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Regelmäßig berichten die Medien über Ladungsdiebstahl auf deutschen Autobahnparkplätzen. Wie entwickelt sich die Lage? Wer steckt hinter den Kriminellen? Was lässt sich präventiv tun? Hans-Werner Faust kennt das Thema aus langjähriger Erfahrung und nimmt Stellung.
Herr Faust, wie hat sich die Sicherheitslage auf deutschen Autobahnparkplätzen in den letzten zehn Jahren entwickelt?
In den letzten Jahren ist der Anteil der durch Lkw erbrachten Transportleistungen erheblich gestiegen. Aktuell liegt die Transportleistung des Güterverkehrs auf der Straße bei über 70 Prozent und für die Folgejahre wird mit einem weiteren Anstieg
gerechnet. Leider wächst seit Jahren die Verkehrsinfrastruktur nicht annähernd mit. Somit ist das Problem offensichtlich:
Gelegenheit macht Diebe. Das Arbeitsumfeld der Berufskraftfahrer/innen hat sich erheblich zu deren Nachteil verändert und ist gefährlicher denn je!
Welche Faktoren bestimmen diese Entwicklung aus Ihrer Sicht maßgeblich?
Neben der nicht mitgewachsenen Verkehrsinfrastruktur und der damit verbundenen Verkehrsdichte wirkt sich der wirtschaftliche
Druck der Unternehmen unmittelbar auf die BerufskraftfahrerInnen aus. Zeitdruck, Stress und Unkenntnis über die allgemeine und besondere Gefahrenlage sind die Hauptgründe, die Fahrer und Fahrerinnen sowie deren Fahrzeuge zu leichten Opfern von Kriminellen werden lassen.
Inwieweit sind hier Banden oder organisierte Gruppen am Werk?
Die Palette der Kriminalität rund um Lkw ist vielfältig. An der Tagesordnung sind Diebstahl, Körperverletzung, Raub sowie ausländer und zollrechtliche Verstöße. Die Komplexität dieser Straftaten erfordert fast immer ein teammäßiges Vorgehen seitens der Kriminellen. Außerdem sind sie stets mit Cuttermesser, Brechstange, Bolzenschneider usw. bewaffnet und werden sich bis „aufs Messer wehren“, wenn sie festgenommen werden sollen. Diese Tätergruppen lassen sich nicht ohne Weiteres vorläufig festnehmen (§ 127 Abs. 1 StPO, Jedermann-Festnahme).
Achtung, wir haben es in den meisten Fällen mit Organisierter Kriminalität (OK) zu tun! Wenn Straftaten planmäßig begangen werden, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter anderem gewerblich, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel zusammenwirken, handelt es sich um Organisierte Kriminalität – soweit eine gekürzte Definition.
Hans-Werner Faust, Jahrgang 1955, war als Hauptkommissar bei der Bundespolizei tätig.
Dort engagierte er sich mehr als zehn Jahre als Fachlehrer für dezentrale Fortbildung, unter anderem bei den Leistungssportlern in Cottbus. Ab 2009 wirkte der Beamte an Seminaren zur grenzüberschreitenden Kriminalität mit. Seit 2016 ist Faust als freier Referent und Trainer bundesweit in der Fahrlehrer- und Berufskraftfahrer-Fortbildung aktiv. Zu seinen Themen zählen Kriminalität und Schleusung sowie Gesundheit, Umweltschutz und Verkehrssicherheit.
Wie gehen diese Gruppen vor?
Gegenwärtig muss davon ausgegangen werden, dass die Kriminellen sehr gezielt vorgehen. Wenn in einer Nacht 110 Lkw-
Planen mitten in Deutschland aufgeschlitzt werden und nichts gestohlen wird, wird klar, dass die Kriminellen sehr wohl planmäßig
arbeiten. Selbstverständlich gibt es kriminelle Infrastrukturen. Diese Geflechte können sogar ihren Ursprung in Unternehmen haben, die am Transport beteiligt sind.
Es gibt falsche Polizisten, die eine Kontrolle vortäuschen und anschließend den Fahrer außer Gefecht setzen und die Ladung stehlen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Das kann soweit führen, dass in der Aktionsphase Kriminelle auf einem Parkplatz das Funknetz mit sogenannten Jammern stören, um Notrufe zu verzögern bzw. zu verhindern.
Welche Rolle spielt das Bewusstsein des Fahrers bzw. der Fahrerin in dem Kontext?
Wie in anderen Lebenslagen auch, hofft man, nicht Opfer von Kriminellen zu werden. Und die meisten BerufskraftfahrerInnen beenden in der Regel auch ihr Berufsleben, ohne jemals Opfer von Straftätern geworden zu sein. Dennoch:
Die Gefahr, Opfer zu werden, droht jeder Berufskraftfahrerin und jedem Berufskraftfahrer. Deshalb bleibt es ein ganzes FahrerInnen-Leben lang wichtig, Eigensicherungsregeln einzuhalten und auf Notsituationen gedanklich – Stichwort Kopfkino – vorbereitet zu sein.
Wie sollte der Unternehmer präventiv auf seinen Fahrer einwirken?
Das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) schreibt im § 1 Anwendungsbereich vor, dass zur Verbesserung vor allem der
Sicherheit im Straßenverkehr den BerufskraftfahrerInnen besondere tätigkeitsbezogene Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden sollen. Diese werden in den Kenntnisbereichen der Verordnung zur Durchführung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes (Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung – BKrFQV) konkretisiert. Ein wesentlicher Baustein für die Qualifizierung der BerufskraftfahrerInnen ist somit die im Fünfjahres-Rhythmus durchzuführende Berufskraftfahrer-Fortbildung. Unternehmen haben die Möglichkeit, ihr Personal zielgerichtet weiterbilden zu lassen – auch im Themenfeld Kriminalität und Schleusung.
Fortbildung muss einen Mehrwert für Unternehmen und die BerufskraftfahrerInnen haben und ist die beste Prävention. Neben der
Fortbildung helfen oftmals schon einfache firmeninterne Aktivitäten weiter, zum Beispiel die Information der Mitarbeiter über kriminelle Ereignisse am Schwarzen Brett, Whatsapp-Gruppen oder Firmenrundschreiben.