Credits: Hensel Logistik/Daniel Hensel

Von Standard- bis Sonderlösungen bietet Hensel Logistik aus dem rheinland-pfälzischen Grolsheim Transport- und Logistikdienste an und hat sich auf Textilien und Wein spezialisiert. Daniel Hensel führt das Familienunternehmen in fünfter Generation und ist zugleich Vorsitzender des Branchenverbandes SLV.

Herr Hensel, wo erwischen wir sie denn gerade?

Daniel Hensel (lacht): Ich stehe gerade unten im Lager mitten zwischen Champagnerflaschen und kümmere mich um eine leider etwas verzögerte Lieferung für das Münchner Oktoberfest.

Die Geschichte von Hensel Logistik reicht zurück bis 1850. Wie waren die Anfänge Ihres Unternehmens?

Los ging’s mit Pferdegespannen hier in Mainz und in Wiesbaden, die wahrscheinlich Kohle transportiert haben. Auch am Bau der ersten Bahnverbindung in Mainz haben wir mitgearbeitet. Mehr ist aus der Frühgeschichte leider nicht bekannt. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg hat mein Großvater den ersten Lkw angeschafft. Damit wurden Transporte im Rhein-Main-Gebiet und nach Norddeutschland abgewickelt. Noch zu dem Zeitpunkt, an dem ich ins Unternehmen eingetreten bin, waren wir ein reiner Ladungsspediteur. Ich habe dann meinen Vater davon überzeugt, dass wir uns breiter aufstellen und andere Dienstleistungen, wie etwa Lagerlogistik, anbieten müssen. Das war ein steiniger Weg. Neben zunächst deutschland-, dann europaweitem Stückgut haben wir erste kleine Lagerdienste angeboten. Schließlich fiel die Entscheidung, in unsere Lagerlogistik zu investieren und hier in Grolsheim neu zu bauen. Seit sechs Jahren sind wir jetzt hier und haben unsere Dienstleistung ausgeweitet, sodass heute Lagerlogistik und Logistikdienstleistungen insgesamt eine viel wichtigere Rolle spielen als vorher.

Welche Werte bestimmen Ihre unternehmerische Arbeit?

Ehrlichkeit und Vertrauen sind zentrale Werte bei uns, sowohl unter den Mitarbeitern wie in der Beziehung zu unseren Kunden. Was daneben am wichtigsten ist, sind meine Mitarbeiter. Ich habe irgendwann mal gesagt, ich will die besten und zufriedensten Mitarbeiter haben. Dazu gehört, vernünftig mit Mitarbeitern umzugehen und ein Wohlfühlumfeld zu schaffen. Das ist nicht immer einfach, denn natürlich gibt es auch Unstimmigkeiten und Reibereien.

Dabei geht es oft gar nicht um Themen wie Arbeitszeit oder Geld, sondern um psychologische Faktoren: Werde ich von Kollegen und Vorgesetzten wertgeschätzt? Werde ich angehört, wie geht man mit meinen Ideen um? Mit steigender Unternehmensgröße kann man das alleine nicht mehr leisten. Wir sind inzwischen über 40 Leute im Büro. Da merkt man schon, dass man nicht mit 40 Kollegen regelmäßig sprechen kann, deshalb haben wir ein Führungsteam installiert. Das wollten wir nicht einfach losrennen lassen, deshalb haben wir uns coachen und schulen lassen. Heute haben wir ein Leitungsteam aus fünf Mitarbeitern, von denen drei auch in der Geschäftsleitung sind. Jeder Führungskraft sind bestimmte Mitarbeiter zugeordnet. Jeder hat also sein Team und führt es nach unseren Prinzipien. Das funktioniert so gut, dass wir zum Beispiel praktisch keine Kündigungen kennen.

Zur Person

Nach Abitur und einer Ausbildung zum Spedi-tionskaufmann arbei-tete Daniel Hensel bei Speditionen in Mainz und Bremen, bevor er in der Hansestadt Logistik studierte. 1995 stieg er, in fünfter Generation, ins Familienunternehmen ein und trieb die Entwicklung zum breit aufgestellten Logistikunternehmen voran. Immer wieder engagierte er sich auch in der Verbandsarbeit, sei es im Bundesverband Güter-kraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) oder im Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Nach Jahren der Vorstandsarbeit im Landesverband Rheinland-Pfalz/Hessen wurde er 2024 zum Vorstandsvorsitzenden des SVL gewählt.

Der zweifache Familienvater ist begeisterter Segler und glühender Anhänger des Fußballvereins FSV Mainz 05. Hensel verbringt gerne Zeit zu Hause. „Man arbeitet, um zu leben und nicht umgekehrt“, betont Hensel. Und das gilt auch für seine Mitarbeiter.

Seit dem vergangenen Jahr sind Sie Vorstandsvorsitzender beim Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz (SLV). Welche Ziele stehen da auf Ihrer Agenda?

In erster Linie vertreten wir im Verband unsere Branche gegenüber der Politik. Ganz bewusst suche ich auch die Nähe zu den Kollegen vom Fachverband. Gerade haben wir etwa gemeinsam einen Termin mit dem hessischen Verkehrsminister Kaweh Mansoori durchgeführt. Das empfinde ich als großen Erfolg. Auf Verbandsebene müssen wir gucken, dass wir die Politik abholen, die müssen verstehen, was wir wollen. Oft sind es kleine Schritte, die uns weiterhelfen. Und das in vie-len Bereichen, sei es Infrastruktur, Lkw-Maut oder alternative Antriebe. Wir als Verband müssen die Regierung dabei unterstützen, die Klimaziele zu erreichen. Aber auch so, dass sie erreichbar sind. Dazu brauchen wir eine Ladeinfrastruktur – und da sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein müssten. Erst wenn es die gibt, können wir ja die Lkw kau-fen. Das muss man der Politik erklären.Natürlich müssen wir auch die Interessen unserer Mitglieder verfolgen. Also vernünf-tige Förderungen, vernünftige Besteuerung, E-Fuels, HVO 100 – das sind Maßnahmen, die uns jetzt helfen, CO2 zu reduzieren. Eine vernünftige Steuerpolitik, mit der HVO 100 eine Chance hat, betriebswirtschaftlich ge-nutzt zu werden, die würde uns helfen.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der Logistikbranche und wie gehen Sie damit um – in Ihrem Unternehmen aber auch zusammen im SLV?

Zentrales Thema bei uns im Verband ist der Fachkräftemangel. So drängend das Thema heute schon ist, ich bin mir sicher, dass es uns in den nächsten Jahren immer mehr ein demografischen Wandel nicht mehr schaffen, unseren Bedarf zu decken. Das heißt, wir müssen uns heute schon Gedanken machen, wie wir morgen unsere Dienstleistung mit weniger Personal umsetzen. Dann landet man natürlich ganz schnell bei künstlicher Intelligenz. Bei Hensel haben wir gerade unsere komplette Nahverkehrsdisposition an eine KI-gestützte Tourenoptimierung übergeben. Das heißt: Da sitzt kein Mitarbeiter mehr, der morgens die Touren plant, das erfolgt komplett über eine KI-Dispositionslösung. Natürlich kann man auch bei Google Maps gucken, wo Staus sind. Aber eine KI-gestützte Lösung macht das halt von sich aus und lässt es in die Planung einfließen. Genutzt werden auch Erfahrungswerte, also wenn irgendwo in der Innenstadt eine Straße immer zwischen 10 und 12 Uhr blockiert ist. Das macht ein Disponent im Zweifel auch, aber die Frage ist, ob er für das gesamte Gebiet, das er betreut, alle diese Stellen auch kennt. Richtig spannend wird es dann, wenn das System lernt. Also wenn eine Tour geplant und tatsächlich gefahren wird, dann kann man die Daten über Fahrzeiten, Geschwindigkeiten und Standzeiten zurückspielen und verwendbar machen. Daraus lernt das System.

Welche weiteren Herausforderungen beschäftigen Sie im Verband?

Die Situation der Berufskraftfahrer ist ein entscheidendes Thema. Da seh ich die Herausforderung noch größer, weil es da nicht nur um deutsche Berufskraftfahrer geht, sondern um europäische. Man muss das so deutlich sagen: Wenn wir es nicht schaffen, Infrastruktur und Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Berufskraftfahrer ein menschenwürdiges Leben führen können, dann haben wir ein Problem. Ganz banal gesagt: Jeder Fahrer hat ein Recht, seine Pause vernünftig machen zu können. Dafür braucht es vernünftige Raststätten und ausreichend Lkw-Parkplätze. Und nicht nur Parkplätze. Fahrer wollen eine ordentliche Toilette, eine saubere Dusche. Ich kann jeden Fahrer verstehen, der sagt: Ich mag den Beruf nicht mehr, weil ich mich ekle, auf diese Toiletten zu gehen oder abends in diese Dusche zu steigen. Wir leben heute in einer Gesellschaft, wo sowas nicht mehr sein sollte. Da haben wir einen absoluten Sanierungsstau.

Logistik ist mit das spannendste Umfeld, das ich mir vorstellen kann.

Daniel Hensel

Beschäftigen Sie sich auch mit dem Feiertagsfahrverbot?

Also das ist so schlimm, da geht mir wirklich die Hutschnur hoch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Unsere Fahrer fahren nachts zu Depots. Dafür kommen sie abends um 18 oder 20 Uhr zur Arbeit, fahren los zu einem Hub, dann wieder zurück. Sie treffen hier um 2 oder 3 Uhr nachts ein, stellen den Lkw ab und gehen nach Hause zur Familie. Beim Feiertagsfahrverbot möchte unser Gesetzgeber, dass dieser Fahrer, der um 2 oder 3 Uhr wieder hier wäre, um 0 Uhr einen Rastplatz anfährt, 22 Stunden dort steht und am nächsten Tag um 22 Uhr die letzten zwei bis drei Stunden fährt – was natürlich völlig irrsinnig ist. Ich kann jeden Fahrer verstehen, der das nicht mitmachen will.Wenn wir das aber mit der Politik dis-kutieren, kriegen wir verschiedene Antwor-ten, alle nicht stichhaltig. Die schlimmste: Auch Fahrer haben einen Feiertag verdient. Natürlich haben sie das, aber zu Hause bei der Familie und nicht auf dem Rastplatz. Wir wollen natürlich nicht, dass das Fahrverbot komplett gestrichen wird, son-dern nur, dass es nicht ab 0 Uhr, sondern ab 7 Uhr gilt. Dann hat jeder Fahrer, der diese Systemverkehre bedient, die Möglichkeit, wieder nach Hause zu kommen und den Feiertag bei der Familie zu verbringen.

HENSEL LOGISTIK

  • Gegründet 1850
  • 100 Mitarbeiter
  • Standorte in Grolsheim (RP), Hannover (NDS) und Hilden (NRW)
  • 10.000 m2 Logistikfläche, 10.000 Stellplätze
  • IT mit Weberfassung, DFÜ, Track&Trace
  • Moderner GPS-überwachter Fuhrpark

Welche Themen beschäftigen den SLV noch?

Ein weites Thema sind die Anforderungen an die Logistik. Logistikdienstleistungen werden immer mehr nachgefragt, weil Unternehmen immer mehr Aufgaben in die Hände von Fachleuten geben wollen. Früher haben Produzenten von der Herstellung bis zum Versand alles in eigener Hand gehabt. Nun werden wir immer tiefer in diese Prozesse einbezogen. Und das ist eine Herausforderung, die weit über Lager und Transport hinausgeht. Da stellen sich Fragen etwa nach der richtigen Versicherung oder Haftungsfragen, bis hin zur Produkt-haftung, wo wir teilweise mit reinkommen.

Welche Erfahrungen und Tipps würden Sie jungen Menschen in der Branche mit auf den Weg geben?

Ich muss sagen, Logistik ist mit das spannendste Umfeld, das ich mir vorstellen kann. Der Beruf wird sehr modern durch IT, durch Automatisierung, durch irgendwann ein-mal autonomen fahrende Lkw. Wir haben eine spannende Zukunft vor uns und werden in den nächsten Jahren deutliche Entwicklungssprünge erleben. Und wir haben eine Zukunft, weil man Logistik immer brauchen wird. Das ist ein sicherer Beruf, ein her-ausfordernder Beruf. All diese Klischees von früher, lange Arbeitszeiten, Stress und so weiter, das hat sich geändert, heute kann man vernünftig in der Logistik arbeiten. Wir merken das an vielen Mitarbeitern, die nicht Speditions-kaufmann oder -kauffrau gelernt haben, sondern völlig berufsfremd als Quereinsteiger kommen.Heute geht es darum, komplexe Strukturen zu schaffen, logistische Aufgabenstellungen zu bewältigen, sich Gedanken zu machen, welche Technik, Logistik-hallen und Transportmöglichkeiten ich brauche. Und zwar nicht nur Lkw, sondern auch auf Schiene und Wasserstraßen, vielleicht sogar per Luftfrachter. Es gibt so vielfältige Themen, auch so viel Internationalität, das macht die Sache unwahrscheinlich spannend.

Wir haben eine Zukunft, weil man Logistik immer brauchen wird.
Das ist ein sicherer Beruf.

Daniel Hensel
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