen geschlossen worden. Außenspiegel weichen bei immer mehr Lkw windschnittigeren Kamerasystemen, die zudem die Sicherheit deutlich
erhöhen. „Bei Fernverkehrs-Lkw reden wir mittlerweile über Vollverspoilerung“, sagt Jan Burgdorf.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Stoßstange an der Front. Sie ist darauf getrimmt, den Wind so unterm Fahrzeug hindurch zu leiten, dass Verwirbelungen quasi ausgeschlossen sind. Die Seitenverkleidungen haben nach unten hin Gummilippen bekommen.
Zudem werden etliche aktuelle Trucks in Fahrt durch die Luftfederung automatisch um wenige Zentimeter abgesenkt: geringere Höhere, geringerer Luftwiderstand, geringerer Verbrauch.

Assistenzsysteme dienen vorrangig der Sicherheit. Trotzdem haben die Hersteller auch hier Potenzial in Sachen Verbrauch erkannt und ausgeschöpft. „Die wichtigste Innovation der zurückliegenden Jahre in diesem Bereich ist der GPS-gestützte Tempomat“, so Jan Burgdorf. „Der Lkw erkennt mithilfe des Navigationssystems die Topografie der vor ihm liegenden Fahrstrecke und passt Fahrweise und Schaltstrategie darauf an.“ Hatten entsprechende Systeme vor einigen Jahren noch Seltenheitswert, sind sie heute bei fast allen aktuellen Trucks serienmäßig verbaut.

Das Zusammenspiel zählt

Allerdings ist dieses Assistenzsystem zugleich ein Paradebeispiel dafür, dass es mit einem rundum auf Kraftstoffeffizienz getrimmten Truck allein nicht getan ist. Es kommt immer auf das Zusammenspiel mit einem guten Fahrer an.“ Insbesondere der
GPS-gestützte Tempomat werde von vielen Fahrern unzureichend oder gar nicht genutzt. „Ja, Trucks sind heute rollende Computer, mit denen man sich auskennen muss“, sagt Jan Burgdorf. „Aber dass, das längst nicht bei allen Fahrer der Fall ist, kann man nicht den Herstellern ankreiden.“ Sie böten durchweg intensive Einführungen in die Fahrzeuge an, in aller Regel bei der Abholung. „Aber die muss man dann eben auch wahrnehmen!“

Was ist in näherer Zukunft an verbrauchsrelevanten Innovationen zu erwarten? Und wenn alle Welt – vollkommen zurecht – über alternative Antriebe redet, besteht dann nicht die Gefahr, dass sich die Hersteller nur noch mit gebremstem Schaum der weiteren Optimierung ihrer klassischen Diesel-Lkw widmen? „Es fließt derzeit sehr viel Entwicklungsenergie in E-Trucks, sie sind die Zukunft“, sagt Jan Burgdorf. „Aber diese Zukunft wird aus meiner Sicht tatsächlich noch eine ganze Weile Zukunft bleiben.
Und bis dahin werden die Diesel-Lkw weiterentwickelt.“
Ein vielversprechendes Thema sei dabei die „Mini-Nase“: runder gestaltete Lkw-Fronten für eine noch bessere Aerodynamik. Ermöglicht hat dies eine Gesetzesänderung, der zufolge solche Anbauten nach
vorn hin nicht mehr auf die erlaubte Gesamtlänge einzahlen. „So lässt sich nochmal massiv Sprit sparen. Ein Hersteller hat das schon umgesetzt, die anderen werden nachziehen.“

Zudem werde aktuell daran gearbeitet, auch das Drehmoment bedarfsgerecht zu steuern. „Nehmen wir wieder unseren Brot-und-Butter-Motor mit den 2600 Nm, die stehen aktuell immer komplett zur Verfügung.“ Künftig werde dagegen, wiederum im Zusammenspiel mit dem Navigationssystem, zum Beispiel vor einer Steigung berechnet, wie viel Drehmoment maximal zur Verfügung zu stellen ist, damit der Lkw die Steigung kraftstoffeffizient und dabei ausreichend schnell nehmen kann. „Das wird manchem Fahrer möglicherweise nicht gefallen“, sagt Jan Burgdorf. „Aber da müssen sie durch.“

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