Mehrere Schnellladepunkte für Lkw integriert Milence in einzelne Ladestationen. Fotos: Milence

Um eine Ladeinfrastruktur für den elektrifizierten Straßengüterverkehr aufzubauen, kooperiert die SVG Hessen mit Milence, einem Joint Venture der Lkw-Hersteller Daimler, Volvo und Traton. Welche Pläne das Unternehmen verfolgt und was es sich von der Zusammenarbeit mit der SVG verspricht, erklärt CEO Anja van Niersen.

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ilence strebt das Ziel von 1700 Hochleistungsladepunkten in Europa an. Wie weit sind Sie schon auf dem Weg dorthin und wann werden Sie es erreichen?
Anja van Niersen: Milence will Europas größtes öffentliches Ladenetz für schwere Elektrofahrzeuge aufbauen und mindestens 1700 Ladepunkte an 300 bis 400 Ladestationen einrichten. Im letzten Jahr haben wir drei Ladestationen eröffnet, weitere zwölf sind in der Entwicklung. Dabei nutzen wir alle Erkenntnisse aus früheren Ladestationen, um bei neuen schneller voranzukommen. Wir sind zuversichtlich, unser Ziel bis 2027 zu erreichen.

Welches sind die größten Hindernisse auf diesem Weg?
Der Übergang zur Elektrifizierung steht vor einigen Herausforderungen, die jedoch mit den richtigen Strategien bewältigt werden können. Eine der wichtigsten ist die Zukunftsfähigkeit der Stromnetze, um die steigende Nachfrage von Elektrofahrzeugen zu decken. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Komplexität des Datenaustauschs verschiedener Systeme, sprich: eine vollständige Interoperabilität. 

Milence hat bisher Ladepunkte in Venlo/Niederlande, Antwerpen/Belgien und Rouen/Frankreich errichtet. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Standorte aus?
Diese drei Hubs sind eröffnet, ein weiterer in Varberg/Schweden befindet sich derzeit im
Bau und wird Anfang Oktober fertig sein. Unsere Strategie ist es, uns entlang der Hauptverkehrsachsen, der Ten-T-Korridore, zu positionieren. Wir fokussieren uns zunächst auf Häfen, Flughäfen und weitere große Knotenpunkte, wo sich der meiste Lkw-Verkehr konzentriert. 


Die gebürtige Niederländerin Anja van Niersen studierte Psychologie und befasste sich in ihrer Abschlussarbeit mit dem Thema Innovationsmanagement. Nach Engagements unter anderem bei einem niederländischen Energieversorger will sie mit Milence den europäischen Straßengüterverkehr elektrifizieren.

Milence setzt auf den MCS-Ladestandard, bei dem ein E-Lkw innerhalb von maximal 45 Minuten geladen werden kann – der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeit für Fahrer. Welche Anforderungen stellt dieser Ladestandard? 
MCS ist ein Hochleistungs-Ladesystem, das bis zu 3,75 Megawatt liefern kann. Es verkürzt die Ladezeiten um 90 Prozent, sodass die Batterien in etwa 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent aufgeladen werden können. Dies erfordert eine hohe Energiemenge, garantiert aber auch eine große Effizienz, weil die maximale Energiemenge mit minimalen Verlusten übertragen wird.

Werden Sie in der Lage sein, alle Ladepunkte nach dem MCS-Standard einzurichten?
Der Rollout unserer Ladestationen basiert auf einer detaillierten Analyse, um den richtigen Lademix an den jeweiligen Standorten sicherzustellen. Unser Ziel ist es, den MCS-Standard einzuführen. Doch sind wir uns bewusst, dass die CCS-Technologie auch weiterhin zum Einsatz kommt. Zusammen erfüllen beide Technologien eine breite Palette von Anforderungen und ermöglichen sowohl Schnellladungen als auch das langsamere Laden etwa über Nacht.

Wir konzentrieren uns stark auf Entwicklung und
Ausbau des Netzes in Deutschland.

Milence baut sein Ladenetz in Europa von Norwegen bis Spanien aus. Welche Bedeutung kommt Deutschland dabei zu?
Deutschland ist eines der wichtigsten Länder für den Güterverkehr in Europa, weshalb wir uns stark auf Entwicklung und Ausbau unseres Netzes hier konzentrieren. Unsere angekündigten Hubs liegen strategisch günstig an wichtigen Verkehrsachsen: beim Hermsdorfer Kreuz an der A4 in Thüringen; an der A9 in Vockerode, Sachsen-Anhalt zwischen Berlin und Leipzig sowie bei Koblenz und damit in der Nähe der Häfen von Rotterdam und Belgien.

Welche strategische Bedeutung hat Hessen für Milence?
Die zentrale Lage und das dichte Netz an Autobahnen, darunter die A 3, A 5 und
A 7, machen Hessen zu einer unverzichtbaren Drehscheibe. Die Region um Frankfurt am Main hat sich ebenfalls zu einem wichtigen Logistik-Hub entwickelt, auch durch die Nähe zum Frankfurter Flughafen, einem der größten Frachtflughäfen Europas. Damit ist Hessen ein wichtiger Knotenpunkt beim Ausbau des Milence-Ladenetzes.

Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit mit der SVG Hessen für Milence?
Wir wollen unsere Ladeinfrastruktur zum größten Netz Europas ausbauen. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Akteuren wie Regierungen und anderen Organisationen von entscheidender Bedeutung. Die SVG Hessen ist einer der starken Partner, mit denen wir gerne zusammenarbeiten. Wir sehen uns als Katalysator für den Wandel und nur durch Kooperationen wie diese können wir eine fossilfreie Zukunft des Straßenverkehrs sicherstellen.

Ten-T ist ein europaweites Netzwerk von Straßen, Schienen- und Wasserwegen sowie Luftfahrtverbindungen. Es teilt sich in große Korridore auf, etwa den Rhein-Donau-Korridor von Wilhelmshaven bis nach Prag.
• MCS: Das Megawatt Charging System ist ein Schnellladestandard mit einer Ladeleistung von bis zu 3,75 Megawatt, mit dem E-Lkw in etwa 30 Minuten geladen sein könnten. Das System befindet sich noch in der Entwicklung, im März 2024 wurde in Deutschland ein erster Prototyp vorgestellt.
• CCS: Das Combined Charging System lädt mit maximal 500 Kilowatt und wurde für E-Pkw entwickelt. Die Ladung eines Lkw dauert damit um ein Vielfaches länger.

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