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Im SVG Aus- und Weiterbildungszentrum in Wetzlar steht der verantwortliche Leiter Ulrich Löhr vor sechs Frauen und zehn Männern unterschiedlichen Alters. Für die nächsten acht Monate werden sie hier jeden Tag lernen bis zu ihrer Prüfung.
An einem Dienstagmorgen im Mai sitze ich in der letzten Reihe im Seminarraum 3 mit 16 angehenden Fahrlehrern. „Kennt einer den Punkte- Tacho?“, fragt Uli Löhr. Nur zögerlich heben sich zwei, drei Hände. Dass bei acht Punkten in Flensburg Schluss ist, da sind sich die meisten Teilnehmer einig. Aber dass man als angehender Fahrlehrer auch selbst nicht mehr als einen Punkt auf seinem Punkte-Konto beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg haben darf, wussten viele nicht.
Die Gruppe ist noch frisch dabei, es ist erst ihr zweiter Tag. „Sie sind noch schüchtern“, meint Uli Löhr später. „Die einzelnen Lehrgangsteilnehmer müssen sich erst aneinander gewöhnen. Es entsteht immer eine Gruppendynamik, die wir Lehrkräfte dazu nutzen, dass sich der Lehrgang in die richtige Richtung entwickelt. Wir legen hier sehr viel Wert auf schüleraktive Methoden der Unterrichtsgestaltung.“
Ein Blick zurück
Der Bereich Logistik, das Fahren, egal ob mit dem Motorrad, Pkw, Lkw oder Omnibus, hat Uli Löhr schon immer fasziniert. Nach seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser ging er zur Bundeswehr und wurde dort zum Fahrlehrer ausgebildet. „Zusätzlich habe ich während meiner Bundeswehrzeit über den Berufsförderungsdienst auch die Ausbildung zum Berufskraftfahrer Fachrichtung Güterverkehr durchlaufen und die Prüfung absolviert.“ Ebenso erwarb Uli Löhr das erforderliche Wissen, um die Sach- und Fachkundeprüfung für den Personenverkehr erfolgreich abzulegen. In den darauffolgenden Jahren absolvierte Löhr Weiterbildungen als Seminarleiter und Moderator für die BG Verkehr. „Ich wollte einfach wissen, wovon ich als Fahrlehrer rede“, betont er. „Fachwissen lässt sich am einfachsten vermitteln, wenn man selbst über viel Fachwissen verfügt.“
Neue Herausforderung
1992 hatte er sich mit einer eigenen Fahrschule für alle Klassen erfolgreich selbstständig gemacht. Dabei unterstützten ihn sechs festangestellte Fahrlehrer und weitere Referenten. Mit der Einführung des BKrFQG 2006 wurde die Arbeit im Bereich der Nutzfahrzeuge intensiviert.
So entstand auch 2009 der Kontakt zur SVG Hessen eG. „Damals habe ich sozusagen mit meiner Fahrschule als Subunternehmer angefangen, für die SVG im Bereich BKF-Weiterbildungen Seminare zu halten. In dieser Zeit hat mich der damalige Vorstand Martin Staudt angesprochen, weil die SVG Hessen eG eine Fahrlehrer-Ausbildungsstätte plus Fahrschule in Schöffengrund plante. Nach 20 Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit reizte mich die neue Herausforderung sehr und ich nahm das Angebot über den Aufbau der neuen Ausbildungsstätte dankend an.“
Start in Schöffengrund
„2011 im Februar sind wir in Schöffengrund auf dem ehemaligen Gelände des Berufsbildungszentrums in Mieträumen gestartet. Um eine amtlich anerkannte Ausbildungsstätte für Fahrlehrer zu gründen, gab es für mich einige Voraussetzungen zu erfüllen. Ich musste Genehmigungsurkunden beantragen, Personal wie Diplomingenieure, Pädagogen, Juristen und Fahrlehrer finden. Ich kam sehr gut mit der Herausforderung klar und habe so richtig Gas gegeben“, erinnert sich Uli Löhr. „Das war eine spannende Zeit.“ Sein Engagement wurde belohnt:
Schon im Juni 2011 hielten Uli Löhr und sein Team die Genehmigungsurkunde in den Händen. Die anerkannte Fahrlehrerausbildungsstätte ging in Schöffengrund an den Start.
Aufbau der Ausbildungsstätte
Sein Bekanntheitsgrad in der Branche und in der Region hat der SVG gerade in der Anfangszeit enorm geholfen. „Ich habe meine bestehenden Kontakte genutzt, um die ersten Lehrgänge zu starten. Ich stand oftmals morgens beim TÜV und habe Flyer verteilt, abends besuchte ich die Fahrschulen, um auf unsere neue Dienstleistung hinzuweisen“, erzählt er rückblickend. Mittlerweile fällt Uli Löhr die Kundenakquise wesentlich leichter, da elf Jahre lang sehr gute Arbeit abgeliefert wurde und der gute Ruf der Ausbildungsstätte hessenweit bei den Fahrschulen und Fahrlehrern angekommen ist.
Zahlen, Daten, Fakten rund um das AWZ
Im Februar 2011 Eröffnung des Aus- und Weiterbildungszentrums für Fahrlehrer in Schöffengrund, die ersten Kurse starteten bereits im Oktober. Seitdem hat Uli Löhr 26 Klasse BE Kurse, 11 Klasse A Kurse, 6 Klasse CE Kurse, 3 Klasse DE Kurse und über 750 Teilnehmer in Fahrlehrerfortbildungen begleitet. In verschiedenen zusätzlichen Tätigkeitsfeldern für Fahrlehrer ist das AWZ gut aufgestellt:
- Kurse für Ausbildungsfahrlehrer
- Lehrgänge zur Betriebsführung von Fahrschulen
- Einweisungen für ASF– und FES-Seminarleiter
- Seminar für pädagogische Überwacher
Die erforderlichen Fortbildungen für diese Geschäftsfelder finden jährlich statt.
Im April 2017 zog das AWZ nach Wetzlar. Am jetzigen Standort starten drei Lehrgänge pro Jahr. Der älteste Schüler ist 61 Jahre, die jüngste Anwärterin 21 Jahre alt. Zum Team gehören neben Miriam Henning im Backoffice, zwei Juristen, fünf Diplompädagogen,
ein Verkehrs-Psychologe, drei Diplomingenieure und mehrere Fahrlehrer.
Das Aus- und Weiterbildungszentrum ist AZAV-zertifiziert und arbeitet mit DRV, BG, BFD und anderen öffentlichen Trägern gut
zusammen. Die meisten Kunden finanzieren sich ihre Ausbildung zum Fahrlehrer selbst und werden dabei vom Aufstiegs-BAFÖG
unterstützt.
Zusätzlich hat sich über die Jahre eine Stammkundschaft entwickelt, denn schließlich müssen Fahrlehrer, ähnlich wie Berufskraftfahrer, alle vier Jahre an einer Weiterbildung teilnehmen. Und der Frauenanteil unter den Fahrlehrern wächst stetig. Uli Löhr: „Das hat damit zu tun, dass der frühere technikgeprägte Beruf mittlerweile den Ausbildungsschwerpunkt in der pädagogischen Ausbildung wiederfindet.“
Umzug nach Wetzlar
„Durch die gute Vorarbeit in den letzten Jahren und die Verlängerung der Ausbildungszeit stieg die Nachfrage nach unseren Lehrgängen.“ An der Adresse Im Amtmann 11-15 in Wetzlar, direkt angrenzend an das Hotel Blankenfeld, wurde ein passendes Mietobjekt gefunden. Im Erdgeschoss, im Keller und im ersten Stock befindet sich seit dem 1. April 2017 das Aus- und Weiterbildungszentrum, mit der Möglichkeit zu expandieren.
„Die Verwaltung und weitere Büroräume sind im ersten Stock geplant.“ Die Fahrschule soll in den nächsten Monaten von Schöffengrund auch nach Wetzlar verlegt werden.
Ablauf und Voraussetzung für die Ausbildung
Acht Monate sind die angehenden Fahrlehrer in Wetzlar. Die komplette Ausbildung dauert insgesamt zwischen 13 und 16 Monate und kostet rund 15.000 Euro „Wer bei uns die achtmonatige Ausbildung durchlaufen und seine Prüfungen bestanden hat, der muss noch einmal für ca. ein halbes Jahr in eine Ausbildungsfahrschule und hat sich anschließend dann dort seinen Lehrproben zu stellen.“
Was sind die Voraussetzungen, um mit einer Ausbildung zum Fahrlehrer starten zu können?
„Eine erforderliche Voraussetzung ist eine abgeschlossene, anerkannte Berufsausbildung oder der Fachhochschulabschluss.
Dann benötigt man mindestens drei Jahre lang den Führerschein der Klasse B und zum Lehrgangsbeginn auch die Fahrerlaubnis der Klasse BE. Und natürlich nicht mehr als einen Punkt in Flensburg, schließlich hat man Vorbildfunktion“, betont Uli Löhr noch einmal an dieser Stelle. „Eine weitere Voraussetzung ist ein einwandfreies Führungszeugnis und gesundheitlich muss ein Anwärter die Tauglichkeit eines Lkw-Fahrers haben.“ Das heißt? „Ein Lkw-Fahrer muss alle fünf Jahre zum Gesundheitscheck, da werden Herz, Kreislauf, die Sehfähigkeit usw. geprüft. Ein Fahrlehrer ist verpflichtet, diese Eignung ebenfalls alle 5 Jahre nachzuweisen – auch wenn er keine Nutzfahrzeuge fährt.“
Heterogene Truppe
„Wir haben den einen oder anderen Berufskraftfahrer in unseren Lehrgängen, aber sie sind vergleichsweise in der Minderheit. Insgesamt haben wir in den vergangenen Jahren eine sehr heterogene Truppe an angehenden Fahrlehrern ausgebildet“, erzählt er. „Und wir ziehen uns mit Erfolg unseren eigenen Nachwuchs heran. Die angestellten Kollegen Manfred Klaasen (SVG KO), Thomas Leufgen (SVG KO), René Brückner (SVG KS), Alexander Müller (SVG WZ) wurden in einzelnen Klassen, Jan Lück (SVG WZ) als Fahrlehrer für alle Klassen komplett ausgebildet. Es macht richtig Spaß, mit ehemaligen Teilnehmern als Team zusammenzuarbeiten. Wenn man den Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit so früh legen kann, ist das echt genial. Wir entwickeln uns allmählich zu einer Fahrlehrerschmiede für die SVG-Fahrschulen.“
Nicht immer geht es mit allen Anwärtern glatt. In manchen Fällen gibt es kein Happy End für den Teilnehmer. „Dann muss man als Leiter auch konsequent sein und einen Anwärter entfernen, wenn es nicht so läuft wie wir es uns wünschen.“ Als verantwortlicher Leiter sagt Uli Löhr nicht nur unmissverständlich, wo es „langgeht“, er achtet auf Pünktlichkeit und er ist sehr streng, wenn manch ein Teilnehmer es an der nötigen Ernsthaftigkeit fehlen lässt.
Blick in die Zukunft
„Um unsere Ausbildungsstätte weiter voranzubringen und bekannt zu machen, führen wir unter anderem auch besondere Fortbildungen durch. Im Programm haben wir beispielsweise eine Fortbildung mit Motorrädern durch Südtirol, Fortbildungen mit Lang-Lkw, pädagogische Fortbildungen zur Visualisierung und kombinierte Fortbildungen nach Paragraf 8 BKrFQV und Paragraf 53 FahrlG. Nur so und mit ganz viel persönlichem Engagement des gesamten Teams“, da ist sich Uli Löhr sicher, „sind wir eine großartige und sehr erfolgreiche Ausbildungsstätte geworden.”
Darüber hinaus muss er die gesetzlichen Änderungen im Blick behalten: „Zuerst wurde die Ausbildung von fünf auf acht Monate hochgesetzt, immer wieder werden Inhalte überarbeitet oder angepasst, die Gewichtung der Inhalte variiert. Und die neuste Änderung: Die Ausbildung zum Fahrlehrer soll im nächsten Jahr mehr Praxisbezug erhalten.“
Was bedeutet das konkret?
„Das bedeutet, wir müssen mit allen unseren Anwärtern 30 Stunden fahren!“ Das ist für Uli Löhr und sein Team nicht nur
organisatorisch ein erheblicher Mehraufwand – auch der Zeitfaktor spielt eine große Rolle. „Das macht im Schnitt 450 Unterrichtseinheiten pro Kurs, die hinzukommen, zusätzliche Manpower inklusive. Aber auch das werden wir stemmen“, ist der Leiter des Aus- und Weiterbildungszentrums überzeugt. Und Uli Löhr hat sein nächstes Ziel bereits fokussiert:
„Nachdem wir in den letzten zwei Jahren geholfen haben, den Aufbau der Ausbildungsstätte in Koblenz zu unterstützen, plant die SVG in Kassel den Aufbau einer weiteren Fahrlehrerausbildungsstätte.“
Die weitere Verbesserung der Ausbildungsstätte in Wetzlar und der Neuaufbau in Kassel reizen Uli Löhr sehr. Jetzt gilt es für ihn, weiteres zuverlässiges Personal mit ins Boot zu holen, damit die Mammutaufgabe angegangen werden kann. „Tatkräftig unterstützt werde ich im Büro bereits von Teamassistentin Miriam Henning und Alexander Müller, der sich als rechte Hand immer mehr um den Standort Wetzlar kümmert. Nur durch solche Mitarbeiter und die vielen anderen Angestellten und Referenten, die hier nicht alle namentlich erwähnt werden können, obwohl jeder Einzelne es von der guten Zusammenarbeit her verdient hätte, kann ich es mir in Zukunft erlauben, beide Ausbildungsstätten zu leiten.“
Zur Person:
Uli Löhr, 57 Jahre, leitet das SVG Aus- und Weiterbildungszentrum seit 2011. Er selbst ist schon bei der Bundeswehr zum Fahrlehrer ausgebildet worden und hatte über 20 Jahre eine eigene Fahrschule, die er erst mit dem Beginn der intensiven Zusammenarbeit mit der SVG Hessen eG verkauft hat.
Ein nächster großer Step für Uli Löhr im Jahr 2022 ist ein zusätzliches Aus- und Weiterbildungszentrum am Standort Kassel – ein erfüllter Traum für die kommenden zehn Jahre seines Berufslebens. Privat ist Uli Löhr leidenschaftlicher Motorradfahrer.