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Der Sachverhalt
Der 1956 geborene Kläger (Arbeitnehmer = AN) war seit März 1999 bei einem Entsorgungsunternehmen beschäftigt. Es oblag dem AN, den angelieferten Schrott zu sortieren, zu reinigen und zu entsorgen. Dabei kamen verschiedene Fahrzeuge zum Einsatz wie Gabelstapler, Lader und Bagger bis zu einem Gewicht von 35 Tonnen und einer Ausgreifweite bis zu 20 Meter.
Im Jahr 2009 führte die Beklagte (Arbeitgeberin = AG) in ihrem Betrieb ein striktes Alkoholverbot ein, über das sie alle Mitarbeiter, so auch den AN, schriftlich unterrichtete. Zudem gab sie auf ihrem gesamten Firmengelände die Geltung der StVO vor. Von ihren Hofarbeitern verlangte sie fortan, im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis (ehemals Führerschein Klasse „3“) zu sein.
Zugleich stellte sie ihre bis dahin ausgeübte Praxis ein, Mitarbeitern in den Sozialräumen u. a. auch alkoholische Getränke zur Verfügung zu stellen. Im Herbst 2010 weitete sie ihr Betriebsgelände zu einem etwa 800 Meter vom Hauptgelände entfernten
Containerplatz aus. Seither mussten Hofarbeiter bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit zeitweise öffentlichen Straßenraum befahren.
Am 14. Januar 2010 wurde der AN stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und nach Hause geschickt.
Wegen weiterer Vorkommnisse kündigte die AG das Arbeitsverhältnis der Parteien im Januar und Februar 2010 jeweils aus Gründen im Verhalten des AN. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess machte dieser geltend, er sei alkoholkrank. Die AG
nahm daraufhin die Kündigung zurück und mahnte den AN wegen des Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. Der AN nahm das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er Anfang Juni 2010 abbrach. Im Einverständnis mit dem AN führte die AG im Sommer 2010 regelmäßig Alkoholtests im Atem durch.
Dabei ergaben sich beim AN wiederum unterschiedlich hohe Alkoholkonzentrationen, was die AG zum Anlasse nahm, den AN erneut wegen „alkoholisierten Erscheinens am Arbeitsplatz“ abzumahnen.
Schließlich verursachte der AN am 7. Dezember 2010 mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall, bei welchem Sachschaden entstand. Am 12. Januar 2011 verweigerte der AN die Teilnahme an einem Alkoholtest.
Mit Schreiben vom 7. März 2011 teilte der behandelnde Arzt dem beklagten Unternehmen mit, dass nach Abbruch der stationären Therapie im Jahre 2010 beim AN keine weiteren Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung durchgeführt worden seien.
Unterlagen über eine weitere von ihm durchgeführte Behandlung brachte der AN nicht bei. Mit Schreiben vom 4. April 2011 kündigte die AG das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. August 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Gegen die Kündigung erhob der AN fristgerecht Klage, wobei er sich hinsichtlich der Unwirksamkeit der Willenserklärung auf eine bei ihm vorliegende Alkoholabhängigkeit und damit Krankheit berief. Zudem wandte er ein, dass erhebliche Betriebsablaufstörungen auf Grund seiner gelegentlichen Alkoholisierung nicht eingetreten seien.
Die im Frühjahr 2010 begonnene Entziehungskur habe er abgebrochen, weil er mit dem bezogenen Krankengeld seinen Lebensunterhalt nicht habe bestreiten können. Der Verkehrsunfall vom Dezember 2010 sei auf einen Defekt an dem von ihm
gesteuerten Ladefahrzeug zurückzuführen.
Im Januar 2011 habe er den Alkoholtest nicht endgültig verweigert; er habe lediglich darum gebeten, die Kontrolle in Abwesenheit der übrigen Lkw-Fahrer durchzuführen, wozu die AG nicht bereit gewesen sei. Schließlich sei dieser zumutbar, ihn ausschließlich auf ihrem Betriebsgelände einzusetzen.
Zur Erledigung der dort anfallenden Arbeiten sei eine Fahrerlaubnis nicht zwingend erforderlich. Außerdem bestehe die Möglichkeit, ihn als Platzwart und Hofarbeiter auf dem neuen Containerplatz weiter zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrte der AN die Wiederherstellung
der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Revision als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die ordentliche Kündigung auf Grund der Alkoholerkrankung des AN durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt sei.
Im Kündigungszeitpunkt sei die erforderliche Prognose gerechtfertigt gewesen, dass der AN auf Grund der bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung dauerhaft nicht die Gewähr dafür biete, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Für die anzustellende Prognose sei es entscheidend darauf angekommen, ob die Bereitschaft des AN bestanden habe, eine Entziehungskur oder eine Therapie durchzuführen. Da der AN eine solche Maßnahme abgebrochen habe, könne – wie im Falle einer Ablehnung – erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit
nicht geheilt werde.
Eine derartige negative Prognose sei auch in dem Falle berechtigt, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie
rückfällig geworden worden sei. Das BAG stellte weiterhin fest, dass der AN vor Ausspruch der Kündigung auch keine neuerliche Alkoholtherapie begonnen habe und die AG deshalb auch vor dem Hintergrund dieses Aspektes von einer nach wie vor bestehenden Therapieunwilligkeit ausgehen konnte und durfte. Auch unter Berücksichtigung der im Sommer 2010 während der Arbeitszeit festgestellten Blutalkoholkonzentrationen war nicht davon auszugehen, dass der AN seine Alkoholerkrankung „im Griff“ gehabt und die Fähigkeit zur Abstinenz besessen habe.
Die insoweit unstreitige Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des AN führten nach Auffassung des BAG zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Dabei machte das Gericht ausdrücklich deutlich, dass die betreffende Alkoholerkrankung nicht zwingend mit beträchtlichen Fehlzeiten des betreffenden Arbeitnehmers einhergehen
müsse.
Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen lag vorliegend bereits deshalb vor, weil die Verrichtung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit mit einer beachtlichen Selbst- und Fremdgefährdung des AN sowie dritter Personen verbunden war und der AN mangels Fähigkeit zur Alkoholabstinenz nicht die erforderliche Gewähr dafür bot, bei seiner Arbeitsleistung einschlägige Unfallverhütungsvorschriften ausnahmslos zu beachten. Die AG musste nämlich auf Grund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahrund Arbeitssicherheit durch den AN rechnen, so dass sein weiterer Einsatz als Hofarbeiter nicht mehr zumutbar war. Ein anderer, wie vom AN geforderter Einsatz als Platzwart oder Hofarbeiter, kam nicht in Frage, da die AG die vorbezeichneten „Arbeitsplätze“ nicht vorhielt und auch nicht verpflichtet war, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen.
Schließlich stellte das BAG im Rahmen der Interessenabwägung fest, dass die Belange des beklagten Unternehmens, nämlich die mit einer möglichen Alkoholisierung des AN verbundenen Gefährdungen nicht länger hinzunehmen, nicht durch die zwölfjährige Betriebszugehörigkeit des AN, sein Alter und der gegenüber seiner Ehefrau bestehenden Unterhaltspflicht aufgewogen würden.
Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die AG dem AN nach den jeweiligen Alkoholauffälligkeiten die Chancen einer Bewährung gegeben und auch die stationäre Behandlung abgewartet habe. Sie habe damit alles ihr Zumutbare für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Insoweit habe der AN die zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses führenden Gründe selbst zu vertreten.
Praxis
Diese Entscheidung zur personenbedingten Kündigung bei Alkoholerkrankung wurde insbesondere deshalb ausführlich dargestellt, weil derartige Fallgestaltungen in den Betrieben unserer Mitgliedsunternehmen immer wieder anzutreffen sind. Der im Falle einer streitigen Auseinandersetzung von den betroffenen Arbeitnehmern stets gern ins Feld geführte Argumentation, nach welcher es bei dieser Art der Kündigung an der Voraussetzung von beträchtlichen Fehlzeiten mangele und deshalb eine Beeinträchtigung
betrieblicher Interessen nicht vorliegen könne, hat das BAG mit überzeugender Argumentation eine Absage erteilt.
Gleichwohl sollte bei einer vermuteten Alkoholerkrankung eines Mitarbeiters, welcher Tätigkeiten mit entsprechendem Gefahrenpotential ausübt, nicht vorschnell gehandelt werden, zumal ein entscheidungserheblicher Umstand dieser Entscheidung
die beim Kläger unstreitig vorliegende Alkoholabhängigkeit war.
Das Vorliegen eines solchen Krankheitsbildes wird von den betroffenen Arbeitnehmern in aller Regel bestritten, so dass diesbezüglich erst durch ein fachärztliches Gutachten Klarheit geschaffen werden kann. Selbst für den Fall, dass eine Alkoholerkrankung festgestellt bzw. zugestanden wurde, ist die Therapie(un-) willigkeit des Mitarbeiters ein weiteres entscheidendes Umstandsmoment bezüglich der Wirksamkeitskriterien einer Kündigung. Ein kundiger Rechtsbeistand wird seinen
Mandanten in der Folge zu einer sofortigen Therapie raten.
Letztlich stellt sich noch die Frage, ob der Arbeitnehmer über das entsprechende Alkoholverbot informiert, mithin eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes gerechtfertigt wäre. Zwar beinhalten unsere Musterarbeitsverträge
grundsätzlich ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz, dennoch würde eine entsprechende Kündigung ohne vorherige Abmahnung ein hohes Risiko bergen. Anders war es im vorliegenden Fall, welcher hinsichtlich des Verhaltens der Arbeitgeberin
Vorbildcharakter hat. Zum einen informierte diese ihre Mitarbeiter ausdrücklich über das eingeführte Alkoholverbot, andererseits mahnte sie ihren Arbeitnehmer wegen seines einschlägigen Verstoßes ab, bevor sie diesem kündigte.
Wie Sie sehen, ist das Thema Alkohol am Arbeitsplatz für Arbeitgeber mit mannigfaltigen Fallstricken verbunden. Wir empfehlen daher sich frühzeitig fachkundigen Rat einzuholen. Dafür stehen wir Ihnen unter folgenden Kontaktdaten zur Verfügung: Tel.: (069) 38 98 05 04, Fax: (069) 38 75 79, E-Mail: arbeitsrecht@gueterkraft.de.