Foto: Anja Ludwig

Seit Juli 2022 leitet Anja Ludwig das Kompetenzzentrum Straßengüterverkehr und Logistik der KRAVAG. Wir wollten von der Juristin wissen, was sie in dieser Position für die Branche bewegen möchte

Hallo Frau Ludwig, wo erreichen wir Sie gerade?

Am Hamburger Standort der KRAVAG. Meistens arbeite ich in Berlin im Home-Office, aber im Schnitt einmal pro Woche bin ich in Hamburg. Heute habe ich noch zwei Termine mit Unternehmern. Überhaupt bin ich eine Menge in ganz Deutschland unterwegs. Voriges Jahr waren es 46 Dienstreisen für die KRAVAG mit jeweils mehreren Terminen, ich lerne die Republik also ganz gut kennen.

Sie haben zwölf Jahre für den Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen gearbeitet. Was hat sie bewogen, von dort zur KRAVAG zu wechseln?

Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. Am Ende war der Wunsch stark, meine Kraft wieder in
ein einziges Unternehmen zu stecken. Außerdem wollte ich, dass meine Arbeit messbarer wird. Wenn man Lobbyarbeit für einen Verband macht, dauert es oft sehr lange, bis sich Erfolge zeigen, das ist nun hoffentlich anders. Es gibt aber auch Kontinuität: Der genossenschaftlich-partnerschaftliche Ansatz der KRAVAG, der mir gut gefällt, passt zu meiner bisherigen Aufgabe. Nicht zu vergessen: Logistik ist unglaublich spannend – und noch vielfältiger, als ich erwartet hatte.  

Welche Funktion hat das Kompetenzzentrum, und was möchten Sie als Leiterin bewegen?

Wir sind eine Art Zahnrad zwischen der KRAVAG als Versicherung auf der einen und den Transportbetrieben und Speditionen auf der anderen Seite. Wir beobachten die Entwicklungen in der Branche und hören zu, wo die Sorgen und Nöte der Unternehmer liegen. Ziel ist,  diese Erkenntnisse innerhalb der KRAVAG und R+V an die richtigen Stellen zu tragen, damit sie zur Entwicklung von Produkten und Services beitragen, die für uns wirtschaftlich sind, aber auch den Kunden wirklich weiterhelfen. Meine Rolle dabei ist die einer Brückenbauerin. Ich gehe raus und suche den Austausch mit den Unternehmern – daher die vielen Dienstreisen. 

Was bringen Sie von diesen Reisen mit, was treibt die Branche zurzeit um?

Vor allem drei Themen begegnen mir immer wieder. Erstens: Personal. Selbst wer sich massiv um gute Fahrer bemüht, hat es dabei immer schwerer. Zweitens: Nachhaltigkeit. Vor allem der Druck der Auftraggeber auf die Betriebe, in neue Antriebstechnologien zu investieren, nimmt weiter zu. Und drittens: Cyber-Security. Die Unternehmen sehen sich verstärkt Angriffsversuchen von Kriminellen ausgesetzt. Das haben noch nicht alle realisiert. Gerade bei Familienbetrieben ohne großen Overhead habe ich dafür Verständnis, denn auch für Unternehmer hat der Tag nur 24 Stunden. Umso mehr sehe ich uns in der Pflicht, die Leute anzuspornen, das Thema zur Chefsache zu machen. Angesichts so vieler Herausforderungen betrachte ich es übrigens auch als meine Aufgabe, einen gewissen Optimismus in die Unternehmen zu tragen. 

„Ich will auch Optimismus verbreiten“

ANJA LUDWIG

Optimismus ist wichtig, reicht aber nicht aus. Wie können Sie die Unternehmen konkret unterstützen?

Nehmen Sie als Beispiel die Antriebstechnologien. Das ist ein komplexes Thema. Wenn man da als Unternehmer auf dem Laufenden bleiben will, kostet das einiges an Ressourcen. Ganz zu schweigen davon, dass diese Technologien nach wie vor teuer sind. Hier müssen wir die Entwicklungen genau im Auge haben und intern die richtigen Informationen weitergeben. Dabei arbeiten wir eng mit R+V-Kollegen in Wiesbaden zusammen, die sich um dieses Thema kümmern. Wer in Transport und Logistik erfolgreich bleiben will, muss über kurz oder lang nachhaltig werden. Dazu kann auch gehören, Transporte auf die Schiene zu verlagern. Deshalb haben wir das Projekt truck2train unterstützt, das BGL und Allianz pro Schiene angestoßen haben für Mittelständler, die den Kombinierten Verkehr nutzen wollen. Dort gibt es  Schnittstellen wie die Verladung vom Truck auf den Zug, die spezifischen Absicherungsbedarf mit sich bringen.   

Welche Rolle spielt die Verkehrssicherheit? Stichwort: Assistenzsysteme, die von den Fahrern oft ausgeschaltet werden.

Klar, wir versichern Schäden. Aber noch lieber ist uns, wenn Schäden gar nicht erst entstehen. Schließlich steht und fällt der Erfolg eines Verkehrsträgers mit seiner Sicherheit. Deshalb ist es mir ein wichtiges Anliegen, in dieser Hinsicht das Bewusstsein hochzuhalten. Allerdings denke ich, dass viele Unternehmen hier in den vergangenen Jahren viel richtig gemacht haben. Ein großer Teil der Fahrer hat sich bereits an die Systeme gewöhnt und nutzt sie wie vorgesehen. Das hat auch eine aktuelle Studie bestätigt, die wir in Zusammenarbeit mit der FH Westküste gemacht haben. Aber hier gibt es definitiv noch Luft nach oben.

Wie bringen Sie Ihren Job mit Ihrem Familienleben unter einen Hut?

Ich bin dankbar, dass sich seit der Pandemie das Format der Videokonferenzen durchgesetzt hat. Das vereinfacht die Sache sehr. Es geht zwar nicht ohne den direkten Austausch. Aber wenn man sich erstmal in natura kennengelernt hat, kann man anschließend vieles sehr schnell von Bildschirm zu Bildschirm regeln. Die Mischung macht’s! Wenn ich daran denke, dass wir früher selbst für Ein-Stunden-Konferenzen im Verkehrsministerium nach Bonn geflogen sind – das war alles andere als nachhaltig. Auch vor diesem Hintergrund mache ich heute fast all meine Dienstreisen mit der Bahn.

Wie sorgen Sie an stressigen Tagen für Ausgleich?

Ich bin ein Bewegungsjunkie, der gerne laufen und ins Fitnessstudio geht. Komme ich nicht dazu, schlägt sich das auf meine Stimmung nieder. Deshalb versuche ich auch, das in Arbeitstage zu integrieren. Erst gestern habe ich mich in Berlin mit einem Gesprächspartner nicht im Büro verabredet, sondern zu einem Spaziergang.  

Vervollständigen Sie zum Schluss bitte spontan diesen Satz: Das Leben ist zu kurz, um …

… sich zu viele Sorgen zu machen. 

Zur Person

Anja Ludwig ist gebürtige Berlinerin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im Teenageralter in der Hauptstadt. Die Juristin kommt aus einer Fuhrunternehmer-Familie. Als Leiterin des Kompetenzzentrums Straßengüterverkehr und Logistik bei der KRAVAG folgt sie Prof. Axel Salzmann nach, der inzwischen im Ruhestand ist.

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