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Über 100 Jahre geballtes Fachwissen rund um das Thema Entsorgung – das findet man bei der Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG in Gießen. Das Unternehmen ist seit 1899 in Familienhand.
Am gefühlt heißesten Tag Ende Juni machen wir uns um die Mittagszeit auf den Weg zur Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG nach Gießen. Das Unternehmen im Hüttenweg 8 befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Aluminium-Gießerei. Einer der Mitinhaber, Julian Kreiling, begrüßt uns im Eingangsbereich und führt uns in das Büro seines Großvaters Horst Kreiling. Opa und Enkel trennen 50 Jahre: Die vierte Generation im Betrieb Kreiling trifft auf die sechste Generation. Die Nachfolge teilen sich aktuell und völlig gleichberechtigt die vier Enkel von Horst Kreiling. Julian ist seit 2013 im Betrieb, Philipp seit 2015, Sebastian ist seit 2017 mit dabei. Cedric, der jüngere Bruder von Philipp und Julian, macht seit 2020 eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Familienbetrieb.
Die Kreiling-Familie
Karl Kreiling, Urgroßvater von Horst Kreiling, gründete 1899 als Ein-Mann-Betrieb ein Sandgruben- und Fuhrunternehmen. Mit einem Pferdegespann transportierte er den weißen Sand seiner Grube zu Abnehmern in den umliegenden Ortschaften. Dort wurde der Sand weiterverarbeitet, unter anderem für den Hausbau. Knapp 40 Jahre später bis zum Ende des 2. Weltkrieges, übernahm Ludwig Kreiling den Betrieb.
Die Geschäftsfelder wurden erweitert und Gießereien wie Buderus, Viessmann und kleinere Hütten mit Formsanden beliefert. Im Gegenzug, als Verbundgeschäft, nahm Kreiling Altsande zurück, die im ausgebeuteten Teil der Sandgrube abgelagert wurden.
Nach Ende des Krieges übernahm Karl Kreiling, Horst Kreilings Vater, die Geschäftsführung und schaffte den ersten Lkw aus Armeebeständen an. Anfang der 1950er-Jahre kamen Seilbagger für den Abbau hinzu und 2 Kipp-Lkw. Ein dritter Kipp-Laster wurde 1955 angeschafft. Zu diesem Zeitpunkt lieferte Kreiling bereits Putz- und Mauersand für die komplette mittelhessische Region. Mitte der 1960erJahre wurden die ersten Containerfahrzeuge gekauft. Der Umbau zu einem bis heute erfolgreichen Entsorgungsunternehmen nahm seinen Anfang. Horst Kreiling trat 1970 in das Unternehmen ein und ist seit 1975 Geschäftsführer.
Unter seiner Leitung wurde die Abfall- und Entsorgungssparte ausgebaut. Die Sandvorkommen waren Ende der 1980er-Jahre erschöpft, und der Grubenbetrieb wurde eingestellt.
Geschichte und Neuzeit
Die fünfte Generation, Achim und Oliver, die Söhne von Horst Kreiling, fangen Anfang der 1990er-Jahre im Betrieb an. Achim erlitt nach kurzer und schwerer Krankheit einen viel zu frühen Tod. Oliver ist seit einigen Jahren Hauptgeschäftsführer von Kreiling und den dazugehörigen Tochterunternehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Unternehmen bereits expandiert und die Firma HK Umweltschutz und Recycling- und Containerdienst GmbH gegründet. Zusätzlich wird die Sparte „Schießstand“ zur Sanierung von BundeswehrSchießanlagen ausgebaut. Seit 1995 gibt es den Standort in Gießen im Hüttenweg. Hier befindet sich auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern eine hochmoderne Gewerbeabfall-Sortieranlage mit Ballenpresse und Zerkleinerungsanlage.
Ab in den Müll
Von der noch vollen Coladose über Waschmaschinen, Haushalts- sowie Gartengeräte, Ferngläser, Kleidung bis hin zur Schokolade, wandert im Unternehmen Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG so einiges in die Entsorgung.
„Ja, und manchmal schmerzt es fast, wenn man sieht, welche Produkte im Müll landen“, gibt Julian Kreiling zu.
Wir stehen in einer der Hallen, in der Reststoffe sortiert und zerkleinert werden. „Oh sorry, es ist gerade nicht sehr aufgeräumt“, sagt Julian Kreiling und lacht. „Wir nehmen Elektronikschrott an und zerlegen ihn in die einzelnen Bestandteile, Kupfer usw. und verarbeiten das Material weiter. Das sind alles Wertstoffe. Im Handy beispielsweise befinden sich nur Stoffe, die weiterverwertet werden können. Das fällt unter die sogenannte stoffliche Verwertung und ist damit noch ,brauchbar‘. Übrigens hat der Gesetzgeber inzwischen Verbrennen mit Verwertung gleichgesetzt. Alles, was in die Verbrennung wandert, fällt unter ,nichtstoffliche‘ Verwertung,“ informiert uns Julian Kreiling.
Alles aus einer Hand
An dieser Stelle klinkt sich Horst Kreiling ein: „Im Bereich Entsorgung bieten wir fast die ganze Palette an.
Wir entsorgen aus den Bereichen Gewerbe und Industrie, aber auch Reststoffe aus Gießereien. Wenn Händler aus der näheren Umgebung Umverpackungen oder Holz beseitigen möchten, wenden sie sich ebenfalls an uns. Ab und zu kontaktieren uns auch Privatleute. Erst vor Kurzem rief mich ein Privatmann an und sagte: ,Ich bekomme ein neues Wohnzimmer, das alte muss weg.‘ In einem solchen Fall fahren wir an die angegebene Adresse und stellen dort einen Container in der entsprechenden Größe hin.“
Saugbagger im Einsatz
Zu weiteren Dienstleistungen der Ludwig Kreiling GmbH und Co. KG gehören auch Reinigungsarbeiten in der Industrie. „Mit Saugfahrzeugen rücken wir beispielsweise bei Buderus an. Unter den Aufbereitungsanlagen oder in den Ecken der Förderbänder setzt sich meist allerhand Staub, Schmutz und Sand ab. Das saugen wir raus.“ Dieser „Abfall“ wird in sogenannte Big Bags gepackt und untersucht, bevor er weiterverwertet wird. Der Saugbagger, mit dem Kreiling arbeitet, ist inzwischen 23 Jahre alt. „Fast so alt wie ich“, sagt Julian Kreiling. „Er hat über 100.000 Betriebsstunden auf dem Buckel. Da wird bald eine Neuanschaffung ins Haus stehen.“
Die Zeiten der Pandemie hat das Unternehmen Kreiling relativ gut überstanden. „Es gab keine Kurzarbeit und auch keine Lohnabzüge. Zum Glück gab es in diesen zwei Jahren auch bei unseren Kunden keinen Betriebsstillstand, alle haben weitergearbeitet, und so hatten wir ausreichend zu tun.“
Die Kunden im Blick
Das Unternehmen hat einen festen Kundenstamm – die meisten gehören, wie Bosch oder Buderus, schon seit vielen Jahren dazu. Es gibt aber auch einen rotierenden Kundenstamm, das sind meist Privatleute oder kleinere Betriebe. „Viele der Kunden sind inzwischen auch Kunden unseres 100-prozentigen Tochterunternehmens ad-acta. Bei fast allen muss in einem bestimmten Turnus ,ausgemistet‘ werden. Da ist eine professionelle Aktenvernichtung unter Berücksichtigung sämtlicher Datenschutzauflagen schon wichtig.“ Geht es um die reine Aktenvernichtung zählen hauptsächlich Bankfilialen von der Volksbank über die Sparkasse, aber auch Polizeidienststellen und viele andere Unternehmen zu ihren Stammkunden. „Für Kunden, bei denen es um reine Aktenvernichtung geht, haben wir Kofferfahrzeuge. Damit werden größere Behälter für die Aktenentsorgung angeliefert und bei den Kunden aufgestellt. Der Unterschied zu herkömmlichen Altpapiertonnen: manche haben zur Befüllung nur einen Schlitz zum
Einwerfen, andere können zwar normal befüllt werden, sind aber dann abschließbar.“
Um die Betreuung der Kunden kümmern sich zum einen Außendienstmitarbeiter, aber auch die Geschäftsführung persönlich, wie zum Beispiel Sven Kentenich. Er ist seit über 25 Jahren im Unternehmen, Kentenich hat als Berufskraftfahrer angefangen und ist seit 2008 Mitglied der Geschäftsführung. Er ist zuständig für den Fernverkehr, den umsatzstärksten Bereich im Unternehmen. Dieser Bereich umfasst Gießereien, Stahlwerke und Entsorgungsstellen im gesamten Bundesgebiet.
Kreiling als Arbeitgeber
Die meisten Fahrer, die bei der Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG arbeiten, sind schon viele Jahre dabei. „Unser aktueller Azubi ist der Sohn eines Fahrers. Auch bei ihm sind wir sehr optimistisch, dass er uns nach der Ausbildung erhalten bleibt“, sagt Julian Kreiling. „Bei uns herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre. Auch wenn der Umgangston vielleicht manchmal ein bisschen rauer ist, er bleibt immer respektvoll und man begegnet sich auf Augenhöhe. Wenn mein Opa mich kritisiert, dann nehme ich mir das zu Herzen. Das gilt auch für das Personal. Da müssen ab und zu klare Worte fallen, sonst funktioniert die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos. Manchmal heißt es eben: ‚Du machst das jetzt so und nicht anders. Punkt!‘ Da gibt es dann auch keine Diskussion. Wichtig ist es, dass man sich schon eine Stunde später wieder problemlos in die Augen schauen kann.“
Am Ende unseres Termins bei Horst Kreiling und Julian Kreiling wird uns noch der jüngste Neuzugang vorgestellt:
Die acht Monate alte Labradorhündin Lotte, die im Büro nebenan in ihrem Körbchen liegt. Wir verabschieden uns von Opa und Enkel und von Lotte und kehren zurück an unseren Arbeitsplatz in Frankfurt, der weitaus weniger spannend ist als bei der Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG in Gießen.
Zur Person:
Die Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG in Zahlen:
- Seit 1990 Aufbau der Sparte Schießstand zur Sanierung von Bundeswehr-Schießanlagen.
- Seit 1995: weiterer Standort in Gießen, Hüttenweg 8, auf einer Fläche von 20.000 m2 wird die hochmoderne
Gewerbeabfall-Sortieranlage mit Ballenpresse und Zerkleinerungsanlage eingeweiht. - 1997: Zertifizierung als einer der ersten Entsorgungsfachbetriebe in Hessen.
- 2005 Gründung der SBM, Sekundärbrennstoff Mittelhessen, Bau und Betrieb einer EBS-Anlage.
- 2009: Gründung und Bau der Mineralmischwerk Wiesbaden GmbH mit Sitz in Wiesbaden zur Aufbereitung von Gießerei-Reststoffen.
- 2010 Erwerb der ad-acta Datenschutz und Recycling GmbH mit Schredderanlage zur professionellen Aktenvernichtung.
- 2019: Beteiligung am Furnier- und Holzwerk in Mittenaar.
Aktuell umfasst der Fuhrpark 37 Fahrzeuge: Absetzkipper, Abrollkipper, SZM, Saugfahrzeug, Umleerfahrzeuge, Kofferfahrzeuge.
Insgesamt sind bei der Ludwig Kreiling GmbH & Co. KG und den dazugehörigen Tochterunternehmen und Beteiligungen rund 150 Mitarbeiter beschäftigt, davon 35 Fahrer.