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Beschädigung oder Verlust von Frachtgut lässt sich nicht komplett ausschließen. Umso wichtiger, dass Frachtführer vorsorgen, um im Ernstfall nicht voll haften zu müssen.

Die Besonderheit der Haftung des Frachtführers liegt in der verschuldensunabhängigen Obhutshaft.
Diese betriff t sowohl die Haftung nach HGB (Handelsgesetzbuch) als auch – bei grenzüberschreitendem Verkehr – die CMR (Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen). Um den Frachtführer vor dieser besonderen Haftung betragsmäßig zu schützen, wurden die Haftungsbeträge begrenzt, für Güterschäden als Regel auf 8,33 SZR je Kilogramm.
Bis zu diesem Punkt kennen viele Frachtführer die Rechtslage. Deutlich weniger bekannt ist die Ausnahme dieses Haftungsprivilegs: das qualifizierte Verschulden. Dieses liegt entweder bei Vorsatz vor – oder bei leichtfertigem Handeln im Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Um diesem Risiko einer unbegrenzten Haftung gezielt vorbeugen zu können, lohnt es sich, über die wichtigsten Gerichtsentscheidungen Bescheid zu wissen.

Fall 1: Pause nur auf gesicherten und bewachten Parkplätzen!
Diese oft vertraglich vereinbarte und der Sicherung des Transportgutes dienende Sicherheitsbestimmung des Absenders findet man vor allem, wenn wertvolle oder diebstahlgefährdete Güter wie etwa Tabakwaren, Alkohol, Elektroartikel oder elektronische Konsumgüter zu befördern sind.
In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Naumburg (Urteil vom 11.03.2022 – 7 U 76/21) entschiedenen Fall wurden auf einem unbewachten Parkplatz sechs Paletten mit elektronischen Gütern aus einem Lkw gestohlen. Vorgegeben war dagegen ein
bewachter Parkplatz. Das Gericht nahm einen besonders schweren Pflichtenverstoß an, weil sich der Frachtführer in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Absenders
hinweggesetzt habe. Deshalb musste der Frachtführer den Marktwert der in Verlust geratenen Teilsendung ersetzen, eine Haftungsbeschränkung war ausgeschlossen.

Praxistipp

Je größer die Risiken bei einem Transport, desto höhere Anforderungen sind an die Sicherheitsmaßnahmen zu stellen. Sicherheitsbestimmungen des Absenders gilt es dabei unbedingt zu befolgen. Bei Beauftragung eines Unterfrachtführers ist auf verlässliche Umsetzung der vertraglichen Vorgaben des Hauptfrachtvertrages zu achten.

Fall 2: Eignung von Fahrern für den Transport von Waren mit
erheblichem Wert.

Jeder Unternehmer mit Fuhrpark sollte wissen, dass die körperliche Eignung der Fahrer auch in seiner Verantwortung liegt. Dies zu überwachen ist jedoch nicht die einzige
Pflicht des Frachtführers. Nach einem Urteil des OLG Düsseldorf vom 6. Oktober 2021 (18 U 179/19) obliegt ihm auch die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Fahrer
– konkreter: der bisher straffreien Lebensführung.
Auch dieser Rechtstreit drehte sich um den Diebstahl von wertvoller Ladung.
Das Gericht unterstellte dem Frachtführer qualifiziertes Verschulden, weil er keine Überprüfung der betreffenden Fahrer auf ihre Zuverlässigkeit vorgenommen hatte –
insbesondere nicht auf einschlägige Vorstrafen. Konsequenz auch in diesem Fall: Der Frachtführer haftet für den Verlust des Transportguts in voller Höhe.

Praxistipp

Transportunternehmer sollten die Eignung ihrer Fahrer überprüfen, indem sie sich ein Führungszeugnis, Arbeitszeugnisse und/ oder Referenzen vorlegen lassen – und
indem sie bei früheren Arbeitgebern nachfragen.
Das gilt umso mehr bei Fahrern, die Waren von erheblichem Wert transportieren sollen. Diese Überprüfung muss
datenschutzkonform umgesetzt werden.

Fall 3: Auslieferung von Frachtgut an eine unbekannte Person.
Mit einem besonderen Fall eines qualifizierten Verschuldens hatte das OLG Koblenz (2 U 221/18) zu tun. Dabei wurde ein Fahrer vor einem Gebäude, das der Empfangsadresse
des Transports entsprach, von einem Mann angesprochen. Diesem händigte der Fahrer das Frachtgut aus, ohne dafür einen Legitimationsnachweis zu verlangen.
Verhängnisvoll, denn anschließend war das Frachtgut nicht mehr auffindbar. Das Gericht sah auch hier die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Verschulden aufseiten des Frachtführers als gegeben. Gerade weil sich auf dem betreffenden Gelände mehrere Firmen befanden und somit davon auszugehen war, dass sich dort auch Unbefugte
aufhalten, habe sich der Fahrer besonders leichtfertig verhalten. Der Frachtführer müsse sich dieses Verhalten zurechnen lassen und könne sich weder auf einen Haftungsausschluss noch auf eine Haftungsbeschränkung berufen.

Praxistipp

Transportunternehmer müssen ihr Fahrpersonal anweisen, sich beim Anliefern über die Identität des Empfängers und
dessen Legitimation zum Empfang der Sendung zu vergewissern. Im Zweifel sollten sie entsprechende Instruktionen beim Absender einholen.

Fall 4: Unbeaufsichtigt abgestellte Ware.
Mit dieser nicht seltenen Situation hatte sich das OLG München (7 U 4136/17) zu beschäftigen. Im verhandelten Fall hatte der Fahrer morgens wertvolles Transportgut vor dem unbesetzten Lagergebäude des Empfängers abgesetzt. Das Gericht wertete
das als in besonderem Maße fahrlässig und damit als leichtfertig. Dem Fahrer hätte sich geradezu aufdrängen müssen, dass die Ware mit hoher Wahrscheinlichkeit entwendet würde, so das Gericht. Die Folge: Auch hier wurde dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden unterstellt – und damit die volle Schadensersatzhaftung auferlegt.

Praxistipp

Frachtführer sollten grundsätzlich sicherstellen und ihre Fahrer darauf festlegen, dass Frachtgut – insbesondere wertvolles
– nicht ohne Nachweis an den Empfänger abgeliefert wird.

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