Moderne Batterie-Lkw bringen es inzwischen auf eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Fotos: shutterstock/Peak. Standards, shutterstock/Scharfsinn
Nur jeder 50. Lkw fährt derzeit batteriebetrieben. Welche Faktoren die Marktdurchdringung heute bremsen und warum sich das morgen sehr schnell ändern kann.
Was früher Brauereipferde machten, erledigen heute E-Lkw. Seit fast 700 Jahren braut die Augustiner Brauerei ihr Bier zentral in München und fährt es dann zur eigenen Abfüllanlage am Stadtrand. Seit Anfang dieses Jahres setzt das Unternehmen dafür zwei elektrische Sattelzüge vom Typ Volvo FM Electric ein. Alle europäischen Hersteller, neben Volvo auch DAF, Daimler Truck, MAN, Renault und Scania, bieten inzwischen batterieelektrisch angetriebene Lastkraftwagen an. Dass die Marktdurchdringung aber immer noch marginal ist, liegt an mehreren Faktoren. Die Reichweite ist wohl der wichtigste dieser Faktoren.
Faktor 1: Reichweite
Ein Diesel-Lkw schafft mit vollem Tank 1000 Kilometer und mehr, davon sind E-Lkw noch weit entfernt. Der Ende vergangenen Jahres vorgestellte Mercedes-Benz eActros 600 mit einer Batteriekapazität von 600 Kilowattstunden schafft 500 Kilometer mit einer Batterieladung. Auf einer „European Testing Tour“ legte er im vergangenen Sommer erfolgreich eine mehr als 10.000 Kilometer umfassende Testtour zurück, unter der Maßgabe, immer nur einmal am Tag zu laden. Ein Modell des niederländischen Herstellers DAF bringt es ebenfalls auf eine Reichweite von 500 Kilometern, Laster von Scania schaffen 350 bis 400 Kilometer, MAN kündigt für 2025 einen E-Lkw mit 400 Kilometer Reichweite an.
Im Langstreckenverkehr können die elektrischen Laster damit derzeit noch nicht mit den dieselbetriebenen mithalten. Anders im Kurzstrecken- und Pendelverkehr. In die Tankfahrzeuge der Augustiner Brauerei etwa wurden sogar nur fünf statt der üblichen sechs Batteriepakete mit je 90 Kilowattstunden Leistung installiert.
Faktor 2: Lademöglichkeiten
Sind die Batterien leer, muss geladen werden. Die Verfügbarkeit von Nachladeoptionen ist der zweite wichtige Faktor, der über die Verbreitung von E-Lkw bestimmt. Die Möglichkeiten, E-Lkw aufzuladen, teilen sich grundsätzlich in das private Depot-Laden und das öffentliche Laden auf.
Das private Laden, etwa in den Standzeiten über Nacht auf dem Betriebshof, fallen in die Verantwortung der Transportunternehmen. Auf der diesjährigen IAA Transportation präsentierte Hersteller Scania dafür etwa ein Konzept, mit dem Kunden beim Aufbau individuell zugeschnittener Ladelösungen unterstützt werden.
Während beim privaten Laden die Ladedauer eher zu vernachlässigen ist, kommt ihr beim Laden an öffentlichen Stationen, etwa auf Raststätten oder Autohöfen, eine große Bedeutung zu. Vor allem, wenn es um das Laden in den Fahrpausen geht.
Die Batteriepakete vergrößern das Eigengewicht und reduzieren so unter Umständen die Zuladung
Grundsätzlich werden zwei Ladestandards unterschieden: Der CCS-Standard (Combined Charging System) wurde für das Laden von E-Pkw mit Ladeleistungen von bis zu 500 Kilowatt entwickelt. Das Laden eines Lkw ist damit möglich, aber zeitaufwendig. Sowohl an öffentlichen Stationen wie auch auf dem Betriebshof eignet sich der Standard für das Laden über Nacht.
Der neue MCS-Standard (Megawatt Charging System) lädt mit maximal 3,75 Megawatt und schafft damit eine Lkw-Ladung in 30 bis 45 Minuten – praktischerweise entspricht das genau der gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeit für Fahrer. Leider ist dieser Standard noch nicht serienreif, sondern wird erst in einzelnen Pilotprojekten erprobt.
Doch die Politik setzt schon auf dieses Ladeverfahren. Im Juli stellten die Bundesminister Volker Wissing und Robert Habeck das Programm „Power to the Road“ vor, demzufolge das Schnellladenetz an deutschen Autobahnen ausgebaut werden soll. An 350 ausgewählten bewirtschafteten und unbewirtschafteten Standorten soll die Lkw-taugliche Schnellladeinfrastruktur entstehen.
Faktor 3: Preis
Gerade in wirtschaftlich angespannten Situationen kommt dem Faktor Preis eine hohe Bedeutung zu. Elektrische Lkw sind deutlich teurer als dieselbetriebene, Branchenkenner sprechen hier vom Dreifachen des Preises. Das liegt derzeit auch an den teuren Batterien – noch. Einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI zufolge werden die Preise hier deutlich sinken, und das schneller als bisher angenommen. Skaleneffekte durch eine hochfahrende Produktion und die Maut-Befreiung für emissionsfreie Lkw könnten die Amortisation für Transportunternehmer deutlich beschleunigen. „Nach heutigen Kenntnisstand“, so schreiben die Fraunhofer-Forscher, „stellen batterieelektrische Lkw mit hoher Sicherheit die vielversprechendste Technologie dar, um mindestens das Kostenniveau von heutigen Diesel-Lkw zu erreichen.“
DIE SITUATION IN HESSEN
Anfang vergangenen Jahres wurde die E-Ladestation für Lkw auf dem Autohof im südhessischen Bensheim in Betrieb genommen. Damit elektrifiziert der Mineralölkonzern Aral 600 Kilometer des Rhein-Alpen-Korridors, eine der am stärksten befahrenen Logistikrouten in Europa. An acht 300-kW-Ladestationen zwischen Schwegenheim (Rheinland-Pfalz) und Dortmund (NRW) können E-Lkw damit in 45 Minuten grünen Strom für eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern beziehen.